Alfons Schuhbeck zog von der JVA Landsberg in die Außenstelle Andechs-Rothenfeld um
Mörder und Sexualstraftäter haben wegen Fluchtgefahr keine Chance, in die offene Justizvollzugsanstalt Andechs-Rothenfeld verlegt zu werden. Sprachbarrieren sind zudem ein Hinderungsgrund für Hafterleichterungen im offenen Vollzug. Anders beim 74-jährigen Starkoch Alfons Schuhbeck. Der wegen Steuerbetrugs in Höhe von 2,3 Millionen Euro verurteilte Straftäter wurde dieser Tage von der Erstvollzugsanstalt Landsberg in die Außenstelle Rothenfeld verlegt. Unsere Redaktion hat sich dort umgesehen.
Andechs-Rothenfeld – Vergangene Woche klingelte das Telefon heiß bei Monika Groß. Sie ist Leiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) Landsberg, zu der auch die Außenstelle im Andechser Ortsteil Rothenfeld gehört. Es war durchgesickert, dass der seit August in Landsberg inhaftierte Starkoch Alfons Schuhbeck auf den Heiligen Berg übersiedeln durfte.
Ob Schuhbeck früher als andere Straftäter Hafterleichterungen erhält? Immerhin kommt er schon nach einem halben Jahr Haft in Landsberg als Freigänger nach Andechs. Monika Groß schüttelt vehement den Kopf. Sonderbehandlungen würden sie angreifbar machen. „Einen Promibonus gebe es nicht“ – nicht für Ex-Bayern-Chef Uli Hoeneß, der dort 2015 einsaß, und auch nicht für den berühmten Koch aus München, der im Oktober 2022 wegen Steuerbetrugs zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden war.
Wenn sich Häftlinge ordentlich führen, keine Flucht und Missbrauchsbefürchtung besteht, dann besteht die Chance, einen Teil der Haftstrafe in Rothenfeld zu verbüßen. Es sei jedoch „immer eine Einzelfallentscheidung des zuständigen Abteilungsleiters“, erklärt Groß.
Schuhbeck ist einer von 27 männlichen Häftlingen, die meist wegen Betrugs-, Diebstahls-, Drogen- und Körperverletzungsdelikten einsitzen. Das stattliche, gelbe Gebäudeensemble der JVA Rothenfeld grenzt an ein Gewerbegebiet. Es gibt kein bewachtes Tor und keinen Sicherungszaun. In den zwei Gefangenengebäuden sind zwar Gitter an den Fenstern und Treppenabgängen angebracht. Doch die Hafträume mit ihrer spartanischen Einrichtung, Schränken, Stockbetten und abgetrennten Toiletten, ähneln eher einer zweckmäßigen Jugendherberge denn einem Gefängnis. Die Sanitäranlagen werden gemeinsam genutzt. Es reicht vermutlich ein Tritt gegen die Haftraumtür, um diese zu öffnen.
Wesentlich länger als in der JVA Landsberg geöffnet ist Schuhbecks Haftraum im offenen Vollzug. Die dort inhaftierten Männer können sich nach dem Wecken um 6 Uhr bereits zum Frühstück treffen, auch am Mittag und Abend. Die erste Zeit verbringen die Häftlinge im Gebäude, erledigen einfache Arbeiten im Innenbetrieb. Später erhalten sie – bei guter Führung – eventuell Ausgang und nach einigen Ausgängen eventuell sogar Urlaub aus der Haft. „Vereinzelt werden auch Gefangene zum Freigang zugelassen“, erklärt die Einrichtungsleiterin.
Champignon- und Pferdezucht, Erziehungsanstalt und Frauengefängnis
Die JVA des Freistaates Bayern in Andechs-Rothenfeld ist seit 1966 eine Außenstelle der JVA Landsberg. Von 1938 bis 1967 dienten die Gebäude in der Abt-Gregor-Danner-Straße als Frauengefängnis, ab 1968 als Männergefängnis für Verkehrsdelikte und seit 1985 als Freigängerhaus für Männer. 1965 wurde eine Landwirtschaft angegliedert, 1972 wurde die Einrichtung zur Ausbildungsstätte für Maschinenbau ausgebaut. Als Einöde erwarb das Kloster das Gelände 1474, im Dreißigjährigen Krieg 1632 wurden die darauf errichteten Gebäude von den Schweden niedergebrannt. 1705 baute Andechs dort einen Sommersitz in der Grundform des heutigen Objekts. Die Besitzer wechselten, nutzten das Anwesen zur Champignon- und Pferdezucht. Das Kloster Andechs erwarb es 1905 und erbaute die Gregorius-Erziehungsanstalt im Pavillonstil und mit Wohngruppen für 130 Jungen, benannt nach dem damaligen Abt Gregor Danner. 1933 kaufte die Ordensgemeinschaft der Redemptoristen die Anlage, nutzte sie als Hochschule für Kleriker und mussten sie in Folge von angeblichem Devisenschmuggel an den Staat abtreten.
Im Haus, in der Landwirtschaft oder in der Werkstatt arbeiten die Inhaftierten tagsüber. Ob Schuhbeck wie einst Hoeneß seiner Arbeit im eigenen Betrieb nachgehen kann, ist unklar. In Rothenfeld jedenfalls muss das Haus sauber gehalten und das Mittagessen, das in Landsberg zubereitet wird, gewärmt und verteilt werden. Diverse Etikettier- und Verpackungsarbeiten für Fremdfirmen warten in den Werkstätten. In der angegliederten Landwirtschaft müssen 900 Hühner, sieben Zie-gen und etwa zwanzig Kühe sowie Kälber versorgt werden. Gelegentlich arbeiten die Männer auch im Wald, verarbeiten Holz für die neue Hackschnitzelheizung. Sie werden eingeteilt, wo sie gebraucht werden.
Vor Corona gab es auch noch einen Gemüsegarten auf der Anlage, doch „dafür fehlt jetzt Personal“, sagt Hausdienstleiter Robert Schulz. Er meint damit nicht die derzeit rund 30 Bediensteten, sondern die Häftlinge. Denn ohne eine ausreichende Zahl ist es in der 101 Personen fassenden Einrichtung nicht möglich, einen Acker zu bestellen. Durch den Rückgang an Häftlingen in der Hauptanstalt Landsberg sind auch weniger Geeignete für den offenen Vollzug darunter, was auch den Verständigungsschwierigkeiten durch die hohe Ausländerquote von 62 Prozent in der JVA Landsberg geschuldet ist.
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Trotz aller Anstrengung, etwa mit Gewaltpräventions- und Sozialkompetenztraining, könne nicht jeder Straftäter resozialisiert werden. Der Ausbildungsbetrieb in der Metallwerkstatt ruht derzeit – mangels intellektueller Eignung, mangels Eignung für den offenen Vollzug und mangels Interesses, wie Groß erklärt.
„Fitness ist gefragt“, nach Feierabend verbringen die Männer in der JVA gerne Zeit im Fitnessraum, beim Kickern, Schafkopfen oder in der Bücherei. Gelegentlich wird musiziert, gemalt und gebastelt. Auch einen Lauftreff gibt es. Dass die Ansprüche allgemein höher werden, erwähnt Hausdienstleiter Schulz in diesem Zusammenhang, es werde nach einem sonnigen Zimmer auf der Südseite oder einer Bräunungscreme gefragt. „Das macht mich zufrieden, denn dann weiß ich, dass es den Häftlingen sonst an nichts fehlt.“
Vertrauen zu den Gefangenen ist wichtig bei der Entscheidung für die Verlegung in den offenen Vollzug in Rothenfeld. Ein schwieriges Unterfangen, wenn man die Sprache des Gegenübers nicht versteht und ihn deshalb nicht einschätzen kann. „Wenn ein Gefangener nicht eingeschätzt werden kann, kann er auch nicht in den offenen Vollzug“, so Groß.
Doch bislang täuschten sich die Verantwortlichen kaum. Viele sind lange dabei, wie Monika Groß, die vor 17 Jahren die Leitung übernahm, und Hausdienstleiter Robert Schulz, der seit 26 in Rothenfeld tätig ist.
Trotzdem kommt es natürlich vor, dass Personen den Anweisungen ihrer Vorgesetzten nicht Folge leisten, Handys in die Anlage schmuggeln, Alkohol konsumieren oder weglaufen. Dann droht Gefahr, in die JVA Landsberg zurückzumüssen. Das schreckt ab. Denn dort sind die Zeiten, in denen die Gefangenen aus ihren Hafträumen und Besuch erhalten dürfen, wesentlich geringer.