Um Kinder und Jugendliche vor Übergriffen zu schützen, hat die Pfarreiengemeinschaft Au und Osterwaal ein Schutzkonzept entwickelt. Im Interview werden Details genannt.
Au/Hallertau – Wie können Kinder und Jugendliche vor Übergriffen geschützt werden? An wen können sich Betroffene wenden, wenn ihre Grenzen nicht respektiert wurden? Die Pfarreiengemeinschaft Au und Osterwaal hat dafür nun ein Schutzkonzept für die Kinder- und Jugendarbeit entwickelt. Wie der Prozess vonstattenging, welche Situation im Kirchenkontext besonders sensibel ist,und was sie persönlich zu diesem Projekt angetrieben hat, erklärt Pastoralreferentin Veronika Laußer im Interview.
Frau Laußer, was ist das Ziel des Schutzkonzepts, das Sie in der Pfarrei erarbeitet haben?
Prävention bedeutet auch immer, wie man mit einem Machtgefälle umgeht. Dessen haben wir uns angenommen. Oberstes Ziel ist, dafür zu sorgen, dass Missbrauch in jedweder Art und Weise verhindert wird. Wir sind dafür verantwortlich, dass Kinder und Jugendliche in unseren Einrichtungen und bei unseren Angeboten sicher sind, dass sie respektvoll behandelt und ihre Wünsche und Grenzen geachtet werden. Außerdem ist unser Ziel, dass Kinder lernen, ihre Wünsche und Grenzen zu kennen und diese zu äußern.
Wer arbeitet künftig mit diesem Konzept?
Es richtet sich an alle Personen, die in der Pfarreiengemeinschaft leben und aktiv sind, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit: also etwa die Ministrantenarbeit, die Erstkommunion- und Firmvorbereitung, das Mesneramt oder das Kindergottesdienstteam. Und es richtet sich auch an Menschen, die in der jüngeren oder älteren Vergangenheit in unserer Pfarreiengemeinschaft möglicherweise Missbrauch erfahren haben. Wir wollen Betroffene nicht alleine lassen, auch wenn Vergehen schon lange zurückliegen. Auch für sie gibt es Wege und Möglichkeiten, Unterstützung zu bekommen.
Fragebogen mit sehr guter Rücklaufquote
Wie wurde es entwickelt?
Im Frühjahr haben wir sowohl analog als auch digital Fragebögen an die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen verteilt. Dabei ging es um Fragen wie: Welche Orte und Situationen erwecken Unwohlsein? Gibt es Situationen, in denen du dich unwohl gefühlt hast? Wen wünschst du dir als Ansprechperson, die dir in solchen Situationen hilft? Wie reagieren Menschen in unserer Pfarreiengemeinschaft, wenn du einen Fehler machst – zum Beispiel beim Ministrieren oder in der Gruppenstunde? Alle für das Schutzkonzept relevanten Antworten wurden eingearbeitet. Den Fragebogen haben knapp 100 Personen ausgefüllt. Das Bistum hat uns mitgeteilt, dass das eine sehr gute Rücklaufquote ist.
Was beinhaltet das Schutzkonzept?
Es setzt sich aus zwei Bestandteilen zusammen: Der erste Teil besteht aus einem Verhaltenskodex, also Leitlinien im Umgang mit Kindern und Jugendlichen. Darin geht es unter anderem um wertschätzende Sprache und Wortwahl, eine offene Fehlerkultur, Nähe und Distanz, die auf Konsens beruhen, der Umgang mit Social Media und mehr. Diesen Kodex unterschreiben alle, die mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten, und verpflichten sich damit, sich an die aufgeführten Regeln zu halten. Teil zwei zeigt den Beschwerdeweg auf, also an wen man sich im Falle einer Grenzüberschreitung beziehungsweise eines Missbrauchs wenden kann, und wie dann der weitere Ablauf ist.
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Ein eigener Punkt in diesem Verhaltenskodex ist die Beichte.
Die Beichte ist eine sensible Situation. Sie impliziert ein vertrauensvolles Zwiegespräch zwischen der Person, die beichtet, und der, die die Beichte abnimmt. Häufig findet sie im Beichtstuhl, einem von außen nicht einsehbaren Raum, statt. Im Fragebogen haben Kinder und Jugendliche rückgemeldet, dass sie sich dort unwohl fühlen würden, falls die Beichte dort stattfindet. Also haben wir überlegt, wie sich dieses sehr private Sakrament in eine Situation überführen lässt, in der sich die Kinder wohlfühlen. Daher können alle, die möchten, die Beichte in der Sakristei oder einem Raum im Pfarrheim ablegen. Beichtkind und Pfarrer sitzen sich an einem Tisch im rechten Winkel zueinander, damit das direkte Gegenüber vermieden und eine gemeinsame Perspektive geschaffen wird. Während der Beichtzeit ist immer mindestens ein Erwachsener, also Eltern oder Mitarbeitende der Pfarrei, in der Kirche oder im Pfarrheim anwesend.
Die Pandemie grätschte dazwischen
Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich an die Entwicklung dieses Konzepts gemacht haben?
Im Jahr 2010 wurden der Machtmissbrauch und die Übergriffe bei den Regensburger Domspatzen öffentlich. Nach der jahrelangen Aufarbeitung hat das Bistum Regensburg, zu dem auch wir gehören, daraufhin angestoßen, in den Pfarreien ebenfalls genau hinzuschauen. Seit 2019 beschäftigt sich die Diözese intensiv damit, wie Prävention in den Pfarreien aussehen kann. Die Pandemie ist uns dann dazwischengegrätscht, aber vor gut einem Jahr hat sich unsere Steuerungsgruppe zum ersten Mal getroffen. Nun haben wir das fertige Schutzkonzept veröffentlicht.
Stichwort Steuerungsgruppe: Wie setzt sich die zusammen?
Unser Ziel war es, Akteure aus den verschiedensten Bereichen der Pfarrei, aber auch der Kinder- und Jugendarbeit zu versammeln. Mit Oberministrantin Ronja Bauer, Pfarrgemeinderatsmitglied Petra Gantner, auch verantwortlich für Kindergottesdienste, Mesnerin Nadine Mayer, Kolpingmitglied und Erzieherin Manuela Müller, Diplom-Handelslehrer Wolfgang Schwarzenberger, Kirchenpfleger Thomas Ernst, Pfarrer Clemens Voss und mir als Pastoralreferentin ist uns das, denke ich, gut gelungen. Außerdem hat uns Vitus Rebl, Präventionsfachkraft des Bistums Regensburg, tatkräftig unterstützt. Dankbar sind wir auch für die Mitarbeit von Helga Elfinger, die kürzlich leider verstorben ist. Als Pfarrgemeinderatsmitglied und vor allem als ehemalige langjährige Kindergartenleiterin hat sie wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Kindern eingebracht.
Das finale Konzept wurde Ende November veröffentlicht. Wie ist die Resonanz bisher?
Sehr gut. Wir haben schon während der Erarbeitungsphase immer wieder Rückmeldungen bekommen, wie wichtig das sei. Einige waren zwar auch verwundert darüber, wie umfassend der Fragebogen ist. Aber die Leute schätzen es wert, dass das Ergebnis nicht nur ein paar dürre Zeilen sind, sondern ein 16-seitiges Konzept, das alles abdeckt. Ich bin sehr glücklich damit, denn es ist auch mein eigener Antrieb zu sagen: Ich persönlich kann nichts dafür, was den Menschen vor 20, 30 Jahren möglicherweise passiert ist. Aber ich kann mich jetzt dafür einsetzen und Verantwortung übernehmen, dass sich was verändert, und solche Dinge nie wieder passieren. Daher appelliere ich auch an die Bürgerinnen und Bürger, uns dabei zu helfen, diese Verantwortung zu übernehmen. Das ist in eurem Interesse, es geht um euch!
Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist nicht nur in der Katholischen Kirche ein Thema, er kommt auch frappierend oft in Sportvereinen vor. In einer bemerkenswerten Aktion hat der Judoclub Freising nun gegengesteuert. Unter dem Motto „Jeder Fall ist einer zu viel“ hat der Verein einen Präventionsexperten engagiert, der Eltern Tipps gegeben hat, was sie dazu beitragen können, ihre Kinder zu schützen, und was zu tun ist, wenn ein Verdachtsfall vorliegt.
Zum Schutzkonzept
Das Schutzkonzept ist hier auf der Homepage der Pfarrei Au zu finden.