Hoch über Lenggries: Der Stie-Steffe und sein einzigartiger Käse

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Seit 26 Jahren privat und beruflich ein Team: Stefan und Veronika Obermüller vor der Stie Alm. © Felicitas Bogner

Hoch über Lenggries, auf dem Brauneck, befindet sich die einzige Almkäserei Oberbayerns. Hier weiden die Kühe im Sommer, hier wird der Käse hergestellt, hier reift er und hier wird er verzehrt. Auf 1500 Metern produzieren Stefan und Veronika Obermüller auf der„Stie Alm“ seit einem Vierteljahrhundert Milchprodukte nach alter Tradition.

Lenggries – Feuchtwarme Luft schlägt einem entgegen, öffnet man die Tür zur Käserei auf der „Stie Alm“. In dem weiß gekachelten Raum riecht es leicht säuerlich. Vor einem riesigen Kupferkessel neben einem Fenster mit Panoramablick ins Karwendel steht Stefan Obermüller in einem weißen langen Kittel. Mit einem riesigen Schneebesen rührt er bedächtig eine dünnflüssige Masse im Uhrzeigersinn – 300 Liter frische Rohmilch. „Das ist das Ergebnis aus vier Mal Melken von acht Kühen“, erklärt der Lenggrieser. Aus 300 Litern gewinnt er am Ende circa 30 Kilogramm Bergkäse. Ob Joghurt, Quark oder Schnittkäse, alle Produkte, die hier entstehen, brauchen Wärme und Feuchtigkeit, damit sich die Kulturen optimal entwickeln. Die Milch im Kessel ist auf 32 Grad erhitzt, und Obermüller hat bereits die Kulturen, also Milchsäurebakterien, dazugegeben. Jetzt heißt es warten. Die Bakterien sollen sich vermehren.

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Die selbst gemolkene Milch wird zu Käse, Joghurt und Co.

Der Stie-Steffe, wie der 62-Jährige genannt wird, ist auf der idyllischen Alm, etwa 30 Gehminuten von der Bergbahn-Station entfernt, aufgewachsen. „Mit 21 Jahren habe ich den Familienbetrieb mit Landwirtschaft, Gastronomie und Beherbergung übernommen“, erklärt er. Seit 24 Jahren betreibt der Lenggrieser hier auch seine Almkäserei. Die einzige in ganz Oberbayern in dieser Form, wie er betont. Auf den Wiesen rund um die „Stie Alm“ lebt und grast das Allgäuer Fleckvieh, und hier oben verarbeitet Obermüller auch direkt die selbst gemolkene Milch zu Käse, Joghurt und Co. Acht der Kühe werden jedes Frühjahr aus dem Allgäu für den Almsommer nach Lenggries transportiert. Hier leben sie frei laufend auf den großzügigen Wiesen gemeinsam mit Steffes eigener Kuh, seiner Trixie. „Eine Kreuzung aus der Zillertaler Rasse Duxer und Ehringer, das sind Schweizer Kampfkühe“, sagt er voller Stolz über die 14-jährige Dame.

Die Käseharfe braucht man zum Schneiden der Masse

Aufs Kasen gekommen ist Obermüller während eines Kuraufenthalts in Oberstaufen. „Ich war dort viel in den Bergen unterwegs und habe gesehen, dass viele Almen ihren eigenen Käse vor Ort herstellen, das kannte ich in der Form nicht.“ Ab diesem Zeitpunkt sei der Wunsch immer stärker geworden, sich seine eigene Käserei zu bauen. „Mich hat das nicht mehr in Ruhe gelassen. Ich habe viele Fortbildungen gemacht und 2000 war ich dann endlich mit allen Genehmigungen durch und konnte starten.“

Idyllisch auf 1500 Metern gelegen: Die Kaserei der Stie-Alm.
Idyllisch auf 1500 Höhenmetern gelegen: Die Kaserei der Stie-Alm. © Felicitas Bogner

Der 62-Jährige schüttet einen Becher helle Flüssigkeit in den Kessel: „Kälbermagenlab.“ Dadurch werde die Masse dickflüssiger. Langsam wird aus der erwärmten Milch die gewünschte puddingartige Konsistenz, die Galerte. Mit einer Schöpfkelle schabt Obermüller durch die Masse. „Man muss die Oberflächenspannung jetzt rausnehmen“, erklärt er. Dann nimmt er die große Käseharfe zum Schneiden zur Hand. Er zieht sie durch den Kessel. „So entsteht der Käsebruch.“

Jeden Sommer wird 50 Tage lang gekast

Früher, meint der Almbauer, wäre der nächste Schritt richtig anstrengend geworden. „Da hat man alles noch von Hand gemacht.“ Er lacht, setzt ein Rührwerk auf den Kessel und schaltet die Maschine an. „Da bist früher selbst dagestanden.“ 20 Minuten lang wird der Käse kraftvoll vorgerührt. „Dann wird er gebrannt und auf 51 Grad erhitzt.“

An 50 Tagen im Sommer kast Obermüller. „Das reicht für uns hier oben meist aus.“ Seine Produkte, gibt es – mit wenigen Ausnahmen wie in einem Tölzer Bioladen – nur auf der „Stie Alm“. „Wir kochen und backen für unsere Gäste damit“, erklärt seine Frau Veronika Obermüller, selbst Käsesommelière. Auf der Karte stehen neben dem bekannten Käsekuchen aus dem Holzofen Käseplatten, Käsewürstel und Käsespätzle. Letztere sind übrigens der absolute Bestseller, verrät die Wirtin mit einem Augenzwinkern. Die Münchnerin hat 1998 das Großstadtleben hinter sich gelassen und ist zu ihrem Steffe auf die „Stie Alm“ gezogen.

Stefan Obermüller in seiner Kaserei: Mit der Käseharfe wird die Galerte bei 31 Grad im Kessel gebrochen.
Stefan Obermüller in seiner Käserei: Mit der Käseharfe wird die Galerte bei 31 Grad im Kessel geschnitten. © Stefan Obermüller

Die Abläufe bei der Käseherstellung sind zwar genau vorgegeben, doch es gehört noch einiges mehr dazu, um ein schmackhaftes Produkt zu erhalten. „Es ist alles eine Frage der exakten Temperatur. Bei minimalen Schwankungen von ein bis zwei Grad werd‘s scho nix mehr.“ Stefan Obermüller zeigt auf einen großen Thermostat, der in einem Topf mit Quark steckt. „Das wichtigste Instrument.“ Auch die Zeit muss stimmen. Neben dem Kaser liegen immer Stift und Papier. Minutengenau notiert er jeden Vorgang. Selbst wenn alles exakt eingehalten wird, Käseproduktion ist eine Sache des Fingerspitzengefühls. „Da muss sich jeder Kaser selbst herantasten, manches kann man nur aus der eigenen Erfahrung lernen und diese Tricks verrät dir keiner.“ Der 62-Jährige lächelt verschmitzt und kritzelt etwas auf den Zettel. „Jeder Kaser hat seine eigene Handschrift.“

Auch die Laune der Kühe spielt mit hinein

Notiert wird für jede Käse-Charge auch, auf welchen Weiden die Kühe vor dem Melken gegrast haben. „Sollte irgendetwas nicht stimmen, muss ich ja nachschauen können, woran es liegt.“ Für den Bergkäse, Charge 7, waren die Kühe auf dem Idealhang und dem Feichteck. „Das ist eine super Weide mit vielen Blumen und Kräutern.“ Der Steffe hat einen guten Draht zu seinen Kühen. „Man muss sich schließlich mit seinen Lieferanten gut stellen.“

Die Pflege nach dem Kasen ist das A und O. Veronika Obermüller kümmert um die idealen Reifungsbedingungen.
Die Pflege nach dem Kasen ist das A und O. Veronika Obermüller kümmert um die idealen Reifungsbedingungen. © Felicitas Bogner

Nicht nur die Laune der Kühe, auch das Wetter spielt mit hinein: „Jeder Käse schmeckt anders, auch wenn du es immer gleich machst.“ Ist es die Tage vorm Melken sehr heiß, fühlen sich die Kühe nicht wohl. „Das merkt man an der Milch.“ Nicht selten misslingt die Butter bei gewittrigem Wetter. „Da bekommt sie ums Verrecken nicht die richtige Konsistenz, wird nicht hart genug.“ Weggeworfen wird bei Obermüllers trotzdem nichts. „Dann verwenden wir das als Butterschmalz und machen unseren Kaiserschmarrn darin.“ Der Bergkäse gelingt – trotz drohender Gewitterwolken.

Der Käser selbst mag lieber Wurst

Hat die Käsemasse die richtige Bindung, kommt sie zum Abfüllen in eine Presse. „Da druckts jetzt die Molke raus.“ Wichtig: „Der Bruch sollte relativ gleichmäßig Erbsengröße haben. Es dürfen sich keine großen Klumpen bilden.“ Ist der Bruch gewaschen, die Masse in der Form, einen weiteren Tag gepresst und in ein Salzbad gelegt worden, geht es ab in den Reifungskeller. „Das Herstellen ist das eine, die Reifung und die Pflege das andere“, sagt Steffe und geht mit seiner Frau die schmale Treppe hinunter Hier ist es kühl und feucht, und es kommt einem ein stechend intensiver Käsegeruch entgegen. Ein bis zwei Jahre in der Regel bleiben die Käselaiber hier liegen. Veronika Obermüller kümmert sich regelmäßig um ihre Schätze. Das, wie es im Fachjargon heißt, Schmieren mit einer Salzwasserlösung alle paar Tage gehört zur idealen Reifung dazu. Beißt man in einen der würzigen Alm- und Bergkäse, merkt man, dass sich der Aufwand lohnt. „Neben der Liebe zum Naturprodukt, muss das Kasen aber vor allem Spaß machen, sonst hat‘s keinen Zweck“, betont der Stie-Steffe, der, wie er am Ende lachend verrät, selbst eigentlich lieber „a Wurscht“ isst.

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