An dieser Schule steht Glücklichsein auf dem Stundenplan

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Anders als im Klassenzimmer: Auch durch die Optik mit Meditationsmatten, Pflanzen und Lichterketten wollen Judith Heigermoser (l.) und Nadine Simml den Besuchern helfen, den Alltag hinter sich zu lassen. © Thomas PlettenBerg

Glücklich sein will jeder. Aber wie wird man es? Man kann es lernen, sagen Judith Heigermoser und Nadine Simml. Die beiden Frauen haben sich zu Glückslehrerinnen ausbilden lassen. Jetzt begeistern sie an der Realschule Miesbach mit ihrem Konzept.

Miesbach – Glücksunterricht, Achtsamkeit, Meditation und Yoga. Das sind die vier Bausteine zum Glücklichsein, erklären Judith Heigermoser und Nadine Simml. Ihr Angebot an der Realschule Miesbach wird mittlerweile nicht nur gern von Schülern, sondern auch vom Kollegium in Anspruch genommen. „Schön, dass es ankommt“, sagt Simml, und man hört ein bisschen Überraschung aus ihrer Stimme. So richtig können es beide noch nicht glauben, wie groß die Resonanz auf das Angebot ist, mit dem sie ursprünglich junge Leute nach den schwierigen Corona-Jahren unterstützen wollten. Ziel war es, den Menschen etwas an die Hand zu geben, das ihnen Zuversicht gibt, ihre Selbstakzeptanz und Persönlichkeit stärkt. Und ja, am Anfang seien sie schon auch komisch angeschaut worden, als sie von Achtsamkeit, Meditation, Yoga und Glücksunterricht sprachen. Dabei gibt es längst Länder, in denen das Fach „Glück“ im Stundenplan steht. Unsere Nachbarn Schweiz und Österreich gehören dazu.

Nach der Corona-Pandemie war der Bedarf an Zuneigung groß

„Gerade nach Corona haben wir gemerkt, wie die Kinder zu kämpfen hatten. Wie sie Zuneigung brauchten“, erzählen die beiden von den Anfängen. Damals stießen sie auf das Konzept des Heidelberger Pädagogen und Schulleiters Ernst Fritz-Schubert, der seit 2007 dem traditionellen, primär leistungsorientierten und auf die Vermittlung von Wissen und kognitiven Fähigkeiten abzielenden Unterricht etwas entgegenstellt: das Schulfach Glück. Dessen Ziel ist es, „Lebenskompetenz, Lebensfreude und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und diese auch im Schulalltag zu realisieren“.

Wie das konkret geht, lernten Heigermoser und Simml während einer einjährigen Ausbildung, die sie auf eigene Faust im Rahmen eines Fortbildungsprogramms für Lehrkräfte an zwölf Wochenenden in München absolvierten. Danach fühlten sie sich fit, aus eigenen Ideen und Erfahrungen und dem neu erworbenen Wissen ihr eigenes Konzept zu gestalten. Es lehrt ihre Schützlinge, mit ihren Gefühlen umzugehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen, Situationen zu akzeptieren, zu spüren, wie Körper, Geist und Seele zusammenwirken, sich Ziele zu setzen und ihre eigene Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

Gegensatz zum Klassenzimmer: Meditationsmatten, Pflanzen, dezente Lichterketten

Bei Schulleiter Thomas Kaspar stießen die Lehrerinnen für Religion, Deutsch, Mathe, Werken und Kunst sofort auf offene Ohren. Unter anderem stellte er ihnen ein Zimmer zur Verfügung, das seitdem als Glücksraum dient und den beiden wichtig ist, weil dessen Atmosphäre mit Meditationsmatten, Pflanzen und dezenten Lichterketten ganz anders ist als in den Klassenzimmern. So helfe schon die Optik, den Alltag für eine Weile hinter sich zu lassen. Egal, ob für „Glückspausen“, für die angeleiteten Achtsamkeitsübungen jeden Mittwoch oder einfach als Rückzugsort für Kinder und Jugendliche, die einmal eine Auszeit vom Trubel im Schulhaus brauchen. Auch aus dem Kollegium zieht sich der eine und die andere gerne mal zurück. Ihr „Mindful Morning“ mit Achtsamkeitsübungen und Meditation ist zu einem festen Bestandteil im Schulalltag geworden. Während Lehrer dafür schon eine Viertelstunde früher kommen, findet das komplette Angebot für die Schüler während der Unterrichtszeiten statt. „Wir wollten nicht wieder extra etwas draufpacken, sondern unser Angebot in den Alltag integrieren“, erklärt Heigermoser. Sie schiebt im Religionsunterricht, nach Proben, vor anstehenden Prüfungen oder wenn sie merkt, dass die Klassen nicht gut drauf sind, eine kleine Entspannungseinheit ein.

Aus Spaziergängen erwuchs der Achtsamkeitsbergweg

Zum ersten Mal hatten sie das kurz nach Corona mit einer Adventsmeditation angeboten. Die Resonanz war so groß, dass es weder beim Advent noch bei den fünften und sechsten Klassen blieb. Als es draußen wärmer wurde, verlegten sie ihr Herzensprojekt auch nach draußen.

Am Stadlberg, wo Simml damals wohnte, drehten sie gemeinsame Runden, um die Natur mit allen Sinnen zu erleben – mal barfuß, mal tief atmend, mal mit einer Yogaübung. Aus dieser drei Kilometer langen Runde mit sieben Impulsen entstand der Achtsamkeitsbergweg. Er erhielt bei den Touristikern der Stadt Miesbach viel Beifall, weil er jede Altersgruppe dazu anregt, direkt vor der Haustür alle fünf Sinne zu aktivieren und sich selbst und die Natur bewusst zu erleben.

Für Simml und Heigermoser eine wunderbare Ergänzung ihres Herzensprojekts, an dem sie jeden Tag mit kleinen Impulsen arbeiten: „Wir Glückslehrerinnen wollen unseren Schülern Tools an die Hand geben, um ihr eigenes Glück selbst in die Hand nehmen zu können.“

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