Die drei großen Lücken der Grünen – und ihr desolater Zustand

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Erschrecken Sie jetzt nicht: Die Grünen sind wieder da! Sehen Sie, ich hab’s doch gesagt: Bitte keine Panik! Am Wochenende war in Hannover nur ihr Parteitag. Ihr erster seit dem tiefen Fall aus der Ampel-Regierung. Entsprechend desolat ging es zu.

Die Partei hat all ihre Regierungsmacht verloren und fand sich danach im Parlament nicht mal als stärkste Oppositionspartei wieder, weil das eben mit weitem Abstand die AfD ist. Zurzeit sehen die Umfragen die Grünen irgendwo zwischen elf Prozent und ersten Nahtoderfahrungen – vor allem in Ostdeutschland.

Klima? Wurde zum Kassengift

Man läuft nur noch so mit, aber selbst dafür reicht die Programmatik kaum noch: Klima ist thematisch mittlerweile ein ähnliches Kassengift, wie es der Kampf für ausschließlich vegane Speisen in deutschen Kantinen wäre. Bitte nicht wieder erschrecken! Ich mache doch nur Spaß. Ernst ist dagegen, dass sich selbst das alte Grünen-Spitzenpersonal lieber gleich ohne die Partei neu erfindet.

Annalena Baerbock ist so eine Art UN-Groupie geworden, mit hibbeligen Instagram-Posts aus New York, wo sie einen besseren Sekretariatsjob übernommen hat, der aber eh turnusgemäß nach einem Jahr endet. Robert Habeck erklärte derweil nach Aufgabe all seiner Posten und Ämter, er werde jetzt „ins Offene gehen“, was aber nichts mit Nahtod zu tun hat, sondern nur irgendwie mit Gastauftritten an ausländischen Unis.

Bleiben wir ehrlich: Seine Wärmepumpen-Strategie zerschellte ebenso wie ihre feministische Außenpolitik an harten Realitäten. Beide Altstars wurden in Hannover übrigens nicht vermisst. Die Partei der moralisierenden Besserverdiener hat genug damit zu tun, das Image einer Partei moralisierender Besserverdiener endlich loszuwerden. Nur wie?

Der Parteichef entdeckt plötzlich die „kleinen Leute“

Gleich zu Beginn ihrer 51. Bundesdelegiertenkonferenz diskutierten sie langatmig über Homöopathie, die in der einstigen Strickliesel-Partei bis heute ja sehr viele Anhänger hat. Trotzdem wurde am Ende beschlossen, dass die Krankenkassen den Globuli-Kram künftig nicht mehr bezahlen sollen, was schon fast einem Anfall von Realitätssinn gleichkam, dem bis Sonntagabend leider kaum weitere folgten.

Zwar hat Parteichefin Franziska Brantner gedonnert, es brauche unter anderem eine echte Rentenreform samt längerer Lebensarbeitszeiten. Aber ihr Co-Chef Felix Banaszak fabulierte dann davon, dass man Klimaschutz und Klassenkampf nur geschickt verbinden müsse, dann könnten die Grünen auch eine neue Heimat werden für „Stahlkocher aus Eisenhüttenstadt“ oder die „Paketbotinnen von Amazon“.

Was man sich als Grünen-Chef halt so vorstellt unter den „kleinen Leuten“, denen man bislang lieber ihr Faible für Malle, Diesel und Schweinenackensteak vorwarf.

Die Basis – in vielen großen Fragen zerstritten

Die Grünen sind quasi die Globuli der deutschen Parteienlandschaft: ein treuherziges Versprechen, an das man nur ganz dolle glauben muss (eben wie an die heilende Wirkung wässriger Lösungen ohne Inhalt), dann wird alles wieder gut. Daran glaubt die Basis allerdings nicht mal mehr selbst. Dazu ist sie viel zu zerstritten in großen Fragen wie Gaza, Waffenlieferungen für die Ukraine, Wehrpflicht …

Die drei größten Partei-Lücken: Man hat kein Programm, keinen Plan und übrigens auch kein charismatisches Personal. Außer vielleicht Cem Özdemir, der im Frühjahr in Stuttgart Winfried Kretschmann ablösen will, den bislang einzigen Grünen-Ministerpräsidenten.

Özdemir versucht es mit schwäbischem Pragmatismus

Özdemir versucht es im Südwesten mit ganz viel schwäbischer Mundart und einem Pragmatismus, der ihn von seinem dortigen CDU-Konkurrenten nicht mehr unterscheidet. Trotzdem ist sein Sieg derzeit ähnlich unwahrscheinlich wie die Hoffnung, dass die Grünen es etwa in Sachsen-Anhalt 2026 noch mal ins Landesparlament schaffen. Warum? Siehe oben.

Das Gute an den Grünen war ja mal die Hoffnung vieler Wähler, nachdem der Ampel die Lichter ausgegangen waren: Hey, schlimmer kann es nicht mehr werden. Jetzt könnte es eigentlich aufwärtsgehen. Aber auch diese Hoffnung löst sich leider gerade auf. Denn dann kam ja Schwarz-Rot.

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