Von Eutersalbe und Bronzedolchen: Was Sondengänger im Landkreis Ebersberg alles finden

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Die Metalldetektoren im Anschlag stehen Mirjam Scholz, die sich auf YouTube „Sondelhexe“ nennt, und Hans Forstner, dessen Kanal „Grüner Bussard“ heißt, auf der Wiese. Ihren Zuschauern berichten sie dort von ihren Sondengängen. © SRO

Mit der Metallsonde durchstreifen Hobby-Schatzsucher Feld und Flur im Landkreis Ebersberg. Oft schlägt das Gerät an und findet Schrott – doch Ausdauer wird mit manchem Kleinod belohnt. Ein neues Gesetz bereitet den „Sondlern“ Bauchschmerzen. Es geht um Ehrlichkeit und Anerkennung.

Alxing/Landkreis – Das stotternde Fiepen schwillt zu einem Jaulen an. Mirjam Scholz schwenkt den Metalldetektor hin und her, bis der Ton am gellendsten klingt. Dann setzt sie den Spaten an und hievt eine tellergroße Grassode aus der Wiese. Neben der 45-Jährigen steht ihr Spezl Hans Forstner (63) und sagt: „Eutersalbe oder Bronzedolch? Wenn du es nicht gräbst, weißt du es nicht.“ Mirjam Scholz lacht los. Mit spitzen Fingern hält sie den halb korrodierten Deckel einer Aludose in die Höhe. Was drin war, kann man noch lesen. „Hering? Na guten Appetit!“

„Sondeln“ fördert im Landkreis Ebersberg oft Schrott zutage, aber auch manches Kleinod

Scholz und Forstner haben sich an diesem Nachmittag auf der Wiese bei Alxing (Gemeinde Bruck) getroffen, weil die Grasbrunnerin und den Rosenheimer, beide in Ebersberg aufgewachsen, ein Hobby eint: Das Sondengehen oder „Sondeln“, wie es in der Szene heißt: Mit dem Metalldetektor ziehen sie über Äcker, Wiesen und durch Wälder, immer auf der Suche nach dem nächsten historischen Kleinod oder dem ganz großen Sensationsfund. Und oft schlägt der Detektor an und findet Schrott.

Mirjam Scholz gräbt einem Signal nach.
Mirjam Scholz gräbt einem Signal nach. © SRO

Wobei das Materielle eh nicht im Vordergrund steht, betonen beide. „Ich bin die Jägerin der verlorenen Geschichte, nicht der verlorenen Schätze“, sagt Mirjam Scholz. Sie treibe das hobbyarchäologische Interesse um, an dem, was der Boden in der Region erzählen kann. Und Hans Forstner rechnet vor, dass er in den vergangenen Jahren Fundstücke im Gesamtwert von vielleicht 5000 Euro aus dem Boden gezogen – und gleichzeitig knapp 3000 Euro in Ausrüstung investiert hat, von der Zeit ganz zu schweigen. Angefangen habe es mit der Suche nach dem Ehering eines Spezls. Dabei habe er eine Spielzeugpistole gefunden – und drei Silbermünzen. „Dann ist es passiert“, sagt er über den Suchtfaktor. „Dann kennst du dich nicht mehr.“

Ein paar Minuten später und ein paar Meter weiter stößt auch er den Spaten in die Wiese, horcht mit dem Feinsucher, einer Art Minidetektor, nach und fördert mit dem Grabungsmesser schließlich eine Münze zutage. Weder Gulden noch Taler, sondern Euro, 2002er-Prägung. Keine Sensation, trotzdem Grund zur Freude. Forstner wischt die Erde ab, drapiert die Münze auf dem Knie seiner grauen Tarnfleckhose und filmt mit dem Smartphone drauf: „Da ist der erste Fund!“, jubelt er ins Mikro.

Sondengänger im Landkreis Ebersberg filmen für YouTube – Tausende schauen zu

Hans Forstner beim Filmen für YouTube
Hans Forstner beim Filmen für YouTube © ja

In der Sondengänger-Szene kennt man Scholz und Forstner besser unter ihren YouTube-Aliasen „Sondel Hexe“ und „Grüner Bussard“. Die beiden dokumentieren ihre Funde im Video, untermalt von launigen Erklärungen und Suchberichten – und Tausende schauen zu, auch wenn mal wieder nur ein paar Musketenkugeln oder alte Pfennige hergehen. Rund 80 Löcher muss er graben, schätzt Hans Forstner, bevor ein gescheiter Fund herausspringt. Der 63-Jährige vergleicht es mit einem Losestand: Auch die Nieten machen es spannend.

Funde aus dem Landkreis Ebersberg: Heiligen-Abzeichen, Hufnägel, Waffen und Werkzeug

Gefunden haben sie schon Silbermünzen aus der Zeit der bayerischen Könige, dem Mittelalter und dem Römischen Reich. Historische Kleiderschnallen, Hufnägel, Taschenuhren, Medaillons, Heiligen-Abzeichen und jahrhunderte- bis jahrtausendealte Waffen und Werkzeuge. Zu Hans Forstners Lieblingsstücken gehört ein 4500 Jahre altes Bronze-Flachbeil, das er nahe der Ebersberger Ludwigshöhe gefunden habe, erzählt er, sowie das eine oder andere Goldnugget, von denen er angesichts der Verfärbungen und Schmelzspuren vermutet, dass sie aus Meteoriteneinschlägen stammen.

Mirjam Scholz hat sich am meisten über ihre Phaleren-Funde bei Zorneding gefreut, Zierscheiben für Pferdegeschirre, die vermutlich aus der Hallstatt-Zeit, also um 1000 vor Christus, stammen. Und über eine leuchtend blaue keltische Glasperle. Wer das Hobby so intensiv wie sie betreibe, erzählen die „Sondler“, lese sich einiges an Expertise an und entwickle einen soliden ersten Blick für die Ursprungszeit der Funde, die sie aus der Erde holen.

Fundbilanz aus drei Stunden: (v.li.) Ein-Euro-Münze von 2002, Arsenbronze- und Kupferknöpfe, wohlein Stück einer jahrhundertealten Pferdetrense. In der Schale: eine Ziegenglocke, wohl 18. Jhd., und eine mittelalterliche Kleiderschnalle.
Fundbilanz aus drei Stunden: (v.li.) Ein-Euro-Münze von 2002, Arsenbronze- und Kupferknöpfe, wohlein Stück einer jahrhundertealten Pferdetrense. In der Schale: eine Ziegenglocke, wohl 18. Jhd., und eine mittelalterliche Kleiderschnalle. © privat

Um Erlaubnis fragen: Ehrensache!

In Gummistiefeln ist der Bauer, dem die Wiese gehört, zu den Sondengängern herüber gestapft und beäugt neugierig ihre Funde, identifiziert ein verrostetes Eisenteil als verloren gegangenes Torscharnier. Für die beiden Sondengeher ist es selbstverständlich, dass sie sich mit den jeweiligen Grundstücksbesitzern absprechen, bevor sie losziehen. So schreibt es auch der Gesetzgeber vor. Unangemeldetes Absuchen sorgt über kurz oder lang für Ärger – und schwarze Schafe schädigen den Ruf der ganzen Szene. Ein guter Sondler nimmt den Müll mit, den er ausgräbt – und lässt auch mal einen Kasten Bier oder einen Eisgutschein springen, betont Hans Forstner. Auf eingetragenen Bodendenkmälern ist der Gang mit dem Metalldetektor grundsätzlich verboten.

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Als sich der „Sondel-“Nachmittag bei Alxing dem Ende zuneigt, wird Mirjam Scholz in einer Senke noch einmal fündig. „Das war mein Bauchgefühl“, erzählt sie davon im Nachgang. Sie identifiziert einen Fund als Ziegenglocke aus dem 18. Jahrhundert und ist ganz begeistert, dass die sogar noch klimpert. Ein zweites Mal habe der Detektor über einer Kleiderschnalle angeschlagen, die vermutlich aus dem Spätmittelalter stamme.

Die Sondengänger auf der Wiese bei Alxing.
Die Sondengänger auf der Wiese bei Alxing. © SRO

Letzteren Fund packt die Sondengängerin in ein Plastiktütchen, das sie gemeinsam mit den Fund-Koordinaten in einen Brief ans Landesamt für Denkmalschutz steckt. So ist es Pflicht – als letztes Bundesland hat Bayern 2023 das sogenannte Schatzregal eingeführt. Die Regelung besagt, dass nahezu alle archäologischen Funde mit ihrer Entdeckung automatisch Eigentum des Freistaats werden und damit dem Landesamt für Denkmalpflege übergeben werden müssen. Zuvor galt in Bayern die „Hadrianische Teilung“, nach der Entdecker und Grundstückseigentümer sich die Funde teilen durften.

Die Sache mit dem Schatzregal und den Denkmalschützern

Denkmalschutzbehörden und viele Archäologen machen keinen Hehl daraus, dass sie keine großen Freunde der geschätzt rund 15.000 Hobby-Sondengänger in Bayern sind. Dass nur metallene Funde dem Boden entnommen würden, berge wenig Erkenntnispotential, dafür aber die Gefahr, dass bislang unbekannte Bodendenkmäler beschädigt werden, argumentiert das Landesamt für Denkmalschutz (LFD). Von illegalen Raubgrabungen ganz zu schweigen. Das 2023 eingeführte Schatzregal ist wohl auch ein Versuch, das Hobby unattraktiver zu machen. „Jeder, der jetzt beginnt, wird nie was daheim haben“, sagt Hans Forstner.

Auch Schrott findet sich reichlich: Metallteile von Landmaschinen oder Weidezäunen, Alu-Tuben und der Überrest einer Dose Heringsfilets. Dass Sondengänger so etwas gleich mit entsorgen: Ehrensache.
Auch Schrott findet sich reichlich: Metallteile von Landmaschinen oder Weidezäunen, Alu-Tuben und der Überrest einer Dose Heringsfilets. Dass Sondengänger so etwas gleich mit entsorgen: Ehrensache. © privat

Mirjam Scholz und er argumentieren, dass die Neuregelung die ehrlichen Sondengänger noch mehr demotiviere, ihre Funde überhaupt zu melden – eine monetäre Teilentschädigung gibt es erst ab 1000 Euro Fundwert. Scholz ist Mitinitiatorin einer Petition, die sich mehr Wertschätzung gegenüber den „Sondlern“ wünscht, wie es etwa in Großbritannien, den Niederlanden oder Dänemark der Fall sei. Sie brächten schließlich ans Tageslicht, was sonst wohl ewig unentdeckt bliebe. Dass der Staat pauschal die Hände danach ausstrecke, sei nicht richtig: „Das ist unser aller Kulturerbe!“ Das Landesamt für Denkmalschutz teilt auf Anfrage mit, dass es für eine statistische Auswertung noch zu früh sei. Laut erstem Eindruck sei die Zahl der Sondenfunde seit Einführung des Schatzregals in etwa gleich geblieben.

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