Trotz höherer Abschusszahlen: Verbisssituation weiter angespannt
Für den Landkreis liegen jetzt die genauen Abschusszahlen vor. Sie zeigen: Trotz höherer Abschüsse bleibt die Verbisssituation angespannt.
Landkreis – Bei der Hegeschau des Bayerischen Jagdverbandes (BJV) im Kreis Miesbach Mitte April auf Gut Kaltenbrunn konnte Kreisjagdberater Wolfgang Kuhn nur die vorläufigen Abschusszahlen liefern. Mittlerweile haben alle Jäger, die verpflichtet sind, bestimmte von der Unteren Jagdbehörde vorgegebene Quoten zu erfüllen, ihre Abschüsse gemeldet. Die Zahlen beinhalten auch Tiere, die beispielsweise bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen sind, sogenanntes Fallwild.
Allein 550 Stück mehr Rehwild
Im Jagdjahr 2023/2024 wurden demnach 993 Stück Rotwild, 668 Stück Gamswild und acht Stück Schwarzwild, sprich Wildschweine, erlegt. Beim erlegten Rehwild beläuft sich die Zahl zum Drei-Jahres-Abschluss auf 3382. Es sind somit allein 550 Stück mehr Rehwild als bei der Hegeschau angenommen. Und da hatte Hochwildhegeringleiter Bernhard Greinsberger schon moniert, dass sich der Abschuss im Hegering in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 80 Prozent erhöht habe, die Verbisssituation aber immer noch dieselbe sei. Offenbar ist die Erhöhung der Quote nicht das probate Mittel, um den Verbiss an jungen Bäumen zu unterbinden und damit für die Verjüngung des Bergwaldes und die Sanierung des Schutzwaldes zu sorgen.
„Wer im Winter das Wild durch den Wald scheucht, braucht sich über Wildschaden nicht wundern.“
Es gilt, andere Maßnahmen zu finden, die den Wald schützen. Während Greinsberger das Problem durch einen erhöhten Abschuss von Kahlwild, also weiblichen Tieren, einerseits sowie der Schaffung von mehr Schutz- und Äsungsflächen für das Wild andererseits für lösbar erachtete, forderte Kreisgruppenchef Wolfgang Mayr in seinem Vortrag eine noch differenziertere Betrachtung der Sachlage. Offenbar findet der Verbiss an den Bäumen überwiegend im Winter statt, wenn die Tiere kein Gras mehr finden und auf Baumtriebe ausweichen müssen. Abgesehen davon, ist es vor allem der Mensch, der durch sein Freizeitverhalten die Tiere in den Wald treibt. „Wer im Winter das Wild durch den Wald scheucht, braucht sich über Wildschaden nicht wundern“, zitierte Mayr den Experten Walter Arnold vom Institut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) an der Universität Wien. Mayrs Appell richtete sich auch an die Touristiker, die Nacht- und Schneeschuhwanderer sowie an die Skitourengänger.
Rot- und Rehwild durch Futtergatter gut gelenkt
Für den Kreisgruppenchef ist auch das Rot- und Rehwild, mit dem laut Kuhn zwei Drittel der Jahresabschussliste erfüllt werden, nicht das Problem: „Rot- und Rehwild wird im Winter vor allem durch die Futtergatter gut gelenkt“, sagt Mayr. Es ist die Gams, die für den Forst problematisch sei. „Sie braucht eine gewisse Altersstruktur, um als Population zu überleben. Wenn diese 50 Prozent Kitze und Jährlinge, 20 Prozent Tiere aus der Mittelklasse und 30 Prozent aus der Altersklasse aufweist, hat sie gute Chancen zu überleben“, erklärt der Kreisgruppenchef. Denn es seien die alten Geißen, die wissen, wo an den Südhängen die Schneebretter abfahren und das Rudel Futter für Tage findet.
Altersstruktur bei Gamsrudeln muss passen
Obendrein braucht ein Rudel auch die alten Böcke. Denn dann sei in der Brunftzeit mehr Ruhe im Rudel als bei mehreren jungen Böcken, was sich positiv auf die Setzzeit und wiederum auf die körperliche Verfassung der Jungtiere auswirkt, mit der sie in den nächsten Winter gehen. „Passt die Altersstruktur bei der Gams, ist das Rudel gesund. Und das wiederum ist besser für den Bergwald, weil die Energieaufnahme geringer ist“, fasst der Jäger zusammen.
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Bodenverhältnisse vor Baumpflanzungen genau prüfen
Eine weitere Stellschraube sei das Timing der Bejagung, korrelierend mit der Fläche: „Auf Prioritätsflächen der Kategorie I, wo Gebäude stehen und Straßen verlaufen, haben die Jäger nichts dagegen, wenn die Schonzeit aufgehoben wird. Aber auf Prioritätsflächen III, auf Grasflächenlücken im Wald und Bestandslücken ist die Schonzeit ein hohes Gut“, betont Mayr. Die Hege des Wilds und Pflege des Waldes, das zeigten auch die anderen Fachvorträge auf der Hegeschau, sind komplexe, einander bedingende Angelegenheiten, denen man im Landkreis gerne mit Sachverstand und offener Kommunikation begegnen möchte. Denn auch das wurde klar: Um den Wald „in die Höhe zu bringen“, müssen zukünftig auch verstärkt Maßnahmen des Waldbaus einfließen. Zum Beispiel müsse durch gezielte Baumentnahmen mehr Licht im Wald geschaffen werden. Bodenverhältnisse müssten genau geprüft werden, damit sichergestellt ist, dass bestimmte Bäume genau dort auch tatsächlich gedeihen und wachsen können. „Wenn mehr Aspekte differenzierter betrachtet und miteinander umgesetzt werden, dann kann es mit dem ‚Wald der Zukunft‘ schon was werden“, glaubt BJV-Sprecherin Antonie Kozemko.
828 Füchse erlegt
Thema bei den Nicht-Jägern auf der Hegeschau auf Gut Kaltenbrunn waren in Bezug auf die Statistik die auf den ersten Blick hohe Zahl der erlegten Füchse (828 Stück), die aber laut Jägerschaft angesichts der im Landkreis grassierenden Fuchsräude noch relativ niedrig sei. Auf der Liste mit den erlegten, mit Fallen „gefangenen“ und im Straßenverkehr zu Tode gekommenen Tiere standen auch Dachse (299), Rabenkrähen (228), Stockenten (109), Steinmarder (56), Eichelhäher (47), Feldhasen (33) und Blässhühner (21). Aber auch acht Reiherenten, sechs Lachmöwen, je vier Baummarder und Elstern, je drei Hermeline und Mäusebussarde, je zwei Iltisse, Waldschnepfen und Kanadagänse sowie je ein Habicht, ein Falke, ein Biber und ein Waschbär mussten im letzten Jagdjahr im Landkreis Miesbach dran glauben.