Jetzt kann die AfD Merz am Nasenring durch den Bundestag führen

Waren es linke SPD-Abgeordnete, die diesen „Blackrock-Kapitalisten“ Friedrich Merz partout nicht im Kanzleramt haben wollen? Oder waren es verärgerte Unionspolitiker, die es dem eigenen Kanzlerkandidaten heimzahlen wollten, weil sie bei der Postenvergabe übergangen wurden? Wir werden es wohl nie erfahren. 

AfD kann Sand ins Getriebe werfen

Nun kommt es also zu einem zweiten Wahlgang, bei dem Merz ebenfalls die Stimmen von 316 der 630 Abgeordneten benötigt. Da gibt es zwei Möglichkeiten: Mindestens 6 der bisher 18 Abweichler aus den Reihen von Schwarz-Rot lassen es mit dem Protest im Schutz der Anonymität gut sein und geben Merz ihre Stimmen. Oder die rechtsextremistische AfD tut das, was sie so gern tut: Sand ins parlamentarische Getriebe streuen.

Weidel, Chrupalla und ihre Leute freuen sich natürlich über die Schlappe von Merz, der Union und auch der SPD. Schließlich ist es ihr erklärtes Ziel, die CDU „zu zerstören“. Aber die geheime Wahl könnte sie in Versuchung führen, für Chaos zu sorgen. 

Bleibt die AfD beim "Nein" zu Merz?

Die Spitzen der AfD haben glaubhaft versichert, im ersten Wahlgang nicht für Merz gestimmt zu haben. Sie wollen dies auch beim zweiten Versuch nicht tun. Aber das, was AfD-Politiker ankündigen, und das, was sie tun, ist oft nicht dasselbe.

Es könnte also durchaus sein, dass die 151 AfD-Abgeordneten jetzt für Merz stimmen. Das könnten sie damit begründen, das Land vor der Unregierbarkeit retten zu wollen. In Wirklichkeit würden sie aber für weitere, schwere Verwerfungen sorgen.

Abgeordnete der AfD-Bundestagsfraktion im März 2025 Table.Media

Ein mit den Stimmen der AfD gewählter Kanzler Merz könnte nämlich die Wahl nicht annehmen. Die SPD würde mit einem „Merz von AfD-Gnaden“ nicht gemeinsam regieren wollen. Auch der CDU/CSU drohte eine Spaltung.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die AfD mit solchen Tricksereien den Parlamentarismus ins Lächerliche zu ziehen versucht. Das war vor fünf Jahren der Fall, als die AfD in Thüringen nicht für ihren eigenen Ministerpräsidentenkandidaten stimmte, sondern für den FDP-Bewerber Thomas Kemmerich. 

Für die Rolle als Spielverderber reicht es allemal

Kemmerich kam auf diese Weise ins Amt, stürzte die eigene Partei und die CDU in eine schwere Krise und musste nach fünf Tagen in der Staatskanzlei aufgeben. Die AfD genoss ihren billigen Triumph.

Bei der Ministerpräsidentenwahl in Sachsen im Dezember vergangenen Jahres versuchte es die AfD ebenfalls mit „Tarnen und Täuschen“. Sie stellte ihren Landesvorsitzenden Jörg Urban als Regierungschef zur Wahl, doch stimmten die meisten AfD-Parlamentarier im zweiten Wahlgang für den Kandidaten der Freien Wähler.

Die AfD hat zusätzlich die Option, alles auf den dritten Wahlgang zu setzen, falls Merz im zweiten Anlauf abermals scheitern sollte. Dann könnte sie ihr Votum für Merz erst recht als „Rettungsaktion“ verkaufen – und hoffen, dass Merz die Wahl nicht annimmt.

Die AfD hat bei der Bundestagswahl mit fast 21 Prozent stark abgeschnitten. Auch wenn sie jetzt in den Umfragen bei 25 Prozent steht, ist sie von einer eigenen Mehrheit weit entfernt. Aber für die Rolle als Spielverderber reicht es allemal. 

Abweichler haben AfD Chance geboten

Die Parlamente zu schwächen, das parlamentarische System „vorzuführen“, dies gehört zum Geschäftsmodell der Rechtsextremisten. Das hatte sie im September 2024 ebenfalls in Thüringen demonstriert.

Damals setzte sich ihr Alterspräsident über alle Regeln der Geschäftsordnung willkürlich hinweg. Der thüringische Verfassungsgerichtshof musste eingreifen, um den AfD-Mann zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu zwingen. 

Gut möglich, dass die AfD jetzt im Bundestag die Chance nutzt, die „Altparteien“ mit Regelverstößen in Schwierigkeiten zu bringen. Aber nur, weil offenbar einige Abgeordnete von SPD und Union ganz bewusst Merz im ersten Wahlgang durchfallen lassen wollten.