Kanzlerwahl: 15.15 Uhr geht Merz in 2. Runde – das passiert, wenn es schiefgeht

  • Merz hat im ersten Wahlgang nicht genug Stimmen erhalten. Wie er reagiert, als er davon erfährt, sehen Sie im Video oben. 

Vom historischen Scheitern zur schnellen zweiten Chance: Nachdem Friedrich Merz am Dienstag überraschend im ersten Wahlgang zur Kanzlerwahl gescheitert war, wird er heute um 15.15 Uhr erneut antreten. Möglich macht dies eine kurzfristige Änderung der Geschäftsordnung - und ein politischer Balanceakt, bei dem ausgerechnet die Stimmen von Linken und Grünen den Weg frei machten.

Dass es überhaupt zu einem zweiten Wahlgang am selben Tag kommt, ist bemerkenswert: Ursprünglich galt der Plan als unmöglich, weil die Union bislang strikt an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei festhielt. Um den Weg frei zu machen, musste CDU-Chef Merz offenbar intern über seinen Schatten springen - oder zumindest dulden, dass die Koalition mit den Stimmen von Grünen und Linken eine Änderung der Geschäftsordnung beantragt, um heute doch noch abstimmen zu können.

Was passiert, wenn Merz auch im zweiten Wahlgang scheitert?

Sollte Merz bei der Kanzlerwahl im Bundestag erneut durchfallen, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen - aber die Uhr beginnt zu ticken. Laut Grundgesetz hat der Bundestag nach dem gescheiterten ersten Wahlgang insgesamt 14 Tage Zeit, um mit absoluter Mehrheit - also mindestens 316 Stimmen - einen Kanzler zu wählen. In dieser Zeit können beliebig viele Wahlgänge mit demselben oder einem anderen Kandidaten durchgeführt werden.

Gelingt es innerhalb dieser zwei Wochen nicht, eine solche Mehrheit zu organisieren, folgt ein entscheidender dritter Wahlgang. In diesem genügt dann die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen - es reicht also, wenn mehr Abgeordnete mit „Ja“ für einen Kandidaten als mit „Nein“ stimmen. Enthaltungen zählen nicht.

Der Clou: Auch wenn ein Kandidat im dritten Wahlgang erfolgreich ist, wird er nicht automatisch Bundeskanzler. Die Entscheidung liegt dann bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Dass Steinmeier sich gegen Merz ausspricht, ist allerdings unwahrscheinlich. Bereits am 5. Mai hatte der Bundespräsident dem Bundestag vorgeschlagen, Merz zum Bundeskanzler zu wählen. 

Wann es zur Neuwahl kommt

Steinmeier kann den nach dem dritten Wahlgang erfolgreichen Kandidaten zum Kanzler ernennen - oder er löst den Bundestag auf. Dann müsste innerhalb von 60 Tagen neu gewählt werden.

Beide Wege gelten als politisch heikel: Eine Kanzler, der offensichtlich keine solide Mehrheit hinter sich hat, wäre bei Abstimmungen auf wechselnde Mehrheiten angewiesen - und damit schwer kalkulierbar. Neuwahlen hingegen brächten Unsicherheit und könnten das Parlament monatelang lähmen.

Das Szenario zeigt: Sollte Merz auch im zweiten Anlauf keine Mehrheit finden, beginnt ein Machtpoker mit offenem Ausgang - zwischen Parlament, Parteien und Bundespräsident.

Noch geschäftsführend im Amt: Was passiert in der Zwischenzeit?

Solange keine neue Regierung im Amt ist, bleibt die alte geschäftsführend im Amt - also unter Olaf Scholz. In den Ministerien bedeutet das Stillstand bei politischen Projekten und Unsicherheit auf den Leitungsebenen. Viele neue Minister standen schon bereit, einige Ex-Minister hatten sich bereits verabschiedet. Nun sitzen sie vielleicht zumindest übergangsweise wieder in ihren Büros.

Offizielle Amtsübergaben sind erst möglich, wenn der Kanzler vereidigt ist - denn nur er kann Minister vorschlagen. Das heißt: kein neues Kabinett, keine neuen Richtlinien, kein Start der Regierung Merz - wenn sie denn überhaupt kommt.

Ob Deutschland am Abend einen neuen Kanzler hat oder weiter im Wartemodus verharrt - das entscheidet sich ab 15.15 Uhr.