„Diktatfrieden“ – das ist mehr als nur ein Wort. Es ist ein sogenanntes Buzzword – eine Parole. Sie kommt als Tatsachenbehauptung daher, dient aber dazu, Politik zu machen. Die Herrschaft über Worte ist oft die Vorherrschaft über Taten. So ist es auch bei „Diktatfrieden“.
Zunächst: Wer benutzt dieses Wort – und in welcher Absicht? Die Bundesregierung lässt den sogenannten Friedensplan des US-Präsidenten Donald Trump offiziell durch einen Sprecher benutzen. Es ist also der Sprachgebrauch der amtierenden Regierung und ihres Bundeskanzlers Olaf Scholz.
Das Wort „Diktatfrieden“ sorgt für Framing
Aber auch führende Vertreter der Union benutzen die Vokabel: Der voraussichtliche Kanzleramtsminister Thorsten Frei hat in einer Talkshow von „Diktatfrieden“ gesprochen. Ebenso der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt.
Das signalisiert außenpolitische Kontinuität über einen Regierungswechsel hinweg, also etwas, das die Deutschen kennen und in der Regel für gut befinden. Es sorgt für Berechenbarkeit und Ruhe in der Außenpolitik. Das gilt grundsätzlich, ist aber ist in diesem konkreten Fall anders:
Wer wie die heutige Bundesregierung und führende Vertreter der kommenden Bundesregierung den Trump-Plan einen „Diktatfrieden“ nennt, sorgt für ein Framing. Mit dieser rhetorischen „Einrahmung“ soll eine bestimmte Lesart verankert werden in der öffentlichen Meinung – und zwar als: alternativlos.
„Diktatfrieden“ ist aus mehreren Gründen falsch
Und hier wird es problematisch, mindestens. Womöglich wird es auch gefährlich. Weil allein der Gebrauch dieses Begriffs Schlussfolgerungen nahelegt, über die mindestens diskutiert werden müsste.
Erstens: Mit „Diktatfrieden“ machen deutsche Spitzenpolitiker – von SPD, Grünen, Union bis hin zur FDP (Marie-Agnes Strack-Zimmermann) Donald Trump zum „Diktator“. Denn er ist schließlich der Autor dieses Friedensplans, der nun „Diktat“ genannt wird. Trump wird so auf eine Stufe mit Wladimir Putin gestellt, was objektiv falsch ist: die Vereinigten Staaten sind keine Diktatur, Trump ist kein Diktator. Die USA sind keine Feinde, sondern Verbündete.
Zweitens: „Diktatfrieden“ ist aus mehreren Gründen schlicht falsch. Der wichtigste: die Ukraine kann diesen Plan ablehnen – und offensichtlich will das der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch. Ebenso wie die Europäische Union, wobei man sagen muss: gemeint sind hier nicht alle europäischen Staaten, sondern:
Brüssel, Kaja Kallas vor allem, die Außenbeauftragte dieser Behörde, die gerne die europäische Regierung wäre. Aber es nicht ist. Der künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hat eine Europäische Verteidigungsunion ins Spiel gebracht – die es nicht gibt, weil die Europäische Union eben kein Bundesstaat ist.
Regierung Scholz hat die Anschaffung neuer Bomber veranlasst
Drittens: „Diktatfrieden“ zu verwenden, hat eindeutige politische Absichten und Folgen. Das Wort stützt die These, der Westen löse sich auf, die USA seien nicht mehr Teil davon, die Nato nähere sich ihrem Ende. Das allerdings ist falsch. Man mag eine derartige Entwicklung befürchten, aber sie ist noch keine Tatsache.
Soeben hat Nato-Generalsekretär Mark Rutte öffentlich verkündet, die USA seien und blieben Teil der Nato mit allen Rechten und Pflichten. Wäre es anders oder käme es anders, dann hätte gerade Deutschland aktuell ein ganz anderes Problem: Ohne die USA ist Deutschland praktisch militärisch schutzlos.
Zur Erinnerung: Die Regierung Scholz hat die Anschaffung neuer Bomber veranlasst, die den einzigen Zweck haben, die „nukleare Teilhabe“ zu sichern – also den amerikanischen Atomwaffenschutz für Deutschland. Wer gerade erzählt, „den Westen“ gebe es nicht mehr, spielt mit dem Feuer – mindestens.
"Strategische Souveränität" Europas
So zu reden ist auch nicht im deutschen Interesse. Viele Politiker – an der Spitze Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron – sagen zwar, Europa müsse militärisch auf eigenen Füßen stehen. Macron nennt es „strategische Souveränität“. Das ist ein Ziel. Ob es jemals erreicht wird, ist eine offene Frage.
Genauso offen ist auch, ob man das überhaupt erreichen wollen soll. Eine militärische Unabhängigkeit von den USA würde in der Konsequenz das Ende der Nationalstaaten in Europa bedeuten und drastische Kosten verursachen, mindestens für die nächsten zehn Jahre.
Abgesehen davon, dass der Atomwaffensperrvertrag damit wohl hinfällig wäre. „Strategische Souveränität“ Europas ist ohne Atomwaffen undenkbar. Eine wohlklingende Vokabel in den Raum zu werfen, ohne die materiellen, militärischen und staatspolitischen Folgen überhaupt nur offenzulegen, ist bedenklich – oder auch manipulativ.
Deutsche Politiker antworten auf Journalistenfragen wachsweich
Viertens: Wenn dieser „Friedensplan“ so schrecklich ist, dass man ihn als „Diktatfrieden“ ablehnen muss – was wäre die Alternative? Zugespitzt gefragt: Wollen die Deutschen militärisch die Amerikaner in der Ukraine etwa ersetzen?
Wollen sie sich an die Spitze einer Koalition der Willigen stellen? Und wie weit würde diese Koalition – nach Lage der Dinge Frankreich, England, Polen – in der Ukraine gehen? „Boots on the ground“? Bodentruppen - „nur“ zur Sicherung eines „Friedens“ den es nicht gibt, wenn es mit Trumps „Friedensplan“ nichts wird – und dann auch lange noch nicht geben wird?
Bisher ist es so: Jedes Mal, wenn es konkret wird, antworten deutsche Politiker auf Journalistenfragen wachsweich. Sie haben ihre Gründe dafür, nämlich: keine Antworten zu haben.
Kanzler Scholz sagte Nein zu Taurus
Es hat auch Gründe, weshalb Friedrich Merz seine forsche Tonlage zur Taurus-Lieferung an die Ukraine gerade heruntergedimmt hat. Kanzler Scholz sagte Nein zu Taurus, weil der – jedenfalls jetzt – ohne deutsche Soldaten nicht eingesetzt werden kann. Die Russen warnen deshalb vor einer „direkten“ Kriegsbeteiligung deutscher Soldaten. Merz wird die Frage beantworten müssen, ob das sachlich richtig oder falsch ist.
Trump hat jedenfalls eine klare Antwort auf die Frage, was wird, wenn es mit seinem „Friedensplan“ nichts wird – dann seien die Amerikaner raus. Das aber ist: Weder im Interesse der Ukraine, die weder allein noch auch mit europäischer Hilfe kaum in der Lage ist, vom Sommer an das Territorium zu verteidigen, das sie bislang souverän beherrscht.
Noch ist es im Interesse der Europäer, die nach klarer Meinung von Experten wie Claudia Major oder Nicole Deitelhoff nicht in der Lage sind, die Amerikaner zu ersetzen. Und ein amerikanischer Rückzug als „Vermittler“ ist nicht einmal:
Im Interesse Russlands. Für Kremlherrscher Wladimir Putin gibt es erstens die Amerikaner, zweitens die Amerikaner und drittens die Amerikaner. Putin giert nach dem Weltmachtstatus, und den bekommt er nur, wenn er Trump als Verhandlungspartner nicht verliert. Muss Putin stattdessen mit den Europäern herumschlagen, „boxt“ er auch auf deren – minderem - Niveau.
Trump-Bashing bleibt erst einmal folgenlos
Wer derart vollmundig von „Diktatfrieden“ spricht, redet sich selbst in eine Niederlage hinein. Oder betreibt ein Erwartungsmanagement, das zum Scheitern verurteilt ist: Weder Scholz noch Merz sind in der Lage eine militärsouveräne Politik zu betreiben, die dieser Parole als Konsequenz gerecht wird.
Fünftens: Und warum reden sie dann so, es gäbe schließlich sachlich treffendere Alternativen, etwa: Status-Quo-Frieden. Weil Trump-Bashing einfach ist und wohlfeil und erst einmal auch folgenlos. Ein klassischer Fall von (aufgeblasenem) Gratismut.
Mag obendrein sein, sie scheuen zwei unpopuläre, weil auch peinliche Wahrheiten. Die erste: Diplomatisch haben die Europäer, im Gegensatz zu den Amerikanern, nichts zustande gebracht. Und das auch noch, nachdem sie in ihrer Lauheit nur Waffen geliefert haben, die zum Gewinnen zu wenig und zum Verlieren zu viel waren. Die zweite: Deshalb wird auch ein Trump-Amerika noch gebraucht.