Umerziehung zu „Patrioten“: Ukrainische Kinder in Russland zu Militär-Ausbildung gezwungen
Verschleppte ukrainische Kinder lernen in russischen Militärlagern den Umgang mit Waffen. Die Ukraine befürchtet eine Gehirnwäsche – und einen baldigen Einsatz im Krieg.
Wolgograd – In russischen Militärlagern werden derzeit hunderte Kinder und Jugendliche, die ursprünglich aus der Ukraine stammen, ausgebildet. Sie lernen den Umgang unter anderem mit Drohnen, Gewehren und Fallschirmen.
Eines dieser Lager trägt den Namen „Zeit für junge Helden“ und befindet sich in der Grenzregion Wolgograd. Der russische Sender OTR berichtete kürzlich darüber. Die jungen Teilnehmer kommen aus den Regionen Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk, die Russland im Ukraine-Krieg teilweise besetzt und als russisches Territorium deklariert hat.
Ukrainische Kinder in Russland müssen Umgang mit Waffen und Drohnen trainieren
Die britische Zeitung Times hat die Berichterstattung des Senders genauer analysiert. Demnach wird der Unterricht von einem maskierten Ausbilder abgehalten, neben einer russischen Flagge und einem großen Porträt von Präsident Wladimir Putin. Das dreiwöchige Lager ist für Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren konzipiert und beinhaltet auch russische Jugendliche. OTR berichtete, dass das Camp für „strenge Disziplin“ unter den Kindern sorgt.

Das „Zentrum für militärisch-sportliche Ertüchtigung und patriotische Erziehung der Jugend“ namens „Woin“ („Krieger“) ist für die Organisation dieser Lager verantwortlich. Die Organisation, die auf Befehl Putins gegründet wurde, hat Anfragen der Times nicht beantwortet. „Woin“ gibt jedoch an, dass es darum geht, „junge Patrioten“ gut auf den Kriegsdienst vorzubereiten. Die Camps bieten den Kindern die Möglichkeit, „neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, Teil eines großen Teams zu werden, neue Freunde zu finden und die Geschichte und Kultur des Mutterlandes kennenzulernen“.
In diesen Lagern tragen die Jugendlichen militärische Uniformen und üben auch das Schießen mit Kalaschnikow-Sturmgewehren. Ein junges Mädchen, das angeblich aus Cherson stammt, erzählte dem russischen Sender, dass sie an Drohnen ausgebildet werde. Die Ausbilder sind Männer mit Kampferfahrung in der Ukraine. Die Times berichtet, dass ein Mädchen mit dem gleichen Namen aus Cherson auf der ukrainischen Website „Children of War“ als „vermisst“ gelistet wird. Mehr als 1900 Kinder gelten als „vermisst“, mehr als 19.000 als durch Moskau nach Russland deportiert.
Tausende Kinder aus der Ukraine verschleppt – internationaler Haftbefehl gegen Putin
Kiew befürchtet, dass die Kinder und Jugendlichen in Russland einer Gehirnwäsche unterzogen und in wenigen Jahren in der Armee gegen die Ukraine eingesetzt werden. Katerina Raschewska, Juristin beim Regionalen Zentrum für Menschenrechte in Kiew, sagte laut der Times: „In den letzten Monaten haben wir eine Zunahme des Ausmaßes und des Tempos der Militarisierung der ukrainischen Kinder festgestellt.“
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Sie fügte hinzu: „Die Gefahr der militarisierten Umerziehung besteht darin, dass die nationale Identität der ukrainischen Kinder geleugnet wird und sie dadurch langfristig psychologisch traumatisiert werden.“ Russland beabsichtige, die Kinder „militärisch zu indoktrinieren“ und verletze damit die UN-Kinderrechtskonvention. Dmytro Lubinets, Menschenrechtsbeauftragter des ukrainischen Parlaments, sagte, dass „der Kreml gewaltsam eine Generation ukrainischer Kinder formt“, denen „Hass und Gewalt gegen alles Ukrainische“ beigebracht wird.
Russland behauptet, 700.000 Kinder aus der Ostukraine vor dem Krieg „in Sicherheit“ gebracht zu haben. Die Ukraine wirft Russland jedoch vor, Tausende Kinder und Jugendliche in russisches Gebiet verschleppt zu haben. Gegen Präsident Wladimir Putin und Russlands Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, liegt seit März 2023 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vor. Der IStGH verdächtigt Russland, ukrainische Kinder deportiert zu haben.
Russland bestreitet, dass Kinder und Jugendliche deportiert wurden. Lwowa-Belowa sagte, die „überwiegende Mehrheit“ sei mit ihren Eltern angekommen. Ihre Worte ändern jedoch nichts an dem Haftbefehl gegen sie und Putin. (lrg/dpa)