Drei Billionen Bäume gibt es weltweit, jährlich verliert die Erde zehn Milliarden Exemplare und damit wertvolle CO2-Speicher. Der Umweltaktivist Felix Finkbeiner von Plant-for-the-Planet ist überzeugt, den Baumbestand erhalten und eine weitere Billion Bäume pflanzen zu müssen, um die CO2-Belastung deutlich zu verringern. Zum Tag des Baumes (25. April) erklärt der 26-Jährige aus Uffing, wie das gelingen kann.
Uffing – Neun Jahre alt war Felix Finkbeiner aus Pähl, als er an der Grundschule in Starnberg ein Referat über das Bäume Pflanzen für den Klimaschutz hielt. Später entstand daraus die Umweltinitiative „Plant-for-the-Planet“ („Für den Planeten pflanzen“). Seine Idee: Jedes Land soll eine Million Bäume pflanzen, um damit der Erderwärmung durch schädliches Kohlendioxid (CO2) etwas entgegenzusetzen. Über 24 Millionen Bäume wurden mittlerweile weltweit gepflanzt und es wurden zahlreiche Projekte zum Erhalt bestehender Waldflächen umgesetzt. Heute promoviert der aktive Baumschützer an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich im Fachbereich Umweltsystemwissenschaften und widmet sich mehr denn je dem Klimaschutz.
150-köpfig ist das Team von Plant-for-the-Planet mittlerweile an elf Länderstandorten wie Spanien, Tschechien, Brasilien, Mexiko, Ghana, und das Engagement für den Baumschutz ist eminent gestiegen. Denn 2011 übernahm die Organisation die „Billion Tree“-Kampagne der Vereinten Nationen und entwickelte daraus 2019 eine moderne digitale Plattform. Darauf können Renaturierungs-Organisationen, die festgelegte Standards einhalten, ihre Projekte bewerben und für die Wiederbewaldung Spenden sammeln. „Bäume Pflanzen weltweit ist dadurch heute quasi vom Sofa aus möglich“, erklärt Finkbeiner.
Bäume für Yucatán
Nach einem halbjährigen Aufenthalt auf der Halbinsel Yucatán (Mexiko), wo Plant-for-the-Planet bis zu zwei Millionen Bäume im Jahr pflanzt und Wälder schützt, genießt Finkbeiner die Zeit in seinem Zuhause in Uffing am Staffelsee. Dabei arbeitet er auch im Büro in Tutzing am Starnberger See. Er ist bei Plant-for-the-Planet für die erfolgreiche Umsetzung der Renaturierungsarbeit zuständig. So entwickelt er am Laptop Apps zur Unterstützung von Klimaschutz-
organisationen und Landwirten, er hält Kontakt zu Naturschutzorganisationen weltweit und setzt mit Forschern von Hochschulen wie der ETH oder dem Imperial College in London Forschungsprojekte um.
Garagen-Start-up
Bei seinem jüngsten Besuch in Mexiko hat Finkbeiner an der Planung der anstehenden Pflanzsaison mitgewirkt. 41 individuell auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmte Baumarten pflanzt die Organisation, berichtet er. Dort in Zusammenarbeit mit Ökologen zudem Pflanzuntersuchungen durchführen zu können, die vorab mit Hochschul-Experten „in einer kleinen Klimakammer im Keller“ erprobt wurden, findet Felix Finkbeiner spannend.
Wie einst im Garagen-Start-up in Pähl, werden bei Plant-for-the-Planet auch heute noch Kinderakademien und Waldprojekte durchgeführt. Doch die weltweit agierende Organisation sieht beim Baumschutz den „größten Hebel“ darin, die Arbeit von weiteren rund 300 Renaturierungsprojekten zu unterstützen. Diese profitieren von der Forschungsarbeit, der Beratung und den entwickelten Apps von Plant-for-the-Planet. Beispielsweise die App „Tree Mapper“ (Baum-Kartograph), mit der an Orten ohne Netzabdeckung Daten über Baumpflanzungen gesammelt und später hochgeladen werden können. Baum-Spendern ist es dadurch möglich, die Standorte online zu besichtigen und die Bäume sogar wachsen zu sehen. Die App „FireAlert“ (Feueralarm) spürt mit Satelliten-Daten der nationalen Raumfahrtbehörde NASA und europäischen Weltraumorganisation ESA Waldbrände auf. Renaturierungsorganisationen, Kommunen und Privatpersonen überwachen mit der App bereits 1.700 Waldgebiete, eine Fläche größer als Brasilien, erzählt Finkbeiner begeistert.
Mit der „Tracer-App“ erfahren Kleinbauern innerhalb von Minuten, ob sie ihre Produkte trotz der EU-Regulierung zu Gunsten entwaldungsfreier Lieferketten weiterhin in die EU importieren dürfen. Die App erfasst die geografischen Daten von Farmen und liefert rasch anhand von Satellitendaten Ergebnisse, ob abgeholzt wurde.
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Großes in Sachen Klimaschutz können auch Politiker bewirken. Finkbeiner bezeichnet die rückläufige Abholzungsrate in Brasilien seit der Wiederwahl von Präsident Lula da Silva Anfang 2023 und der Ernennung Marina Silvas zu seiner Umweltministerin als „unglaublichen Erfolg“. Die Abholzung dort sei im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 fast halbiert worden, durch weniger Brände einerseits, aber auch „durch bessere Strafverfolgung“. Während Lula da Silvas Amtszeit von 2003 bis 2010 sei die Abholzung um achtzig Prozent minimiert worden.
Klimadiplomatie
Finkbeiner hält Kontakt zur Politik und besucht Klimakonferenzen, zuletzt 2023 in Dubai. „Klimadiplomatie wird das Problem nicht lösen“, weiß er, doch sie bewirke, dass das Thema Klima in die Öffentlichkeit gerückt werde, Regierungen motiviert seien, sich positiv darzustellen. Besonders wertvoll sei die Klimakonferenz 2015 in Paris gewesen, bei der sich die Staatengemeinschaft auf eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad einigte.
50 bis 60 Plant-for-the-Planet-Mitarbeiter sind in Mexiko eingesetzt, wo wie in Ghana (5), Brasilien (2) und Spanien (6) gepflanzt und Waldschutz betrieben wird. Fast fünfzig Personen arbeiten in Tutzing, wo der Schwerpunkt auf Kinder- und Jugendbildung liegt und jährlich weltweit rund 200 Kinderakademien für Neun- bis 14-Jährige in 76 Ländern mit insgesamt 8.000 Teilnehmenden organisiert werden. Sieben Ökologen beschäftigt die Organisation im Süden Mexikos. In Indien (7) ist die Software-Entwicklung angesiedelt.
„Über 70 Millionen Bäume wurden bisher für Renaturierungsprojekte über die Plattform gespendet“, erklärt Finkbeiner. Größter Unterstützer sei das börsennotierte US-amerikanische Softwareunternehmen Salesforce, das bis zu fünf Prozent des Budgets beisteuere. 78 Prozent der Einnahmen der Stiftung, die es seit 2011 gibt, werden aus Unternehmensspenden sowie aus dem Verkauf der fairtrade gehandelten „Die Gute Schokolade” erwirtschaftet, zwei Prozent aus öffentlichen Mitteln, der Rest aus Privatspenden. 2022 betrugen die Einnahmen der Stiftung 6,4 Millionen Euro.
Am Tag des Baumes am 25. April will Finkbeiner mit Freunden in Utting einen Baum pflanzen. Im Pausenhof der International School Starnberg pflanzte er den ersten Baum, erinnert er sich freudig an die damals für ihn so bedeutende Aktion. Millionen Bäume wurden seither gepflanzt, auch in der Region – 2019 etwa 100 in Sonthofen im Ostallgäu, 600 in Schongau und 300 in Icking im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Vom 26. bis 28. April findet in der Jugendherberge Possenhofen eine Kinderkonferenz statt und am 4. Mai in der St.-Irmengard-Realschule in Garmisch-Partenkirchen eine Akademie, in der Kinder zu Botschaftern für Klimagerechtigkeit ausgebildet werden.
Was kann der Verbraucher tun, um den Baumbestand zu sichern, fragen wir ihn. „Weniger Fleisch essen, vor allem Rindfleisch“, das sei ein „enorm wichtiger Beitrag“. Denn für die Viehzucht verschwänden die meisten Wälder. Bäume spenden und am 9. Juli zur Europawahl gehen und „sicherstellen, dass die ambitionierte Gesetzgebung zum ,Green Deal‘ umgesetzt wird“, die Klimaneutralität bis 2050 anstrebt.