Nach wenigen Jahren in Deutschland 1,0-Abitur geschafft: „Ich bin eine zielstrebige Person“

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Jahrgangsbeste: Die 20-jährige Yuqian Ma, die in Peking aufgewachsen ist, erreichte am Reichersbeurer Max-Rill-Gymnasium die Abiturnote 1,0. Ab Herbst will sie Medizin studieren. © arp

Obwohl Yuqian Ma erst seit wenigen Jahren Deutsch lernt, hat sie am Max-Rill-Gymnasium in Reichersbeuern das Abitur mit 1,0 abgeschlossen. Die Chinesin hat weiterhin klare Ziele.

Reichersbeuern - Im Abitur die Traumnote 1,0 zu erreichen, ist alles andere als einfach. Doppelt bemerkenswert ist es, wenn man die Prüfungen nicht in seiner Muttersprache, sondern im Schulsystem eines Landes ablegt, in dem man erst seit wenigen Jahren lebt. Am Max-Rill-Gymnasium in Reichersbeuern gelang dies heuer der 20-jährigen Yuqian Ma aus China. Ihr Erfolgsrezept: „Ich bin einfach eine zielstrebige Person“, sagt sie selbst.

Plan: In Deutschland Medizin studieren

Ganz klar: „Die 1,0 war immer mein Ziel“, erklärt die junge Frau freundlich, aber klar und selbstbewusst. Und ergänzt mit einem Lächeln: „Ich habe immer gute Pläne.“ Im Lauf der Jahre habe sie ihren Notenschnitt kontinuierlich verbessert. Hatte sie in einer Schulaufgabe mal „nur“ 12 Punkte, fragte sie ihre Lehrer, warum es nicht 13 waren. „Ich wollte wissen, wie ich mich verbessern kann.“ Nach dem Halbjahreszeugnis rechnete sich Yuqian Ma genau aus, welche Leistungen sie für den perfekten Notenschnitt erbringen müsste. „Aber natürlich war ich nicht sicher, ob es klappt.“

Genau diese Zielorientiertheit führte die junge Frau auch aus ihrer Heimat Peking nach Deutschland. Als Sechstklässlerin habe sie mit ihrer Mutter eine Europareise unternommen, auch Frankreich und Italien gesehen. In Deutschland aber dachte sie: „Hier würde ich gerne in Zukunft länger bleiben oder auch leben.“ Ebenso klar vor Augen hatte das Mädchen den Berufswunsch Ärztin. Und irgendwann hätten sich dann beide Wünsche zu einem Vorhaben vereint: in Deutschland Medizin studieren.

In China bereits Deutsch-Stunden genommen

Vor fünf Jahren begann Yuqian Ma, am Wochenende Deutsch-Stunden zu nehmen. Für den Unterricht durfte sie sich einen deutschen Namen aussuchen. Bis heute wird sie hierzulande meist Lea genannt  – das kommt den Deutschen leichter über die Lippen. Schon als Schülerin nach Deutschland zu gehen, sei dann „eine sehr spontane Sache“ gewesen, berichtet sie. Als sie im Lockdown während der Corona-Pandemie zu Hause saß, habe sie sich online näher informiert und gelesen, dass es sehr schwer sei, ohne deutsches Abi㈠tur in Deutschland zu studieren. „Ich habe mit meinen Eltern gesprochen und wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, dass ich hier zur Schule gehe.“

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Nach Reichersbeuern führte sie der Weg dann eher zufällig. „Zuerst war ich an einer staatlichen Schule in Jena eingeschrieben“, berichtet Yuqian Ma. Dort gab es über die damalige Reichersbeurer Schulleiterin Carmen Méndez eine Partnerschaft ans Max-Rill-Gymnasium. Yuqian Ma verbrachte zunächst ein Jahr als Gastschülerin im Schloss Reichersbeuern, um das nötige Sprachzertifikat B2 zu erwerben. Die zehnte Klasse absolvierte sie dann wieder in Thüringen, um schließlich wieder an die Max-Rill-Schule zurückzukehren.

Sehr gut gefiel ihr hier, dass hier die Schulklassen so klein sind. „Dadurch entstehen gute Freundschaften und Beziehungen.“ Sie liebe alle ihre Lehrer, betont die Abiturientin. Als Nachteil empfand sie dagegen anfangs die allzu ruhige Lage. „Ich habe noch nie in einem Ort mit so wenigen Einwohnern gelebt.“

In China ist es im Bus Pflicht, älteren Leuten einen Sitzplatz anzubieten. Wenn man es hier versucht, wollen viele den Platz gar nicht.

Yuqian Ma aber fand sich schnell zurecht. „Meine Persönlichkeit hat sich entwickelt, weil ich viel gesehen und erlebt habe“, sagt sie. Hier sei sie zum Beispiel frei, Kampfsport zu betreiben. Daheim in China „denkt mein Papa, dass das nur was für Jungs wäre“. Und welche anderen Unterschiede zu ihrer Heimat hat sie beobachtet? „In China ist es im Bus Pflicht, älteren Leuten einen Sitzplatz anzubieten“, sagt Yuqian Ma. „Wenn man es hier versucht, wollen viele den Platz gar nicht.“ Und: In Deutschland treffe man mehr Menschen verschiedener Nationalitäten und Kulturen. „Das ist gut, wenn alle freundlich miteinander umgehen“, meint die junge Chinesin. An der Max-Rill-Schule schloss sich Yuqian Ma der Redaktion der Schülerzeitung an, „obwohl das als Nicht-Muttersprachlerin gar nicht meine Stärke ist“, sagt sie. Doch sie habe die Lehrerin, die dort mitarbeitete, so sehr gemocht.

An der TUM im Förderprogramm

Ebenso entfalten konnte sie sich im naturwissenschaftlichen Bereich. Noch in Jena, gewann Yuqian Ma auf Thüringer Landesebene den ersten Preis bei der Physik-Olympiade. Später wurde sie als eine von 24 oberbayerischen Schülerinnen und Schülern für ein Förderprogramm der Technischen Universität München (TUM) ausgewählt. Jeden Freitag durfte sie am „Uni-Tag“ teilnehmen, in Studiengänge wie Physik, Raumfahrt oder Maschinenbau hineinschnuppern.

An ihrem Ziel, Humanmedizin zu studieren, hat das nichts geändert. An fünf Universitäten hat sie sich um einen Studienplatz beworben. Ganz oben auf der Wunschliste: Heidelberg. Schon im August will sie vorab ein Krankenhaus.-Praktikum absolvieren. Falls es trotz allem mit dem Medizinstudium nicht klappen sollten, will sich die 20-Jährige auch für das Fach Psychologie einschreiben. Denn auch der beste Plan braucht einen Plan B.

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