Unfällen vorbeugen: Kuratorium für Alpine Sicherheit und Joachim Herrmann auf dem Brauneck
Lengries - „Nehmen Sie die Gefahren in den Alpen ernst.“ Diesen Appell richtete Joachim Herrmann am Brauneck an alle, die die bayerischen Berge genießen. Denn leider passieren zu viele Unfälle, wie Bayerns Innen- und Sportminister bei der Veranstaltung des Kuratoriums für Alpine Sicherheit vergangene Woche sagte.
Zehn Klopfer aus dem Handgelenk, zehn aus dem Ellenbogen – und nichts passiert. Also noch zehn Schläge aus der Schulter auf das Schaufelblatt, das auf dem rund ein Meter hohen Schneeblock liegt. Zu sehen ist aber auch danach: nichts. „Wir sind hier also sicher“, stellt Thomas Feistl, Chef des Lawinenwarndienstes Bayern, inmitten der Politprominenz und Medienvertreter schmunzelnd fest. Keine Überraschung.
An dem Tag herrschte Lawinenwarnstufe 1, die geringste der fünf Stufen. Wie Feistl zudem deutlich machte, ist es für alle, die sich in den Bergen abseits gesicherter Pisten bewegen wollen, wichtig, den Lawinenlagebericht zu lesen. Doch zur Abschätzung der Gefahr ist dieser „nur ein Baustein“, betonte Feistl. Wer im Gelände wissen möchte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich ein Schneebrett löst, „muss in die Schneedecke reinschauen“. Graben, klopfen, eventuelle Schwachschichten ausmachen. Neben dem von Christian Kanert von der Alpinen Einsatzgruppe der Polizei demonstrierten Extended Column Test (ECT) gibt auch der so genannte kleine Blocktest, den Rolf Frasch von der Bergwacht vorführte, Aufschluss darüber, bei welchen Belastungen sich eine Lawine lösen kann.
„Die Gefahr wird oft unterschätzt“, weiß Joachim Herrmann. Deshalb sei es so wichtig, auf die Risiken hinzuweisen. „Die Aufklärungsarbeit ist entscheidend“, sagte er. Eine tragende Rolle spielt dabei das Kuratorium für Alpine Sicherheit, in dem die wichtigsten Verbände im Bergsportbereich vertreten sind: vom Deutschen Alpenverein über den Deutschen Skilehrerverband bis zum Verband Deutscher Seilbahnen. Das bayerische Innenministerium unterstützt das Kuratorium mit Projektzuschüssen, 2023 flossen 100.000 Euro, wie Herrmann berichtete. Unter anderem wurde ein neues Faltblatt zum Schutz vor Lawinen (abrufbar auf www.alpinesicherheit.bayern) erarbeitet. Außerdem betreut das Kuratorium zusammen mit der Leitstelle Tirol und der Agentur für Bevölkerungsschutz in Bozen die Notruf-App SOS-EU-Alp. Die bayerische Polizei ist mit ihren Bergführern nicht nur im Kuratorium vertreten und arbeitet mit den Verbänden zusammen, im Notfall kommen auch oft Polizeihubschrauber zum Einsatz. Für 145,5 Millionen Euro werden acht neue angeschafft, erklärte Herrmann und kündigte zugleich an, dass auch das Bergwachtzentrum in Bad Tölz weiter ausgebaut werden soll. Er dankte den rund 5.300 Ehrenamtlichen, die sich in der Bergwacht Bayern engagieren.

Sie sind es, die zu Hilfe eilen, wenn etwas passiert. Neben der Vorbereitung, um Unfälle zu vermeiden, gilt es für alle Bergsportler auch, für Notfälle vorbereitet zu sein. Dazu gehört die richtige Ausrüstung. Wer abseits der Piste unterwegs ist, sollte auf alle Fälle ein Lawinenverschüttetensuchgerät tragen, Sonde und Schaufel sowie ein Handy, ein erste-Hilfe-Set und möglichst auch einen Biwaksack dabei haben. Wer von einer Lawine mitgerissen wird, hat zudem mit einem Lawinenairbag bessere Chancen. Die Demonstration, wie die funktionieren, erfolgte auf den Rücken von Joachim Herrmann und Klaus Stöttner. Der Minister und der Vorsitzende des Kuratoriums für Alpine Sicherheit schnallten sich Lawinenrucksäcke um und lösten die Airbags aus.

„Es erfordert Wissen und Können, um links und rechts der Pisten sicher unterwegs sein zu können“, betonte Stefan Winter vom Deutschen Alpenverein. Dass aber immer mehr Menschen auf den präparierten Pisten der Skigebiete unterwegs sind, machte er ebenfalls deutlich. „Pistentouren boomen“, sagte er. Das weiß auch Antonia Asenstorfer, Geschäftsführerin der Brauneck und Wallbergbahnen sowie Vorstandsmitglied des Verbands deutscher Seilbahnen. „Für uns ist das eine große Herausforderung“, sagte sie. An Tagen mit gutem Wetter und guten Bedingungen können zu den 5.000 bis 6.000 zahlenden Gästen noch 1.000 Tourengeher hinzukommen. Mit den meisten gebe es keine Schwierigkeiten, sagte Asenstorfer, doch es gebe „immer mehr, die wenig Erfahrung mit der Natur und dem Skifahren haben“. Dementsprechend kennen sie auch die Regeln nicht, etwa ausgewiesene Routen zu nutzen, am Pistenrand hintereinander aufzusteigen und beim Queren von Pisten auf Skifahrer zu achten. Das größte Problem jedoch sind die nächtlichen Skitourengeher, die sich nicht an Regeln und Sperrungen halten. Die Pistenraupenfahrer seien Nacht für Nacht mit einem „unguten Gefühl“ unterwegs, sagte Asenstorfer. Oft würden die Pistenraupen an bis zu ein Kilometer langen Stahlseilen arbeiten, die im Dunkeln kaum zu sehen sind. „Sie sind auf Hüfthöhe gespannt“, erklärte Asenstorfer. Mit Ski hineinzurauschen, kann schwere und sogar tödliche Verletzungen verursachen. Für die Pistenraupenfahrer bedeutet das psychische Belastung, weshalb Asenstorfer an die Vernunft der Tourengeher appellierte und darum bat, aufeinander Rücksicht zu nehmen. „Für ein möglichst konfliktfreies Miteinander“, wie DAV-Vertreter Winter sagte.

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Sicher auf Tour
Da Pisten in erster Linie den Nutzern von Liften und Seilbahnen zur Verfügung stehen, gilt es einiges zu beachten. Der Deutsche Alpenverein hat zehn Regeln für Pistenskitouren zusammengestellt. Sie sind auf www.alpenverein.de zu finden. Auf der Internetseite gibt‘s auch vielfältige Informationen zum Tourengehen im freien Gelände.
Unter www.lawinenwarndienst.bayern.de ist der aktuelle Lawinenlagebericht abrufbar.
Informationen des Kuratoriums für Alpine Sicherheit gibt‘s auf https://www.alpinesicherheit.bayern/.