In Eil-Brief warnt Merz nun Kanzler Scholz – und legt zwölf Maßnahmen für deutsche Wirtschaft vor
Die Spitze der Union liefert Olaf Scholz zwölf Maßnahmen zugunsten der kriselnden Wirtschaft. Die Vorschläge sollen zeitnah im Bundestag landen.
Berlin – Der USA-Besuch von Olaf Scholz stand ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. In Washington warb der Bundeskanzler vehement für weitere Hilfen für das vor knapp zwei Jahren von Russland angegriffene Land. Derweil schaut die Union-Spitze mit Graus auf die Bundesrepublik, deren Wirtschaft sich in einer Krise befindet.
Merz-Brief an Scholz: Zwölf Maßnahmen für Stärkung der deutschen Wirtschaft
Um der Entwicklung schnell entgegenzutreten, erarbeitete die stärkste Oppositionspartei ein Sofortprogramm aus zwölf Maßnahmen für die kommenden zwei Monate. CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verfassten ein entsprechendes Schreiben, das dem Regierungschef quasi als Eil-Brief zuging. Aus dem Brief zitieren unter anderem die Deutsche Presse-Agentur (dpa) und die Agence France-Presse (afp), zuerst hatte das ARD-Hauptstadtstudio berichtet.
Merz und Dobrindt fordern demnach von Scholz und seiner Regierung unter anderem, die Stromsteuer dauerhaft auf das europäische Minimum zu senken, die Netzentgelte zu halbieren und Bürgergeld-Bezieher bei verweigerter Arbeitsannahme stärker zu sanktionieren. Außerdem soll ein unternehmerisches Vorhaben künftig automatisch als genehmigt gelten, wenn die zuständige Behörde nach drei Monaten noch nicht darüber entschieden hat.
Weitere Vorschläge der Union-Spitze lauten, die Sozialabgaben auf maximal 40 Prozent des Bruttolohns zu begrenzen, Überstunden von Vollzeitbeschäftigten steuerlich zu begünstigen, für Rentner die ersten 2000 Euro Arbeitseinkommen im Jahr steuerfrei zu stellen, Steuern auf thesaurierende – also im Unternehmen verbleibende Gewinne – auf 25 Prozent zu senken. Angeregt wird, statt einer Tages- eine Wochenarbeitszeit einzuführen, da dieses Vorgehen mehr Flexibilität für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bieten könnte.

Merz und Dobrindt denken an die Wirtschaft: Forderung nach Rücknahme der Steuererhöhung für Landwirte
Zudem solle die Ampel-Koalition die Steuererhöhungen für Landwirte vollständig zurücknehmen. Das Ende der Subventionen für Agrardiesel hatte im Januar nach einem Aufruf des Deutschen Bauernverbands Zehntausende Bauern bundesweit zu Protesten auf die Straße getrieben, die Maßnahme infolge des Haushaltslochs der Regierung war für die Branche aber wohl nur der Stein, der das Fass zum Überlaufen brachte.
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Daneben mahnen Merz und Dobrindt an, das Vorhaben „Europäische Lieferkettenrichtlinie“ zu stoppen und das seit vergangenem Jahr geltende Lieferkettengesetz – das auf die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechten abzielt, aber offenbar nicht zu Ende gedacht ist – auszusetzen und zu überarbeiten. Zudem solle der mit den Ländern vereinbarte Pakt für Planungsbeschleunigung im Verkehrsbereich bis Ostern – also bis Ende März – verabschiedet werden.
Darüber hinaus soll ein „Belastungsmoratorium“ dafür sorgen, dass bis Ende 2025 für Wirtschaft und Bürger keinerlei zusätzliche Bürokratie entsteht. Neue Subventionen gehören nicht zu den zwölf kurzfristigen Maßnahmen. Allerdings wirbt die Union auch für mittel- und langfristige Eingriffe zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
Merz und Dobrindt warnen Scholz: „Wohlstandsverluste in nicht gekanntem Ausmaß“
„Die wirtschaftlichen Aussichten für unser Land trüben sich im Jahr 2024 weiter stark ein“, werden Merz und Dobrindt in dem Schreiben zitiert: „Unserem Land drohen Wohlstandverluste in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.“ Bislang wird damit gerechnet, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr erneut um 0,3 Prozent schrumpft.
Daher schreibt das Union-Duo an den SPD-Kanzler: „Wir appellieren an Sie und die gesamte Bundesregierung, noch im ersten Quartal des laufenden Jahres wirksame Maßnahmen zu ergreifen, damit die deutsche Wirtschaft schnell aus der Rezession herausfindet.“
Die verschriftlichen Maßnahmen will die Bundestagsfraktion von CDU und CSU in der nächsten Sitzungswoche des Bundestags zur parlamentarischen Beratung einbringen. Diese steht vom 19. bis zum 23. Februar an. Merz und Dobrindt werben bei Scholz dafür, mit Blick auf ihre Maßnahmen „die nötige Einigkeit innerhalb Ihrer Koalition herzustellen“.
FDP und Grüne zu Vorschlägen der Union: Ampel-Parteien verweisen auf Wachstumschancengesetz
Zustimmung für die Inhalte des Schreibens gab es von FDP-Fraktionsvize Christoph Meyer, der erklärte: „Wenn die Union die Vorschläge ernst meint, begrüßen wir das.“ Teile davon würden sich mit der FDP-Programmatik decken. Allerdings hält er es für unseriös, Maßnahmen ohne Gegenfinanzierung vorzubringen, nachdem der Haushalt für das aktuelle Jahr gerade erst beschlossen wurde und erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie die Schuldenbremse eingehalten werden soll.
Weiter verwies Meyer auf das Zukunftsfinanzierungsgesetz und das Wachstumschancengesetz, mit denen die Ampel bereits Maßnahmen zugunsten der Wirtschaft beschlossen habe. Darauf spielt auch Andreas Audretsch, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, an, indem er betont: „Wenn Friedrich Merz etwas für die Wirtschaft tun will, sollte er der Einigung beim Wachstumschancengesetz zustimmen.“ Dieses blockiert die Union im Bundesrat wegen der schon erwähnten Streichung der Agrardiesel-Subventionen.

Deutsche Wirtschaft in der Krise: Haseloff verweist auf Spielraum bei Schuldenbremse
Auf ein Umdenken in diesem Punkt pocht auch Reiner Haseloff. „Es muss ein Signal geben, dass wir die Landwirte und deren Sorgen ernst nehmen“, hält der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt im Interview mit dem Handelsblatt (Artikel hinter einer Bezahlschranke) fest.
Weiter regt der CDU-Politiker an: „Wir sollten die staatlichen Abgaben auf Energie, soweit es geht, senken und auf die Einnahmen verzichten – in der Erwartung, dass wir dann mit mehr Wachstum wieder als Staat profitieren.“ Dies gelte auch für Länder und Kommunen, die „dafür an anderer Stelle entlastet werden“ sollten.
Außerdem verweist der seit 2011 amtierende und damit dienstälteste Landesvater darauf, den „Spielraum“ zu nutzen, den die Schuldenbremse biete: „Wenn die Bundesregierung die Notlage erklären würde, könnte das für großen Schwung in der Wirtschaft sorgen.“ Artikel 115 des Grundgesetzes beinhaltet, dass „im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, die finanziellen Grenze der Schuldenbremse umgangen werden können – wenn der Bundestag dem zustimmt. (mg, mit dpa und afp)