Nach Bauernprotesten: „Miesbacher Salon“ soll Menschen zur Diskussion zusammenbringen
Angesichts wachsender Polarisierung startet Michael Brünner mit weiteren Gastgebern ein neues Diskussionsformat. Der Miesbacher Salon soll Menschen beim Diskutieren wieder zusammenbringen.
Miesbach – Es sind deutliche Worte, mit denen Michael Brünner zu einem neuen Angebot im Bunten Haus in Miesbach eingeladen hat. „Ängste, Misstrauen, Polarisierung und verzerrte Fakten bestimmen den Diskurs“, heißt es in dem Schreiben. In der Folge würden sich immer mehr Menschen von demokratischen Regeln abwenden, von autoritären Strukturen träumen oder sich in eine Opferhaltung zurückziehen. Dieser Entwicklung will der 58-Jährige etwas entgegensetzen: mit dem Miesbacher Salon. In dem neuen Format, das der Ingenieur mit elf weiteren Gastgebern ins Leben gerufen hat, soll einmal im Monat über ein konkretes Thema mit bis zu 35 Gästen diskutiert werden. Die erste Runde fand bereits statt. Wie der Auftakt verlief und was das Ziel des Angebots ist, erklärt der Miesbacher im Interview.
Herr Brünner, mit dem Salon setzen Sie sich für Meinungsaustausch ein. Warum ist das wichtig?
Initial waren für die Idee die Bauern- und Handwerkerproteste Anfang dieses Jahres. Durch die Polemik und das Ringen um Positionen wurde deutlich, dass die Menschen nicht mehr miteinander, sondern nur noch übereinander reden. Selbst einige gewählte Politiker haben in dieser Zeit nur noch gespalten und polemisiert. Im Bunten Haus haben wir deshalb nach Leuten gesucht, die über diese Spaltung hinaus denken und ins Gespräch kommen wollen. So haben sich zwölf Gastgeber gefunden, zu denen auch ich gehöre. Wir wollen herausfinden, wie so etwas passieren konnte, indem wir die Miesbacher Bürger zu einzelnen Themen zusammenbringen und ihnen die Möglichkeit geben, miteinander zu reden.
Die Runde sollte möglichst verschiedene Menschen zusammenbringen. Hat das funktioniert?
Elisabeth Janner und ich haben im Vorfeld eine Diskussion zur Energiewende und zum eigenen Weg, klimaneutral zu leben, vorbereitet. Das ist kein besonders konfrontatives Thema – aber es sind Menschen, die seit 25 Jahren eine Wärmepumpe haben, auch mit solchen aufeinandergetroffen, die eine Ölheizung besitzen und auch nicht vorhaben, diese auszutauschen. Das ist gut so, denn wenn wir nur in einer Blase diskutieren, wäre das Thema verfehlt. Ziel ist es, einen Querschnitt der Gesellschaft abzubilden. Von den Wortführern der Landwirte und Handwerker hat sich aber leider niemand hergetraut, obwohl wir sie eingeladen haben.
Wie viele Besucher sind zur Diskussion gekommen?
Wir hatten 15 von maximal 35 möglichen Teilnehmern. Für den Start bin ich mit der Zahl aber zufrieden. Mittlerweile gibt es im Bunten Haus 70 Gruppen und Grüppchen, die sich treffen. Der Salon ist nicht das schreiendste Angebot und soll es auch nicht sein.
Gibt es ein konkretes Ergebnis aus dem Gespräch?
Es gibt Erkenntnisse. Weniger zu fliegen, würde für fast alle einen großen Verzicht bedeuten. Elektroautos hingegen bringen für viele sogar Vorteile. Außerdem gibt es eine Punkteskala, auf der die Teilnehmer vorher und nachher einordnen konnten, wie gut sie ihren eigenen Weg zur CO₂-Neutralität kennen. Zehn Punkte haben diejenigen gesetzt, die sich sehr sicher sind, 0 Punkte standen für absolute Unsicherheit. Zu Beginn lag der Durchschnitt bei vier bis fünf, später bei sechs bis sieben Punkten.
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Ist eine solche Veränderung das Ziel?
Nein, nicht unbedingt. Im Idealfall kennt man hinterher die anderen Positionen. Ob sich die eigene Meinung dadurch ändert, ist davon völlig unabhängig. Wichtig ist aber, dass der Salon kein Plaudertreff sein soll. Pro Termin bereiten zwei Gastgeber ein ganz konkretes Thema vor, das im Idealfall sogar mit Ja oder Nein beantwortet werden kann. Während der Diskussion gibt es Gesprächsregeln, eine Plenumssitzordnung und hinterher eine Auswertung.
Das klingt nach viel Arbeit.
Ich erlebe gerade, dass das Gesellschaftsgefühl schwindet. Es gibt eine Individualisierung in den sozialen Medien. Es wird viel über Defizite gesprochen, aber wenig über gemeinsame Werte. Als Gemeinschaft, die auch das Wohlbefinden steigert, können wir aber viel mehr erreichen. Deshalb engagiere ich mich gerne im Bunten Haus – auch ohne Mitglied in der evangelischen Kirche zu sein. Weil es ein Erfolgsprojekt ist.
Was wird als nächstes Thema behandelt?
Einen Termin gibt‘s noch nicht, aber das Thema steht tatsächlich schon. Wir werden irgendwann im 1. Quartal 2025 über Wasser und den Umgang damit sprechen. Einer der Gastgeber wird Weyarns ehemaliger Bürgermeister Michael Pelzer sein, der die Diskussion moderiert. Ich denke, es zählt zu den eher konfrontativeren Themen und wird sicher spannend werden. nap