In Bayern kommt die Bezahlkarte für Flüchtlinge früher, teilweise bereits ab März
Die Bezahlkarte für Asylbewerber kommt. Dabei geht Bayern einen Sonderweg und führt die Karte schneller ein – erste Modellkommunen testen das Bezahlsystem bereits ab März.
Fürstenfeldbruck - Beschlossen wurde die bundesweite Einführung des Bezahlkartensystems im November 2023 bei einem Treffen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
Während sich die restlichen 14 Bundesländer auf gemeinsame Standards bei einem Vergabeverfahren, das bis zum Sommer abgeschlossen sein soll, einigten, geht Bayern – genauso wie Mecklenburg-Vorpommern – seinen eigenen Weg.
Was das bedeutet, lässt sich auf dem Instagramkanal von Ministerpräsident Markus Söder nachlesen: „Unsere Bezahlkarte kommt schneller und härter“. Denn in Bayern starten bereits im März erste Modellkommunen mit der Einführung der Karten. „Während die gemeinsame Ausschreibung der anderen Bundesländer noch nicht einmal gestartet ist, sind wir bereits mitten im Vergabeverfahren“, betont Verena Gros, stellvertretende Pressesprecherin des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. „Bei uns wird es daher schnell gehen: Ziel ist, den Zuschlag in der zweiten Hälfte des Februars zu erteilen und dann sofort mit vier Pilotkommunen zu starten. Ende März kann diese bayerische Karte im Rahmen des Pilotversuchs im Einsatz sein. Im Lauf des zweiten Quartals werden wir bayernweit ausrollen.“
Anreiz minimieren
Die Zugänge von Asylbewerbern nach Deutschland seien zu hoch und brächten alle Beteiligten an ihre Belastungsgrenze, erklärt das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration. „Wir müssen daher etwaige Pullfaktoren schnellstmöglich senken.“ Durch die Reduzierung der Bargeldauszahlung soll so ein Zuzugsanreiz nach Deutschland genommen werden – auch weil Überweisungen ins Ausland damit nicht mehr möglich sind. „So wollen wir insbesondere auch das Schleuserwesen austrocknen. Daher werden mit der bayerischen Bezahlkarte weder Überweisungen – nicht nur ins Ausland –, noch Online-Käufe und auch keine Transfers zu Money Remittern möglich sein“, so das Staatsministerium.
Asylbewerber bekommen mit der Einführung der Karte einen Teil ihrer Leistungen nicht mehr bar ausgezahlt, sondern als Guthaben. Dabei möchte Bayern strikter vorgehen als andere Bundesländer. „Mit der bayerischen Bezahlkarte wird es etwa – nur soweit gesetzlich zwingend erforderlich – möglich sein, Bargeld abzuheben“, so Gros vom Innenministerium, „Das heißt, wir beschränken den abhebbaren Barbetrag auf das absolute Minimum.“ „Bargeld gibt es nur noch als kleines Taschengeld bis 50 Euro“, konkretisiert Söder den Betrag über seinen Social-Media-Kanal. Abgesehen davon, sollen alle Zahlungsvorgänge wie mit einer EC-Karte über die Bezahlkarte erfolgen. Die Bezahlkarte soll in allen Ankerzentren und auch in den Asylunterkünften der Anschlussunterbringung eingeführt werden.
Der Umstellungsprozess von der Barauszahlung zur Bezahlkarte sei als solcher nicht aufwendig. „Die Mitarbeiter der Leistungsbehörden werden im Vorfeld geschult, wie eine Bezahlkarte im System zu hinterlegen ist“, erklärt Gros. „Zudem wird es sich anbieten, auch die Leistungsberechtigten vorab zu informieren, dafür wird jede Leistungsbehörde einen geeigneten Weg finden.“ Die Pilotkommunen seien dazu bereits eng eingebunden und im Austausch mit dem Bayerischen Innenministerium.
Auswahl der Modellkommunen
Die Pilotkommunen die bereits im März mit der Bezahlkarte starten liegen in Schwaben, Ober- und Niederbayeren. „Bei der Auswahl der Pilotkommunen wurde unter den Kommunen, die ein Interesse dazu bekundet hatten, ein repräsentative Auswahl getroffen“, erklärt das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration auf Anfrage unserer Redaktion das Auswahlverfahren. „So sind insbesondere nicht nur Landkreise dabei, sondern auch eine kreisfreie Stadt, ein Landkreis mit einem Anker-Standort, ein Landkreis, der in einem Ballungsraum liegt, zudem wird der ländlichere Raum abgedeckt“.
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Neben den Landkreisen Günzburg und Traunstein und der Stadt Straubing ist auch Fürstenfeldbruck eine der Modellkommunen.
Auch wenn das Staatsministerium des Inneren beteuert im engen Austausch mit den Pilotkommunen zu stehen, scheinen bisher kaum Informationen zum Ablauf der Umstellung zu Helferkreisen und Asylbewerbern durchgedrungen zu sein. „Mir ist nicht bekannt, inwieweit die Asylsuchenden, die die Bezahlkarte betreffen wird, darüber informiert sind. Über die Einführung und den tatsächlichen Ablauf sind meines Wissens selbst den Hauptamtlichen aus den Beratungsstellen, wie etwa der Caritas, bisher kaum Details bekannt, geschweige denn den Ehrenamtlichen aus den Helferkreisen. Da gibt es sehr viele offene Fragen“, sagt Christiane Tupac-Yupanqui vom Helferkreis Asyl Olching.
Generell sehen Asylhelferkreise die Einführung der Bezahlkarte kritisch. „Bund und Länder haben mit der Einigung zur Bezahlkarte ein Diskriminierungsprogramm verabredet“, prangert Andrea Kothen, Referentin bei Pro Asyl, die Einführung der Bezahlkarte an. Dass Bayern bei der Einführung härter und schneller als andere vorgeht, stößt ebenfalls auf Kritik. Hans Sautmann vom Asylhelferkreis Eichenau und Integrationsreferent des Kreistages hält davon, laut eigener Aussage, „gar nichts“. Es handele sich seines Erachtens um eine Scheinlösung, die alle Geflüchteten diskriminiert, nicht zur Senkung der Flüchtlingszahlen beitrage und enorme Entwicklungskosten verursache. Tupac-Yupanqui ergänzt: „Die Sozialverbände, auch die Caritas, haben sich schon vergangenes Jahr eindeutig gegen die Bezahlkarte positioniert.“
Eine Abschreckungswirkung der Bezahlkarte sehen die Helfer nicht unbedingt. „Aktuelle Studien belegen, dass die Leistungen für Geflüchtete keinen signifikanten Einfluss auf die Fluchtgründe haben, da Krieg, Hunger und Verfolgung im Herkunftsland weit gewichtiger sind als die Frage, ob man hier Bargeld oder Bezahlkarte bekommt“, so Sautmann.
Ungewissheit trifft auf Neugierde
Alfred Münch von der Ukraine-Hilfe in Olching bezweifelt, dass die Bezahlkarte Asylbewerber von der Reise nach Deutschland abhält. Wie sich die Karte auf das Leben der bereits hier angekommen Menschen auswirkt, sei ungewiss: „Welche praktischen Konsequenzen sich für die hier befindlichen Geflüchteten ergeben, wird abzuwarten sein“, sagt er. Auf die schnelle Einführung bis März ist er gespannt: „Gegen eine schnelle Einführung spricht grundsätzlich nichts, wobei ich als IT-erfahrener Mensch sehr gespannt bin, ob die Behörden einen Roll-out bis März hinbekommen und wie weit die Handelsunternehmen dann vorbereitet sind. Es darf zu keinen Verweigerungen von zulässigen Einkäufen kommen, sonst wird es zu Diskriminierungen und justiziablen Zuständen kommen. Es haben sich andere schon an kleineren Aufgaben verhoben. Ich bin neugierig.“