Gardi Hutter nimmt mit einer atemberaubenden Vorstellung Abschied vom Kemptener Publikum
Die Schweizer Autorin, Schauspielerin und Clown-Komödiantin war auf ihrer Abschiedstournee zu Gast in Kempten – mit einer mitreißenden Show.
Kempten – Vier Soloprogramme in den letzten 44 Jahren und 4.444 Vorstellungen: Das ist die in Zahlen ausgedrückte Bilanz der Schweizerin Gardi Hutter. Im Mai, mit 72 Jahren, soll mit ihrem clownesken Theater Schluss sein, aber vorher befindet sie sich auf einer Abschiedstournee und schenkt ihren Fans weltweit die Möglichkeit, noch einmal die Kraft des gemeinsamen Lachens zu spüren. So geschah es auch in Kempten, das Theater war bis zum letzten Platz besetzt.
Eine Überraschung erwartet die Zuschauer, die letztes Jahr Hanna im Stück „Die Souffleuse“ erlebt haben: Die Maus, die Heldin des Stückes „So ein Käse“, „blabbert“ nicht nur, sondern spricht. Das für Hutter so charakteristische „Körpertheater“ lässt ein wenig Raum auch für die sprachliche Artikulation der tierischen Hauptfigur, die kaum menschlicher sein könnte.
Wie kommt die Maus an den Käse?
Ein riesiges Stück Käse, 400 Gramm Emmentaler, hängt in der Mausefalle und die Maus vergeht vor lauter Sehnsucht danach. Sie versucht, mit wissenschaftlicher Akribie und mit allerlei Tricks, an mindestens ein paar Minibrocken zu gelangen. Natürlich scheitert sie und genau mit diesem Scheitern bringt sie das Publikum permanent zum Lachen.
Die Fotos ihrer Ahnen mahnen: Sie mussten allesamt ihr Leben lassen, weil sie es nicht geschafft haben, von hier wegzukommen. Am Ende erlagen sie alle der Versuchung. So auch unsere Heldin, die wortwörtlich und im übertragenen Sinne immer wieder mit dem Feuer spielt, bis sie auf einmal neben dem Käsestück mitten im Käfig steht und ihre Lage in ein paar kurzen Worten auf den Punkt bringt: „Beruhige dich, du bist in der Falle: doppelt.“
Langeweile macht sich breit
Zur großen Überraschung von allen schnappt die verrostete Falle jedoch nicht zu. Nach der Pause erlebt das Publikum eine Maus, die sich im Wohlstand eingerichtet und viele Kilos zugenommen hat. Die Rituale des Konsums verbreiten immer mehr Langeweile. Sie vertreibt ihre Zeit mit Fernsehen, Putzen und Essen.
Aber irgendwie schmeckt es nicht mehr so richtig. Spaß hat sie, wenn sie versucht, eigene kreative Ideen umzusetzen, wie auf Saugnäpfen zu laufen oder zu tanzen. Die Liebe zur Musik ist ihr von ihrem alten Leben erhalten geblieben: Bereits im ersten Teil spielte sie auf den Gitterstäben wie auf einem Streichinstrument.
Dann entdeckt sie mit ihrem Fernrohr den Mond: „So ein Käse!“, seufzt sie auf. Das Leben hat wieder ein neues Ziel! Um an dieses Prachtstück heranzukommen, setzt sie alles in Bewegung. Versehentlich opfert sie sogar die Fliege, zu der sie mit viel Mühe eine Art Freundschaft, ähnlich wie zu einem Haustier, aufgebaut hat.
Meine News
Aber auch das Publikum muss ran: Sie dirigiert fünf Männer auf die Bühne, sie sollen einander auf die Schulter steigen und so einen Turm bis zum „Käse“ bauen. „Das ist meine Lieblingsszene. Dieses Machtgefühl!“, sagt die Maus alias Hutter.
In „So ein Käse“ von Gardi Hutter spielt auch das Publikum eine Rolle
Die Interaktion mit den Zuschauern ist in diesem Stück allgegenwärtig. Sie bezieht einzelne Männer mit in die Handlung ein, lässt ganze Publikumsreihen aufstehen und springt selbst zwischen den Reihen. Als eine Dame im Publikum vor lauter Lachen kaum Luft bekommt, reagiert sie direkt: „Bitte, tief durchatmen!“
Auf einmal sieht die Maus den Mond nicht mehr und glaubt, jemand hätte ihren Käse geklaut. Im Durcheinander passiert das, was man die ganze Zeit befürchtet hat: Die Falle schnappt zu. „Hier kommt keiner rein!“, konstatiert sie zunächst zufrieden. Ihr kommt schließlich zugute, dass sie unter den Zuschauern bereits Verbündete hat, die sie befreien. Am Ende siegt also die Zuversicht.
Mit langem Beifall und Standing Ovations bedankt sich das Kemptener Publikum bei einer einzigartigen Künstlerin, deren Energie und Strahlkraft in der nächsten Saison viele vermissen werden, nicht nur im Allgäu.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.