„Null und nichtig“: Putins Krieg hat die F-16-Kampfjets einfach überholt

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Trübe Aussichten für Wolodymyr Selenskyj: Die Nutzen der F-16 für die Ukraine wird in den USA immer lauter bezweifelt. Sein Armeechef sagt jetzt: Er könne sie nicht mal in verbunkerten Hangars unterbringen lassen (Symbolfoto). © IMAGO/Ed Darack

Kein betonierter Hangar, kein routinierter Pilot, keine unbeschränkte Angriffserlaubnis: Die F-16 kommt für die aktuellen Aufgaben im Krieg zu spät.

Kiew – „Ich glaube, die Leute warten auf diesen entscheidenden Moment, wenn die Jets eintreffen und sich alles ändert, aber so funktioniert es einfach nicht“, sagt Michelle Curran über die baldige Ankunft der F-16-Kampfjets in der Ukraine. Gegenüber der Washington Post mutmaßt die ehemalige F-16-Pilotin, die Menschen in der Ukraine könnten zu viel von der Maschine erwarten.

F-16-Kampfjets in der Ukraine: Effekt gegen Putins Truppen lässt wohl länger auf sich warten

Ein Effekt gegen die Truppen von Wladimir Putin wird womöglich länger auf sich warten lassen – wie die Washington Post aktuell berichtet, mehren sich die Stimmen, die die Hoffnung dämpfen, die Maschine können überhaupt eine Entscheidung im Ukraine-Krieg herbeiführen, geschweige denn begünstigen. Dafür kommt sie wohl schlicht zu spät.

Offenbar hat der Krieg eine Entwicklung genommen, die bei der Zusage der Maschinen schwer abzusehen war – und der Konflikt zwischen dem ukrainischen Präsidenten und seinen westlichen Unterstützern wird schärfer, wie die Post schreibt. US-Offizielle äußern immer offensiver ihre Zweifel, dass sich die Kampfjets gegen die inzwischen effektive russische Luftabwehr würden behaupten können. „Ukrainische Offizielle reagieren jedoch mit einem bekannten Refrain: Bei den F-16-Flugzeugen hat der Westen, wie bei anderem Material auch, zu wenig und zu spät geliefert“, zitiert sie die Post.

Ukraine-Krieg ist fortgeschritten: Die F-16-Kampfjets möglicherweise gleicher Fehlgriff wie der Abrams

Analysten des Thinktank Center for a New American Security sollen die Zweifel der US-Regierung befeuert haben: „Die F-16-Kampfflugzeuge könnten für die Ukrainer vor allem eine psychologische und moralische Stärkung sein und für russische Wehrpflichtige eine Bedrohung darstellen – auch, weil sich die Bedingungen auf dem Gefechtsfeld seit letztem Jahr, als die Entscheidung zur Entsendung der Flugzeuge bekannt gegeben wurde, geändert haben“, soll die Analystin Becca Wasser angedeutet haben.

„Es besteht ein unmittelbarer Bedarf dafür. Oft ist dieser unmittelbare operative Bedarf zum Zeitpunkt der Lieferung aufgrund der Geschwindigkeit der Anpassung auf dem Schlachtfeld null und nichtig.“

Die Geschwindigkeit der Waffenlieferungen war immer Grund für Ärger von Präsident Wolodymyr Selenskyj – jetzt wird er wahrscheinlich wieder fluchen: Die ersten F-16-Kampfjets kommen vermutlich doch erst viel später. Und noch dazu weniger Maschinen als erhofft: von sechs Stück ist die Rede. Danach sollen noch einmal 20 Maschinen folgen. Lieferdatum: ungewiss. Konstantin Krivolap ist überzeugt, dass das erste halbe Dutzend F-16-Kampfjets erst im Oktober oder November am ukrainischen Himmel erscheinen werde.

Der ukrainische Analyst, der sich wiederholt zu Luftfahrtthemen äußert, hat jetzt gegenüber der Nachrichtenagentur Unian den Schuldigen ausgemacht: Jake Sullivan, den Nationalen Sicherheitsberater des US-Präsidenten Joe Biden. Krivolap sagte: „Er glaubt, dass die Zeit noch nicht gekommen ist und die Ukrainer es zu eilig haben.“ Nach Meinung von Becca Wasser könnte mit den F-16 der gleiche Fehlgriff drohen, wie mit den Westpanzern, vor allem den US-Abrams: zu spät geliefert, zu ungenügend eingesetzt – letztendlich vom Kriegsverlauf einfach überholt.

Die Angst der USA vor Putin: Keine Feuerfreigabe mit Westwaffen über 100 Kilometer hinaus

„Wir haben dieses ziemlich routinemäßige Muster gesehen, wenn es um westliche Militärausrüstung für die Ukraine geht“, sagte sie. „Es besteht ein unmittelbarer Bedarf dafür. Oft ist dieser unmittelbare operative Bedarf zum Zeitpunkt der Lieferung aufgrund der Geschwindigkeit der Anpassung auf dem Schlachtfeld null und nichtig“, wird die Analystin von der Post zitiert. Außerdem scheint noch niemand zu wissen, was die F-16-Piloten im Einsatz dürfen und was ihnen untersagt werden wird: „Offiziellen Angaben zufolge hat Washington Kiew auf eine Feuerdistanz von weniger als 100 Kilometern innerhalb der Grenze beschränkt“, schreibt das Blatt.

Würde das auch für die F-16 gelten, wäre ihr Nutzen mehr als diskutabel, obwohl der Kampfjet sowohl Feindflugzeuge bekämpfen soll als auch Bodenziele. Allerdings scheint nach Angaben der Washington Post die Ausbildung weniger erfolgreich zu verlaufen als bisher angenommen beziehungsweise gemeldet worden ist: Das Magazin Air & Space Forces hatte im Februar von einer ersten Tranche von acht Piloten berichtet – unter Bezug auf die ausbildende Air National Guard. Im laufenden Jahr sollen vier weitere Piloten geschult werden.

Putin macht inzwischen langsam: Das Warten auf die Kriegsmüdigkeit des Westens

Newsweek berichtete parallel von einer Meldung des britischen Verteidigungsministeriums, wonach bereits im März zehn Ukrainer eine britische Militärflugschule durchlaufen hätten und danach durch die französische Luftwaffe weiter geschult werden würden – erst danach sollten sie ins Cockpit einer F-16 steigen. Möglicherweise dauert auch das alles viel zu langsam; außerdem scheinen die Ukrainer jetzt auch zu klagen, dass sie ihre Piloten für die Ausbildung generell nur kurz entbehren könnten, weil sie an der Front fehlten.

Darüberhinaus publiziert die Post Berichte, wonach Russland im Donbass wohl langsam aber stetig vorrücke, Charkiw zunächst vernachlässige und versuche, ukrainische Truppen so lange zu binden, bis entweder ihr Verteidigungswille nachlässt oder der Westen unter der wachsenden Kriegsmüdigkeit einknickt. Die Hoffnungen der Ukraine ruhen jetzt darauf, dass die F-16 diese Taktik der Russen durchkreuzen und schnelle, einschneidende Ergebnisse zeitigen würde. Von den F-16-Maschinen wird erwartet, dass sie die russische Luftflotte davon abhalten könne, sich der Ukraine so sehr zu nähern, dass sie effektive Gleitbomben-Angriffe fliegen kann.

Laut Angaben der Post sollen die F-16 allerhöchstens bis auf 25 Kilometer an die russische Grenze heran fliegen – die Waffen-Sensorik sei modern genug, um mittels Raketen die russische Luftwaffe trotzdem auf Distanz zu halten. Mehr als diese Unterstützung der eigenen Luftabwehr scheint schwer vorstellbar. Allerdings wird selbst das zur ernsthaften Herausforderung für die Ukraine werden, denn allein um Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen, bräuchte die Ukraine ein Vielfaches der 65 Flieger, die die Ukraine zugesagt bekommen hat.

F-16-Kampfjets im Kampf gegen Russland: Ukraine braucht eine ganze Flotte gegen Putins Truppen

Das behaupten zumindest Christopher Koeltzow, Brent Peterson und Eric Williams: „Um eine strategische ‚Flotte im Werden‘ zu schaffen, die Russland respektieren muss, ist die Größe der F-16-Flotte wichtig“, schreiben aktuell die Analysten des Center for Strategic and International Studies (CSIS).

Die Ukraine benötige nahezu zwölf Jagdstaffeln, um die für den Bodenkrieg erforderliche Luftunterstützung zu gewährleisten, kalkulieren sie; und halten eine größere Luftflotte für nötig für die Kernaufgaben der F-16: Unterdrückung der feindlichen Luftabwehr, Luftabwehr gegen Marschflugkörper und defensive, vom Boden ausgehende Luftabwehr. „Dieses Ziel würde 216 F-16 mit jeweils 18 Flugzeugen pro Staffel erfordern“

F-16-Kampfjet-Flotte: Feilschen um die „Wunderwaffe“ – Selenskyj klagt über „einen Schritt vor und zwei zurück“

Allerdings scheint auch die Unterbringung der Flieger weiterhin unsicher und stellt alle bisherigen Vermutungen möglicherweise sogar auf den Kopf. Kein ukrainischer Flugplatz ist vor russischen Raketen sicher. Als „unmöglich“ bezeichnete Oleksandr Syrsky gegenüber der Washington Post den Bau von überdachten, bombensicheren Betonhangars, um die Maschinen bestmöglich zu schützen. Der Generaloberst und Oberbefehlshaber der Ukraine sagte dem Blatt: Stattdessen nutze die Ukraine Tarntechniken und parke sogar Modellflugzeuge als Täuschungsmanöver auf Flugplätzen.

Insgesamt bedrückende Nachrichten für Selenskyj, wie er bereits der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber klargestellt hat und nicht müde wird mit seiner Kritik am Verhalten der westlichen Regierungen: „Jede Entscheidung, zu der wir und dann später alle gemeinsam kommen, verspätet sich um etwa ein Jahr.“ Ihm ist im Westen vor allem ein Umdenken wichtig – in Bezug auf die Lieferung gebrauchsfertiger Waffen oder ausgebildeter Kräfte: „Aber es ist, was es ist: ein großer Schritt vorwärts, aber vorher zwei Schritte zurück. Wir müssen also das Paradigma ein wenig ändern.“

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