Nickel, Kupfer, Graphit, Kobalt und Lithium fehlen - Das Metall-Malheur: An fünf Rohstoffen droht die globale Energiewende zu scheitern
Generell kann die Internationale Energieagentur bei ihrem einmal jährlich erscheinenden World Energy Outlook gute Nachrichten verkünden. Weltweit werden erneuerbare Energien so schnell ausgebaut wie nie zuvor. Schon 2029 könnte der weltweit Ölkonsum seinen Höhepunkt erreicht haben. Bis 2035 dürften Solar und Windkraft die mit Abstand wichtigsten Stromquellen werden. Doch die globale Energiewende hängt am seidenen Faden.
Das liegt daran, dass für erneuerbare Energien neue Produkte von Nöten sind. Batterien, Elektroautos, Solarmodule, Windräder, generell mehr Elektronik und damit auch Stromkabel. Das wiederum verlangt nach einem hohen Materialeinsatz, und zwar an Rohstoffen, die in der fossilen Vergangenheit kaum eine Rolle gespielt haben. Die IEA listet als kritische Metalle Nickel, Graphit, Kupfer, Kobalt und Lithium. Das Problem bei allen: Währende die weltweite Produktion derzeit teilweise noch mit der rasant steigenden Nachfrage Stand halten kann, wird sich das in den kommenden zehn Jahren teils krass ändern. Dabei bestehen bei jedem der fünf Metalle andere Gründe für den drohenden Mangel und andere Probleme dabei, ihn zu beheben.
Nickel
Nickel ist ein Metall, welches in der Erdkruste weder besonders selten noch besonders häufig anzutreffen ist. Die weltweite Produktion liegt aktuell bei rund 2,5 Millionen Tonnen pro Jahr. Damit ist Nickel zwar das am achtstärksten geförderte Metall der Welt, aber nur mit einem Anteil an der Gesamtrohstoffförderung von rund einem Prozent laut World Economic Forum. Es wird am häufigsten in Legierungen verwendet, zum Beispiel für Stahl. In solcher Form verhindert es, dass andere Metalle rosten. Es ist aber auch ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, die im großen Stil für die Energiewende in Elektroautos verbaut werden. Dort erhöht es die Energiedichte der Batterien und damit die Reichweite der Fahrzeuge. Ebenfalls benötigt wird Nickel deswegen beim Bau von Batteriespeichern und auch in Elektrolyseuren, die grünen Wasserstoff erzeugen.
Aktuell geht die IEA davon aus, dass die weltweite Nickel-Produktion bis 2035 stark genug wachsen wird, um den wachsenden Bedarf zu decken – allerdings ist das eine knappe Angelegenheit. Der größte Produzent ist Indonesien, welches schon jetzt rund 50 Prozent des Weltmarktes abdeckt. Zudem werden noch weitere große Vorkommen im Inselstaat vermutet. Indonesien hat seine Industrie rund um den Nickelabbau in den vergangenen Jahren aggressiv ausgebaut und sich auch bei der Raffinierung des Rohmetalls eine Spitzenposition erarbeitet. Dahinter teilen sich mit weitem Abstand die Philippinen und Russland die weiteren Plätze. Inwieweit letzteres den Weltmarkt beliefern wird, ist angesichts des andauernden Ukraine-Krieges ungewiss.
Der Abbau von Nickel besonders in Indonesien und auf den Philippinen ist zudem umstritten. Nicht selten werden dafür große Regenwaldgebiete abgeholzt und Wasser verunreinigt. Die Raffinierung von Nickel, welches nicht rein, sondern nur gemischt mit anderen Erzen in der Erde vorkommt, erfordert zudem einen hohen Energieeinsatz, der wiederum mit hohen Co2-Emissionen einhergeht. Die IEA schätzt aber, dass die durch Nickel-Verwendung eingesparten Emissionen die Folgen des Abbaus überwiegen.
Graphit
Graphit ist ein Kohlenstoff, den wir alle als Material kennen, aus dem die Minen von Bleistiften hergestellt werden. Technisch gesehen ist es kein Metall, sondern ein Mineral, welches komplett aus Kohlenstoff besteht. Es entsteht in der Erdkruste dort, wo organische Überreste von Pflanzen und Tieren über Millionen von Jahren zusammengepresst werden. Außerdem sind hohe Temperaturen, meist durch unterirdische Magmaströme, notwendig.
Für die Energiewende ist Graphit aus denselben Gründen wichtig wie Nickel. In Lithium-Ionen-Batterien wird die Anode fast ausschließlich aus ihm gefertigt. In Brennstoffzellen für Wasserstoff wiederum ist es als elektrisches Leitmaterial unverzichtbar. Es ist auch deswegen beliebt, weil es zu 100 Prozent recycelt werden kann.
Obwohl die geschätzten Vorkommen von Graphit in der Erdkruste bei 300 Millionen Tonnen liegen und damit dreimal so hoch sind wie bei Nickel, werden derzeit nur 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr abgebaut. Die Produktion konzentriert sich dabei fast ausschließlich auf China, welches 2023 einen Anteil von geschätzten 95 Prozent hatte. Kleinere Vorkommen gibt es auf Madagaskar, im Mosambik und Brasilien.
Nach Schätzungen der IEA und anderer Experten wird spätestens ab 2030 ein deutliches Missverhältnis zwischen Produktion und Nachfrage bestehen. Das liegt daran, dass Graphit-Vorkommen weltweit eben relativ selten sind und China als Monopolist keinen allzu großen Anreiz hat, seine Produktion massiv auszubauen. Deswegen gibt es andere Versuche, der drohenden Lücke zu begegnen. Einer ist synthetisches Graphit, welches sich aus Erdöl herstellen ließe. Allerdings wird auch dieser Markt von China dominiert. Eine zweite Möglichkeit sind neue Arten von Batterien, die für die Anode weniger Graphit benötigen. Diese sind aber noch nicht serienreif verfügbar.
Kobalt
Kaum ein Metall ist in den vergangenen Jahren umstrittener gewesen als Kobalt. Das liegt vor allem an den Bedingungen, unter denen es gefördert wird. Hauptförderland mit einem Anteil von rund 60 Prozent an der Weltproduktion ist der Kongo in Afrika. Zwar haben hier große Bergbaukonzerne aus dem Ausland mittlerweile seriöse Minen errichtet, doch bis zu 20 Prozent des Kobalts werden im Kleinbergbau gefördert. Das klingt romantisch, meint aber meist provisorische, von Amateuren errichtete Minen-Schächte. In diesen kommt es oft zu auch tödlichen Unfällen, zudem werden oft Kinder hier als Minenarbeiter eingesetzt. Die Regierung des Kongo versucht dem Kleinbergbau mit strengeren Vorgaben und Kontrollen habhaft zu werden. Die Ergebnisse gelten bisher als überschaubar, auch, weil vielerorts bewaffnete Milizen den Abbau kontrollieren.
Weltweit bekannt sind Kobalt-Reserven von ungefähr 7,2 Millionen Tonnen, insgesamt wird das in der Erdkruste verfügbare Kobalt auf 25 Millionen Tonnen geschätzt. Das ist selten im Vergleich zu Nickel und Graphit. Weil es oft mit Kupfer oder Nickel gemischt in der Erde vorkommt, gehören nach dem Kongo auch hier Russland und die Philippinen zu den nächstgrößeren Produzenten. Indonesien spielt nur eine kleine Rolle.
Die IEA schätzt derzeit, dass die Nachfrage nach Kobalt 2035 nur leicht über der Produktion liegen dürfte. Das liegt in erster Linie daran, dass die Nachfrage gegenüber den heutigen rund 200.000 Tonnen pro Jahr für die Energiewende weniger stark anwachsen dürfte als bei anderen Metallen. Hersteller von Batterien – wo Kobalt am dringendsten benötigt wird – versuchen, von dem umstrittenen Rohstoff wegzukommen. Bestanden Lithium-Ionen-Batterien vor wenigen Jahren noch zu 33 Prozent aus Kobalt, ist der Anteil mittlerweile auf 10 Prozent gesunken. Kobaltfreie Akkus sind auch bereits möglich, aber noch nicht in großem Stil.
Kupfer
Kupfer ist eines der ersten Metalle, das Menschen in der Geschichte verarbeiteten und es gehört bis heute zu den wichtigsten Rohstoffen. Für die Energiewende spielt es vor allem aufgrund seiner elektrischen Leitfähigkeiten eine Rolle. Da alles elektrifiziert wird, sind Unmengen an Stromkabel erforderlich, die wiederum zum größten Teil eben aus Kupfer bestehen. Kupfer ist dabei ein kurioser Fall unter den Materialien in dieser Liste, denn obwohl die Nachfrage auf rund 27 Millionen Tonnen pro Jahr im Jahr 2035 anwachsen soll, geht die IEA davon aus, dass die Produktion bis dahinsinken wird – und das nicht zu knapp: Wurden 2023 noch 22,5 Millionen Tonnen Kupfer gefördert, werden es 2035 demnach nur noch 18,6 Millionen Tonnen sein – ein Minus von fast 20 Prozent.
An Vorkommen mangelt es nicht. Der United States Geological Survey schätzt, dass allein Chile noch auf 360 Millionen Tonnen Kupfer sitzt, von denen immerhin 200 Millionen Tonnen theoretisch wirtschaftlich abbaubar sind. Es folgen Australien mit 120 Millionen Tonnen, Peru mit 88 Millionen Tonnen und die USA mit 63 Millionen Tonnen. Die gesamte Welt besitzt sogar noch eine Milliarde Tonnen bekannter Kupfervorkommen. Doch diese abzubauen, ist derzeit nicht lohnend. Dafür gibt es drei Gründe: Erstens waren die Kupferpreise in den vergangenen Jahren zu niedrig, um die enormen Investitionen in neue Minen zu rechtfertigen. Zweitens würde deren Bau mindestens 10 Jahre, oft bis zu 20 Jahre, dauern. Drittens kämpfen Kupfer-Produzenten bei neuen Minenprojekten oft gegen strenge Umweltauflagen und Proteste. In den USA scheiterten deswegen allein in den vergangenen Jahren zwei Großprojekte.
Wie dieses Dilemma gelöst werden könnte, hat das Fraunhofer-Institut untersucht. Der heilige Gral scheint hier Recycling zu heißen, bei dem Deutschland weit vorne dabei ist. Ob das ausreicht, um die Produktionslücke bis 2035 zu schließen, ist aber fraglich.
Lithium
Ebenfalls unverzichtbar in Batterien ist Lithium – schließlich sind die Lithium-Ionen-Akkus danach benannt. Rund 200.000 Tonnen des Metalls werden heute weltweit pro Jahr gefördert, in zehn Jahren soll es doppelt so viel sein. Doch das kann mit der Nachfrage nicht einmal ansatzweise mithalten. Die IEA schätzt den Bedarf 2035 auf 800 Millionen Tonnen, also doppelt so viel wie die wahrscheinliche Fördermenge.
Lithium leidet dabei unter ähnlichen Problemen wie Kupfer. Neue Minen sind – besonders aus Umweltschutzgründen – teuer und die Genehmigung plus Bau langwierig. Anders als bei Kupfer wächst der Markt hier aber wenigstens. Die größten Reserven gibt es in Südamerika, besonders in Chile und Bolivien, gefolgt von Argentinien. Auch China und Australien haben nennenswerte Vorkommen, sogar Deutschland gehört in kleinerem Maße zu den Produzenten. Australien hat bisher die größte Produktion aufgebaut und beherrscht den Markt mit einem Anteil von knapp 50 Prozent. Das wiederum führt zu einem ähnlichen Problem wie bei Graphit, wo ein großer Player keinen Anreiz hat, seine Produktion weiter auszubauen.
Um die Lithium-Lücke zu schließen, suchen Wissenschaftler deswegen auch nach Alternativen. Eine ist das Recycling alter Lithium-Batterien. Analystenfirmen aus den USA schätzen, dass der Markt dafür von rund 16 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr in nur zehn Jahren auf 86 Milliarden Dollar pro Jahr anwachsen wird. Daneben wird auch an Lithium-freien Batterien geforscht. Alternativen sind etwa Natrium-Ionen-Batterien oder Festkörperbatterien, die mit anderen Stoffen gebaut werden. Erstere werden in den kommenden Jahren wohl tatsächlich stärker auf den Markt drängen und Ökonomen sehen darin großes Potenzial. Festkörperbatterien hingegen sind trotz aller technischen Vorteile wohl erst in den 2030er-Jahren ein Thema für den Massenmarkt.
Was bedeutet der Metall-Mangel für die Energiewende?
Der Mangel an den aufgeführten Stoffen führt vor allem zu steigenden Preisen. Die Tonne Kupfer kostet aktuell etwa knapp 9000 Dollar. Bergbauriesen wie Rio Tinto haben vorgerechnet, dass sich neue Minenprojekte für sie erst ab Preisen von 13.000 Dollar lohnen würden – ein Anstieg von rund 50 Prozent also. Bei Nickel gehen verschiedene Analysen von Preisen zwischen 20.000 und 23.000 Dollar pro Tonne im Jahr 2030 aus. Gegenüber den aktuell geforderten 16.000 Dollar wäre das ein Anstieg um bis zu rund 45 Prozent. Ähnlich sieht es bei den anderen Materialien aus. Der Mangel wird also zwangsläufig zu höheren Preisen für Batterien, Kabeln und anderen für die Energiewende wichtigen Produkten führen. Gleichzeitig steigt damit aber auch der Anreiz für mehr Recycling.