Teils „eher wie Vasallensystem aus dem Mittelalter“: Was der Nato mit Trump droht – und was nicht
Vier Jahre hatte die Nato Zeit, sich auf ein Comeback Trumps vorzubereiten. Doch nach wie vor könnte eine „bedrohliche“ Situation nahen.
Das Entsetzen war groß, als Donald Trump forderte, Deutschland und andere Nato-Staaten müssten mehr „für den Schutz vor Russland bezahlen“. Das war im Sommer 2018. Seither ist Russland in der Ukraine eingefallen, ist Trump aus dem Weißen Haus gewichen. Wenn er im Januar ins Oval Office zurückkehrt, werden die europäischen Nato-Partner vor ganz ähnlichen Sorgen stehen. Zwar geben sie mittlerweile mehr für Verteidigung aus. Aber die Angst vor Wladimir Putin ist auch angewachsen. Nun kommt die vor Trump und wankelmütigen USA wieder hinzu.
Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA sehen mehrere Experten die Nato vor großen Unwägbarkeiten. Auch aus der Politik kommen mahnende Stimmen. Allerdings: Bei Trump scheint stets alles offen. Und Fachleute haben auch vorsichtige Teil-Entwarnung gegeben – jedenfalls mit Blick auf den atomaren Schutzschirm.
Trump und die Nato: Äußerungen erinnerten „eher an ein Vasallensystem aus dem Mittelalter“
Nachdem die Verteidigungsausgaben in den meisten Ländern gestiegen sind, stehe Trump der Nato „vielleicht positiver gegenüber“, sagt der Münchner Politologe Tim Büthe im Interview. Allerdings habe der alte und neue US-Präsident bisweilen auch in einer Art und Weise über die Nato gesprochen, „die eher an ein Vasallensystem aus dem Mittelalter erinnert, als ein modernes Verständnis von einem Bündnis demokratischer Staaten“. Etwa, wenn er Geld für Sicherheitsgarantien forderte.

„Sollte das jetzt wirklich Politik werden, dann wäre das für Europa eine radikale – und bedrohliche – Änderung“, urteilt Büthe. Eine aktuelle Umfrage unter Leitung einer Forschungsgruppe des Wissenschaftlers der Hochschule für Politik an der TU München zeigt: Die Sorge war bereits vor dem Wahltag der USA in Deutschland angekommen. 64 Prozent der Befragten rechneten damit, dass sich die Zuverlässigkeit der US-Sicherheitsgarantien verringern wird.
Wie hält es Trump mit Russland? „Zwischen Neigung zu Geschäften und knallharten Drohungen“
Experte Ulrich Schlie gab den Europäern im Gespräch mit IPPEN.MEDIA einen klaren Rat: „Je mehr wir in die Waagschale werfen, desto geringer die Gefahr, dass sich die Amerikaner von uns abwenden“, sagte der Professor für Sicherheits- und Strategieforschung der Uni Bonn mit Blick auf Trump und die Nato. Der Republikaner werde indes vermutlich „einen Schwerpunkt seiner Außenpolitik auf das Pulverfass Naher Osten legen“.
Schwer einzuschätzen sei, wie sich unter Trump das Verhältnis zwischen Russland und USA entwickeln werde. In der Vergangenheit sei Trump zwischen „seiner Neigung wirtschaftliche Geschäfte zu machen und knallharten Drohungen“ geschwankt. Russland sei aus Trumps Sicht aber „eher eine strategische Aufgabe für die Europäer“, so Schlie. Er rechne auch damit, dass der Ukraine-Krieg nach der Amtsübergabe in Washington bald „eingefroren sein könnte“. Das werde Europa neue Probleme bringen – und schwierige Entscheidungen abverlangen.
Nato vor großen Sorgen: Warnungen aus der Ukraine schon im Frühjahr
Unerwartet kommt all das nicht. Der ukrainische Analyst Mykola Bielieskow warnte Europa bereits im Mai im Gespräch mit unserer Redaktion vor einer neuen Ära Trump. Der Kontinent könne binnen eines Jahres „auf sich gestellt“ sein, sagte er. Doch das Austarieren von (kostspieliger) Unterstützung des ukrainischen Verteidigungskampfes, eigener Rüstung, Friedensbemühungen und Ausgaben im Inneren bleibt schwierig. Auch daran zerbrach nun die Ampel-Koalition. Und in den deutschen Bundesländern bereitet den Koalitionsverhandlern der Ukraine-Kurs des BSW Probleme.
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Die Experten Liviu Horovitz und Elisabeth Suh hatten schon im April für die Stiftung Wissenschaft und Politik die Risiken von „Trump II“ für die „nukleare Rückversicherung der Nato“ beleuchtet. Sie mahnten Deutschland und Europa zu rechtzeitigen Vorkehrungen, betonten aber auch: Die atomare Abschreckung falle bei zweifelhaften verbalen Signalen aus den USA nicht sofort in sich zusammen. Aus Sicht der US-Verbündeten könne das Risiko ausbleibenden Schutzes die Glaubwürdigkeit untergraben. „Für Gegner ist es das Risiko, dass die Vereinigten Staaten doch eingreifen könnten, das zur Vorsicht mahnt“, konstatierten sie.
Für die Nato muss nun der neue Generalsekretär Mark Rutte Trumps Launen einhegen. Möglich scheint, dass ihm sogar noch weitere Probleme drohen – etwa mit einer französischen Präsidenten Marine Le Pen. Mancherorts gibt es aber auch Vorfreude: Polens Präsident Andrzej Duda gratulierte Trump überschwänglich. Ob Polen nun in der Nato-Hackordnung von seinen hohen Verteidigungsausgaben profitiert, oder aber eine neue, potenziell bedrohliche Lage in der Ukraine wird akzeptieren müssen – die Zeit wird es zeigen. (fn)