Wildpoldsried: Guter Start für die Integration von Geflüchteten in der neuen Unterkunft

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Buntes Team mit bunten Blumen: Bürgermeisterin Renate Schön (rechts) stellte den Wildpoldsriedern die Menschen vor, die sich ehren- und hauptamtlich um die Geflüchteten in der Gemeinde kümmern. © Lajos Fischer

Wie in die Jahre 2015/16 zurückversetzt fühlt man sich beim Informationsabend der Gemeinde Wildpoldried über die neue Unterkunft für Geflüchtete. Auch der von 29 Vorschlägen ausgewählte Name „WiDahoim“ verspricht die Rückkehr der „Willkommenskultur“.

Wildpoldsried – Es geht diesmal jedoch insgesamt viel geordneter zu als damals. Bürgermeisterin Renate Schön und ihr Team wollen bei der aufgeheizten Stimmung im Land nichts dem Zufall überlassen und achten darauf, dass alles transparent abläuft und die Leute in der Gemeinde mitgenommen werden. Für die zahlreichen Interessierten im Dorfsaal „Kultiviert“ signalisieren bunte Blumen und interkulturelle Köstlichkeiten: „Wir sind offen und stellen uns unserer Verantwortung“, wie Schön formulierte.

Unterkunft für Geflüchtete Wildpoldsried: Nur Familien dürfen einziehen

Das neu errichtete Haus in der Salzstraße bietet eine einfache, menschenwürdige Bleibe für zehn Familien. Als gegen Ende des Abends ein älterer Herr doch zaghaft seine Bedenken äußert wegen der „Problemgruppe von jungen Männern“, erinnert die Bürgermeisterin daran, dass der Gemeinderat klargestellt habe, dass hier nur Familien einziehen dürften. „Das war die Abmachung.“

Bürgerbüroleiter Peter Kant und Schön berichteten, dass die ersten Familien, die aus der Türkei, Afghanistan und Nigeria stammen, eingezogen sind. Auch eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern ist dabei. Die meisten sind bereits länger im Landkreis und wurden unter anderem aus den großen Zeltunterkünften hierher umverteilt. Deswegen sprechen sie auch passabel Deutsch, vor allem die Jüngsten. Die Familien haben die Räume nach ihren Bedürfnissen gestaltet und dekoriert.

Ziele: Menschliches Miteinander und Spracherwerb

Die Bürgermeisterin berichtete über den Tag der offenen Tür, zu dem etwa 150 Wildpoldsriederinnen und Wildpoldsrieder kamen und erzählte, dass die Geflüchteten die Möglichkeit haben werden, für 0,80 Euro in der Stunde gemeinnützige Arbeit zu leisten. In der Gemeindeverwaltung liege eine Liste aus, in die man Bedarfe eintragen könne. Die Pflege von Apfelbäumen und von Grünflächen stehe bereits darauf. Wichtiger als die symbolische Vergütung sei das menschliche Miteinander und das Üben der deutschen Sprache, betonte sie. Außerdem werde dadurch eine Tagesstruktur vorgegeben, die im Alltag wichtig sei.

Ein Helferkreis hat sich bereits gebildet, die ersten Mitglieder stellten sich und ihre Motivation in der Versammlung vor. „Ich fühle mich hier wohl und möchte, dass auch andere sich wohl fühlen“, hieß es zum Beispiel. Oder „Ich will den Leuten ihre Ängste nehmen.“ Sie bringen Kompetenzen mit: als junge Mutter, als ehemalige Hauptamtliche in der Flüchtlingsarbeit, als pensionierte Lehrerin oder als vor ein paar Jahren nach Wildpoldsried Zugezogener, aber auch als ehemaliger Geflüchteter, der von der 2015 erlebten Willkommenskultur etwas zurück- bzw. weitergeben will. Anja Epp gestaltete bereits ein Symbolbild für den Helferkreis. Schön lud die Anwesenden ein, regelmäßig oder gelegentlich mitzumachen.

Unterstützung von Landkreis und Diakonie

Die Ehrenamtlichen bekommen Unterstützung von den beiden Integrationslotsinnen des Landkreises, Sina Hohenegg und Olena Chernerga. Sie sind für 65 Unterkünfte in 26 Gemeinden zuständig, berichtete Hohenegg. Direkte Flüchtlingsarbeit dürfen sie nicht leisten. Ihre Aufgabe besteht darin, Ehrenamtliche zu unterstützen, indem sie für ihre Anliegen ein offenes Ohr haben. „Dieses Ehrenamt ist anstrengend und emotional nicht immer einfach“, sagt sie.

David Melch als zuständiger Asylberater der Diakonie Allgäu stellte sich vor und sicherte zu, in der Anfangszeit öfter vor Ort zu sein. Da die meisten Sprachkurse in Kempten stattfinden, könnten ihn die Ratsuchenden auch in seinem dortigen Büro im Freudental gut erreichen.

Fluchtursachen: Krieg, Vertreibung und Klimawandel

Den Einstieg in die Thematik schaffte Sarah Dillmann, Flüchtlingsberaterin der Caritas. In ihrem informationsreichen und differenzierten Vortrag schilderte sie das Schicksal von etwa 120 Millionen Geflüchteten weltweit, von denen 68 Millionen in ihrem Heimatland Zuflucht suchen. Krieg und Vertreibung seien weiterhin die Hauptursachen, aber die Zahl der Klimaflüchtlinge steige kontinuierlich. Die meisten Geflüchteten stammen aus Syrien, Afghanistan, der Ukraine, Venezuela und Südsudan. In Deutschland stellten Syrer, Afghanen und Türken die meisten Asylanträge. Bei den Aufnahmeländern befinde sich Deutschland nach dem Iran und der Türkei auf dem dritten Platz. Sie schilderte die Schwierigkeiten bei den Asylverfahren und die Unsicherheiten, die für die Betroffenen beim „Ping-Pong-Spiel“ der EU-Länder um die Zuständigkeit im Dublin-Verfahren entstehen. Auch auf Probleme, die die Einführung der Bezahlkarte mit sich brachte, wies sie hin. Die Beraterin zeigte einen Einblick in das Leben von Geduldeten, die nicht arbeiten dürfen, aber ständig mit dem Vorwurf, sie würden nur noch in der Unterkunft sitzen, konfrontiert werden.

Dillmann schloss ihren Vortrag mit den Worten: „Hinter jedem ‚Flüchtling‘ steht ein Mensch mit individueller Geschichte und Persönlichkeit.“

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