Auch wenn der Umstieg auf die E-Mobilität bei weitem nicht so schnell geht, wie es sich die Bundesregierung wünscht – die Lade-Infrastuktur im Landkreis ist mittlerweile weit besser als ihr Ruf.
Landkreis – Es ist das klassische Henne-Ei-Prinzip: Fragt man die Anbieter von Ladelösungen, braucht es mehr Elektro-Autos, damit sich die Investitionen rechnen. Fragt man die Autofahrer, dann ziehen sie – wenn überhaupt – den Umstieg auf ein E-Auto erst in Betracht, wenn an jeder Ecke eine Ladesäule mit bezahlbaren Preisen steht.
In den vergangenen Jahren wurden dennoch erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Ladeinfrastruktur im Landkreis auszubauen. Und tatsächlich finden sich selbst in kleinen Orten wie Eberfing mittlerweile Ladesäulen, an denen man schnell und unkompliziert sein Auto bei Bedarf aufladen kann.
Eine Recherche zu den genauen Zahlen wird dadurch erschwert, dass es im Landkreis Weilheim-Schongau gleich zwei Netzbetreiber gibt: das Bayernwerk und die Lechwerke. Im Bereich des Bayernwerks im Landkreis waren zum Stichtag 1. Juli 2023 insgesamt 174 öffentliche Ladepunkte gemeldet, wie Pressesprecher Michael Bartels berichtet. Allein zwischen Januar und Juli 2023 seien 43 Ladepunkte dazugekommen.
Ladesäule ist nicht gleich Ladesäule
Nun ist Ladesäule nicht gleich Ladesäule. So kann es mit einem modernen E-Auto und einer modernen Schnellladesäule gerade einmal gut 20 Minuten dauern, um den Akku von 10 auf 80 Prozent aufzuladen. An einer herkömmlichen Ladesäule dauert der gleiche Ladevorgang indes mehrere Stunden. Im Zuständigkeitsbereich des Bayernwerks gab es zum 1. Juli 2023 130 Normal- und 44 Schnellladepunkte.
Dazu kommen die öffentlichen Ladepunkte im Lechwerke-Gebiet. Dort seien zum Jahresende 2023 insgesamt 51 öffentliche Ladepunkte gemeldet worden, schreibt Pressesprecher Ingo Butters. Allein im vergangenen Jahr seien 28 dazu gekommen. Die Lechwerke selbst würden 17 in Eigenregie betreiben, davon vier Schnellladepunkte.
Schnellladesäulen sind allerdings auch vor allem entlang der Autobahnen notwendig, wenn auf langen Strecken möglichst schnell möglichst viel Reichweite „nachgetankt“ werden soll. Ein Beispiel für solche Schnellladepunkte ist der Tesla-Supercharger-Standort in direkter Nähe zur A 95 am Urthaler Hof bei Sindelsdorf.
Wallboxen gab es zum Nulltarif
Viele E-Auto-Fahrer laden in der Regel ihre Fahrzeuge ohnehin zu Hause auf. Vor einigen Jahren gab es ein sehr lukratives Förderprogramm des Bundes, bei dem man sich nahezu zum Nulltarif eine solche Wallbox daheim installieren konnte.
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Offensichtlich haben viele Bürger davon Gebrauch gemacht. Beim Bayernwerk wurden, wie Pressesprecher Bartels berichtet, 790 private Ladeeinrichtungen angemeldet. Zwar ist es eigentlich vorgeschrieben, dass man die Installation einer Wallbox an den Netzbetreiber meldet, in der Realität nehmen es nach Angaben des Bayernwerks die Leute aber wohl nicht alle so genau damit: „Statistisch gesehen kommen auf eine Anmeldung 1,25 Ladepunkte“, so Bartels. Macht unterm Strich also 988 Wallboxen im Bayernwerk-Bereich.
Dazu kommen 401 private Ladepunkte bei den Lechwerken im Landkreis Weilheim-Schongau. Allein im vergangenen Jahr sind dort 75 neu dazu gekommen – obwohl die Förderung lange ausgelaufen ist. Bei beiden Anbietern gleich: Die allermeisten Wallboxen liefern eine Ladeleistung von 11 kW, nur eine verschwindend geringe Zahl kann doppelt so schnell laden.
Das hat oft rein praktische Gründe. So nutzen viele E-Auto-Besitzer den Strom von der eigenen PV-Anlage zum Laden. Und mehr als 11 kW haben nur die wenigsten auf dem Dach. Zudem wurden damals nur 11-kW-Ladepunkte gefördert – auch um eine Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden.
„Zum heutigen Stand ist das Stromnetz stabil ausgebaut“
Letzteres wird von Skeptikern immer wieder als Argument gegen den Umstieg auf E-Mobilität vorgebracht. Die Netzbetreiber geben in dieser Frage aber Entwarnung: „Zum heutigen Stand ist das Stromnetz stabil ausgebaut. Durch die aktuell rund 200 000 Elektroautos in Bayern sehen wir keine Einschränkungen auf die Netzstabilität“, schreibt Michael Bartels vom Bayernwerk. Analysen hätten ergeben, dass in einem Ortsnetz mit mehreren hundert Ladepunkten nie mehr als 40 Prozent davon zur gleichen Zeit Ladevorgänge durchführen. Der Stromverbrauch durch die Elektromobilität verteile sich entsprechend auf verschiedene Tageszeiten, „weswegen wir derzeit auch keine Engpässe feststellen können. Dennoch investieren wir weiterhin jedes Jahr neue Rekordbudgets, um die Netze für die Energiewende auszubauen.“
Erdkabel ersetzen Freileitung bei Wessobrunn und Seeshaupt
Das Bayernwerk hat allein im Jahr 2023 rund 40 Millionen Euro in den Landkreisen Garmisch-Partenkirchen, Starnberg, Bad Tölz-Wolfratshausen sowie im Landkreis Weilheim-Schongau für Netzbaumaßnahmen aufgewendet.
Im Landkreis Weilheim-Schongau ersetzt das Bayernwerk bei Wessobrunn beispielsweise die bestehende Mittelspannungsfreileitung gegen eine Erdverkabelung. Etwa 14 Kilometer Freileitung und zahlreiche Gittermasten könnten anschließend zurückgebaut werden, hieß es. Im Zuge dieser Baumaßnahme treibe das Bayernwerk auch die Digitalisierung der Netze voran und setzt neun digitale Ortsnetzstationen ein.
Eine ähnliche Maßnahme sei in den Gemeindebereichen Eberfing und Seeshaupt in Planung. Hier werde die Mittelspannungsfreileitung Iffeldorf erneuert und modernisiert. 17 Kilometer Erdkabel ersetzen künftig zwölf Kilometer Freileitung. Im Anschluss an die Verkabelungsarbeiten können acht Gittermaststationen und eine Turmtransformatorenstation zurückgebaut werden.
„Ein Netzausbau im bestehenden Stromnetz aufgrund mangelnder Kapazitäten für Ladeinfrastruktur war im Landkreis bisher nicht notwendig“, schreibt Lechwerke-Sprecher Ingo Butters zu diesem Thema. Das habe einen einfachen Grund: Im gesamten Gebiet von LEW Verteilnetz gebe es eine sehr starke Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien vor Ort.
Rein rechnerisch speise mittlerweile alle 300 Meter eine Erzeugungsanlage Strom aus erneuerbaren Energien in das Verteilnetz von LEW ein. Damit gehöre man zu den Netzbetreibern mit der höchsten Anlagendichte in Deutschland – bezogen auf die Anzahl.
Um den vor Ort regenerativ erzeugten Strom aufnehmen und verteilen zu können, haben die Lechwerke die Kapazitäten im Stromnetz in den vergangenen Jahren erheblich erweitert. Entsprechend stünden derzeit ausreichende Kapazitäten für den Strombezug von Ladesäulen zur Verfügung. „Auch in Zukunft dürfte der Netzausbau vor allem durch den Zubau bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (Stromeinspeisung) getrieben werden“, ist sich Butters sicher.