Ende eines Bausünden-Dramas? Egmating diskutiert Abriss des 'Steilen Zahns'

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Überragend: Das zu hoch gebaute Treppenhaus an der Westseite der Grundschule Egmating beschäftigt die Gemeinderäte seit Jahren. Nun zeichnet sich der Rückbau als preislich und planerisch naheliegendste Lösung ab. © SRO

Der 'Steile Zahn', ein unvollendeter und teurer Treppen-Bau in Egmating, könnte bald abgerissen werden. Der Gemeinderat hat wohl keine Wahl, da eine Fertigstellung zu kostspielig wäre. Die endgültige Entscheidung steht jedoch noch aus.

Egmating – Der kollektive Zahnschmerz plagt seit Jahren die Gemeinde Egmating. Wie der letzte Stummel eines kariesgeplagten Beißwerks überragt das westliche Treppenhaus der Grundschule das Gesamtgebäude um ein ganzes Stockwerk: Als „Steiler Zahn von Egmating“ ist der unfertige Bau in den gewohnt bissigen Volksmund eingegangen.

Wie ein Zahnschmerzpatient immer wieder mit der Zunge nachfühlt, bis ihm die Tränen kommen, muss auch der Egmatinger Gemeinderat immer wieder nachfassen, wie es mit dem Erbstück aus der Amtszeit von Ex-Bürgermeister Ernst Eberherr weitergehen soll. Nun zeichnet sich ab: Im Rahmen der geplanten Schulerweiterung wird sich Egmating den Steilen Zahn wohl ziehen lassen, weil – um beim Bilde zu bleiben – Bohren, Füllen und Überkronen viel zu teuer wird.

Zu hohes Treppenhaus blieb von verkorkstem Wohnungsplan

Statt der vom Vorgängergremium geplanten sieben Wohnungen über der Schule, die sich in Sachen Bau und Erschließung als völlig unpraktikabel und rechtlich bedenklich erwiesen, wünscht sich das Gremium unter Bürgermeisterin Inge Heiler nun zwei zusätzliche Klassenzimmer für die Schule. Das soll das Haus für die Zukunft aufstellen, etwa einen dreizügigen Betrieb ermöglichen und eine schöne Aula beinhalten.

Geplant ist das per Erweiterungsbau Richtung Osten zur Straße hin, wofür das marode ehemalige Rathaus weichen soll. Dessen Abriss steht quasi fest. Der Plan des Architekten sieht vor, die Aula im Erdgeschoss und darüber zwei Klassenzimmer zu schaffen.

Eine Verlängerung nach Osten zur Straße hin würde zwei Zimmer mehr und eine geräumige Aula bedeuten – ohne Aufstockung. Der Schulleitung wäre das lieber, auch der „Erdverbundenheit“ der Schüler zuliebe.
Eine Verlängerung nach Osten zur Straße hin würde zwei Zimmer mehr und eine geräumige Aula bedeuten – ohne Aufstockung. Der Schulleitung wäre das lieber, auch der „Erdverbundenheit“ der Schüler zuliebe. © ja/WÄSLER

Variante mit zusätzlichem Stockwerk fällt im Vergleich durch – nicht nur kostenmäßig

In nicht öffentlicher Sitzung war der Wunsch aus dem Gemeinderat laut geworden, sicherheitshalber auch eine Variante unter Einbeziehung des Steilen Zahns zu prüfen: die beiden Klassenzimmer unter Fertigbau des derzeit im Rohbau befindlichen Treppenhauses obendrauf zu satteln. Diesen Zahn zog der Architekt Martin Wäsler den Gemeinderäten aber in der Sitzung am Dienstagabend schnell, mit energischer Zughilfe von Schulleitung und Denkmalschutz.

Ein zusätzlicher Stockwerkausbau erfordere neue Brandschutzmaßnahmen, zusätzliche Toiletten und aufwändige Dachgauben wegen der vorgeschriebenen Deckenhöhen. Ein Schulbetrieb sei während des Umbaus nicht möglich, und das ganze Projekt koste statt geschätzter 5,1 Millionen Euro voraussichtlich 7,4 Millionen, also satte 1,3 Millionen mehr. Die Schulleitung sehe bei so einem hohen Gebäude für die Grundschüler „die Erdverbundenheit nicht mehr gewährleistet“, führte Bürgermeisterin Heiler aus. Und der Denkmalschutz habe schon erste Forderungen angemeldet, weil ihm der Entwurf zu wuchtig ausfalle.

Zu wuchtig und zu teuer: Die Aufstockung der Grundschule, um zwei Klassenzimmer zu gewinnen, würde geschätzte 7,4 Millionen Euro kosten. Die Gauben bräuchte das steile Dach fürs Licht, der Denkmalschutz ist nicht begeistert.
Zu wuchtig und zu teuer: Die Aufstockung der Grundschule, um zwei Klassenzimmer zu gewinnen, würde geschätzte 7,4 Millionen Euro kosten. Die Gauben bräuchte das steile Dach fürs Licht, der Denkmalschutz ist nicht begeistert. © ja/WÄSLER

Den finalen Zangenzug versetzte schließlich der Architekt dem Steilen Zahn, indem er anmerkte, dass das halbfertige Treppenhaus für ein Wohngebäude zwar geeignet, aber für ein Schulhaus nicht das passende Steigungsverhältnis aufweise, also ab dem 1. Stock ohnehin komplett umgebaut werden müsste: Der Steile Zahn ist schlicht zu steil.

Bausünden: Der Egmatinger Steuerzahler ist Kummer gewohnt

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Entsprechend ernüchtert fielen die Reaktionen aus dem Gremium aus. Die Bürgermeisterin sprach davon, immerhin der „Verantwortung gegenüber dem Steuerzahler“ Rechnung getragen zu haben, indem man die Aufstockung habe durchrechnen lassen. Was der dritte Bürgermeister Markus Winter sichtlich aufgebracht schon mit Gemurmel und Kopfschütteln während des Vortrags vorwegnahm, fasste ABE-Gemeinderat Johann Riedmaier in Worte: „Jetzt haben wir objektive Zahlen, damit ist die Entscheidung einfach.“ „So hart es ist, dass wir rückbauen müssen“, pflichtete ihm seine Fraktionskollegin Uschi Breithaupt bei.

Ein hohles Gefühl dürfte das wohl mit vielen hunderttausenden Euro zu Buche schlagende zahnärztlich-bauliche Manöver beim Steuerzahler hinterlassen (Obwohl er in Egmating Bausünden-Schmerz gewohnt ist, Stichwort Feuerwehrhaus Münster). Doch allein die Kosten für das voraussichtlich nötige Containerdorf zur Aussiedlung des Schulbetriebs hatte der Architekt mit 800 000 Euro kalkuliert. Obwohl sich keine Fans des zusätzlichen Stockwerks mehr in der Gemeinderatssitzung outeten, der Steile Zahn also bedrohlich wackelt, räumt sich das Gremium noch eine Denkpause bis zur Julisitzung ein. Dann will Bürgermeisterin Heiler über die zu planende Variante abstimmen lassen. Eine Möglichkeit, einen wackligen, schmerzenden Zahn zu loszuwerden, ist ja bekanntlich, in einen Apfel zu beißen. Kann halt sein, dass er sauer schmeckt.

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