Kempten: Ministerpräsident Markus Söder hält eine polemische und unterhaltsame Rede beim CSU-Neujahrsempfang
Der diesjährige Neujahrsempfang der CSU im vollbesetzten Foyer der Big Box Allgäu in Kempten war vollständig auf den Gastredner, CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder ausgerichtet.
Kempten – Bereits in der Begrüßung durch die Kreisvorsitzende, MdB Mechtilde Wittmann, die vor allem die Turbulenzen der vorangegangenen Woche im Bundestag kommentierte, wurde klar: Es ist Wahlkampf und diesmal geht es wirklich um die Wurst, die Zeiten in der Bundespolitik sind viel zu turbulent, als dass man sich hier lange mit lokalen Themen aufhalten könnte.
Aber Markus Söder wäre nicht Markus Söder, wenn er darauf verzichtet hätte, zwischen den politischen Botschaften in unterhaltsamen Einlagen den „Allgäuer Maffiaklub“, die politische Konkurrenz und sich selbst auf die Schippe zu nehmen. Es ging tatsächlich um die Wurst, die Nürnberger, ohne die ein Leben möglich, aber nicht sinnvoll sei, und die vegane, von der er „große Ausscheidelust“ kriege, aber auch um die unterschiedlichen Temperamente von Thomas Kiechle, Wittmann und ihm, um den „mit Abstand schönsten Europaminister“ Eric Beißwenger, aber auch um seinen eigenen christlichen Glauben, bei dem es ihm schwerfalle zu akzeptieren, dass es etwas Höheres als ihn gebe.
„Eine historische Schwelle“
„Diese Wahl ist wirklich anders“, betonte der Ministerpräsident. Er nannte zwei Gründe: Erstens wurde das Wahlrecht verändert, „um Bayern mundtot zu machen“. Deswegen dürfe man keine Stimme verschenken. Zweitens, weil die Rechtspopulisten in Europa auf dem Vormarsch seien. „Das Ende von Weimar war kein Einzelereignis, sondern ein längerer Prozess“, warnte er und fügte hinzu: „Ich habe keine Lust, unser Land der AfD zu überlassen, weder jetzt noch in der Zukunft.“
Scharfe Kritik an der Ampel-Regierung
Scharfe Kritik übte er an der Ampelregierung: „In jedem bayerischen Dorf gibt es mehr Verstand als im Berliner Regierungsviertel.“ Söder hatte kein Verständnis dafür, dass Olaf Scholz, bei dem er „drei Jahre lang nicht sicher war, ob der Mann lebt“ -– Kiechle sei im Vergleich zu ihm ein „Vulkan“ – am Abend des Scheiterns verkündet habe, jetzt richtig durchstarten zu wollen. Deutschland sei der einzige Staat in Europa, der das dritte Rezessionsjahr erlebe, die Insolvenzen würden um 24 Prozent steigen und man habe seit 2010 die höchste Arbeitslosigkeit. Schuld daran sei die „total verfehlte Politik der letzten drei Jahre“. Besonders scharf kritisierte der CSU-Chef die Wirtschaftspolitik von Robert Habeck. Sein Name fiel als erster bei Söders Bekenntnis: „Ich habe eine Liste von Leuten, die ich definitiv auf die Rückseite des Mondes schieße.“ Er warf dem Wirtschaftsminister vor, mitten in der Krise aus der Kernenergie ausgestiegen zu sein und gleichzeitig den Atomstrom in Europa aufgekauft zu haben. Durch die Streichung der Prämie für E-Autos über Nacht habe Habeck deren Markt zerstört. Für wirkungslose Subventionen an große ausländische Konzerne trage der Mittelstand die Kosten. Die Demokratie brauche eine Regierung und eine Opposition, sagte Söder. „Die Grünen sind wichtig genug, die Opposition zu übernehmen.“
Auch Karl Lauterbach („Er sieht sehr gesund aus.“) bekam sein Fett ab: Statt sich um die Pflegereform und um den Erhalt von kommunalen Krankenhäusern zu kümmern, hätte er „ein Gesetz mit Leidenschaft durchgebracht: Cannabis“. Aber die bayerische Bürokratie sei in Ordnung, sie habe keine einzige Genehmigung erteilt. In die gleiche Richtung ging Söders Kritik am Böllerverbot, am Gendern, am Selbstbestimmungsgesetz und an einer Erziehung, die nicht die Leistung in den Mittelpunkt stelle.
„Innovation statt Ideologie“
„Wir müssen aufpassen, nicht die Rücklichter der Welt zu sehen“, warnte der Ministerpräsident. Um den Mittelstand zu stärken, wolle er Änderungen bei der Erbschaftssteuer erreichen. Die Bürokratie sei früher ein Vorteil für Deutschland gewesen, „jetzt ist sie ein Hindernis, eine Würgeschlange, eine große Anakonda, die uns abwürgt“. Als Beispiel nannte er die abgebrannte Pullman City, die die Investoren nicht nur wiederaufbauen, sondern gleich auch erweitern wollten. Es habe die Richtlinienentscheidung eines Ministerpräsidenten gebraucht, um die Einwände der Naturschutzbehörde, die zunächst eine zweijährige Haselmaus-Studie habe durchführen wollen, aus dem Weg zu räumen. Die Machtverhältnisse müssten geändert werden, forderte der CSU-Chef: Die Stadträte müssten mehr Macht haben als NGOs.
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Bayern sei das Start-up-Land Nummer Eins, sagte Söder. Als er vor sechs Jahren über seine Raumfahrt-Pläne gesprochen habe, sei er belächelt worden: „Der Söder will auf den Mond.“ Jetzt investiere Bayern so viel in die KI-Forschung, dass man bald sagen könne: „Wenn es heißt, Houston, wir haben ein Problem, hat Bayern die Lösung.“
Änderungen in der Migrationspolitik
Als Ministerpräsident habe er nicht nur angenehme, sondern auch furchtbare Termine, sagte Söder. So einer sei der Gedenkgottesdienst in Aschaffenburg gewesen. „Wir brauchen in der Migrationspolitik leider eine Veränderung“, fuhr er fort. Man müsse besonnen, aber entschlossen reagieren. Wenn die Demokraten nicht handelten, würden es die anderen tun. „Die Migration ist uns über den Kopf gewachsen.“ In den letzten vier Jahren seien drei Millionen Menschen ins Land geholt worden, so viel, wie die Einwohnerzahl von Thüringen. Die Einwanderung in die sozialen Systeme sei nicht der richtige Weg.
Die Grenzpolizei habe über 100.000 Fahndungstreffer gehabt und dadurch Tausende von Verbrechen verhindert. Man müsse weniger über die Psyche der Täter reden und mehr Aufmerksamkeit den Opfern schenken, sagte Söder. Wer eine Straftat begehe, müsse zurückgeführt werden, ohne 1.000 Euro Rückgeld. Gleichzeitig warnte er davor, das Böse ethnisch zu definieren und wies darauf hin, dass in Aschaffenburg ein kleines marokkanisches Kind umgebracht wurde.
Das Bürgergeld sei daran schuld, dass in Deutschland nur 20 Prozent der Ukrainer arbeiteten, in anderen Ländern liege die Quote bei 80 Prozent, so Söder. Er kritisierte auch die Erleichterungen beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft: „Diese verdient man, diese erhält man nicht.“
Krieg in Europa und die Ukraine
Putin führe einen Krieg mit großer Brutalität und Rücksichtslosigkeit, in der Ukraine, aber auch gegen die eigene Bevölkerung, stellte der Ministerpräsident fest. Wenn es nach den Vorstellungen der AfD und Wagenknecht ginge, würden die Waffen schweigen, aber nur die ukrainischen. Er erinnerte daran, dass laut Putin die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts der Zusammenbruch der Sowjetunion gewesen sei: „Nicht der Zweite Weltkrieg, nicht der Holocaust.“ Er warnte vor folgenschweren Fehlentscheidungen: „Wir müssen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen.“ Und das werde ohne Wehrpflicht nicht gehen.
„Die bayerische Vernunft“
Oberbürgermeister Thomas Kiechle, der an diesem Abend mehrfach als „besonnen“ beschrieben wurde, warnte davor, zu glauben, mit dem Thema Migration alle Probleme des Landes gelöst zu haben. „Migration ist eine Realität, die weder neu noch ungewöhnlich ist“, sagte er. Aber sie brauche Ordnung, Regeln und Maß.
Das Land brauche wieder Stabilität, sagte er. Aber: „Ohne bayerische Vernunft gibt es in Berlin keine Stabilität.“
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