Düstere Prognose bei Firmeninsolvenzen: 20.000 Fälle bis Jahresende – Berlin auf Platz 1

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In Deutschland steigt die Zahl der Firmeninsolvenzen weiter an. Bis zum Jahresende könnte die Zahl der Insolvenzen auf etwa 20.000 Fälle steigen. Diese Entwicklung hat mehrere Ursachen.

Berlin – Der Trend steigender Firmenpleiten in Deutschland setzt sich fort: Zwischen Januar und März dieses Jahres meldeten knapp über 5.200 Unternehmen Insolvenz an, was einem Anstieg von gut einem Viertel im Vergleich zum Vorjahresquartal entspricht. Auch im Mai zeigten sich triste Zahlen, mit einem Anstieg der Regelinsolvenzen um 25,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Seit Juni 2023 werden durchgehend zweistellige Zuwachsraten im Vergleichszeitraum verzeichnet. Die Amtsgerichte bezifferten die Forderungen der Gläubiger aus den Unternehmensinsolvenzen im 1. Quartal 2024 auf 11,3 Milliarden Euro, verglichen mit rund 6,7 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum.

Experten-Prognose: 20.000 Firmeninsolvenzen bis Jahresende

Laut Experten, die die neuesten Destatis-Zahlen in einer dpa-Aussendung kommentieren, wird sogar erwartet, dass die Zahl der Firmeninsolvenzen in Deutschland bis zum Jahresende noch einmal steigen wird – auf etwa 20.000 Fälle. Diese Entwicklung wird durch verschiedene Faktoren begünstigt, darunter die anhaltenden Herausforderungen seit der Corona-Pandemie. Auch steigende Energiepreise und Zinsen, die Unternehmen belasten und zunehmend in finanzielle Schieflage geraten lassen, wirken sich dahingehend negativ aus.

Das Jahr setzt daher den Trend des herausfordernden Vorjahres fort: 2023 meldete das Statistische Bundesamt 17.814 Firmenpleiten. Trotz des Anstiegs um mehr als ein Fünftel ist die Zahl laut Experten im Vergleich zu früheren Krisen wie der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2009, als fast 33.000 Unternehmen in Deutschland zahlungsunfähig wurden, noch vergleichsweise niedrig.

„Es fällt schwer, von einer nicht vorhandenen Insolvenzwelle zu sprechen“

„Zehn Monate in Folge gab es jetzt zweistellige prozentuale Zuwachsraten bei den Insolvenzzahlen. Es fällt daher zunehmend schwer, von einer nicht vorhandenen Insolvenzwelle zu sprechen”, kommentiert CRIF Deutschland Geschäftsführer Dr. Frank Schlein den aktuellen Anstieg der deutschen Firmeninsolvenzen. 

Die Anzahl war im 1. Quartal so hoch wie seit 2016 nicht mehr (damals 5.436 Firmeninsolvenzen). Die Prognose für das Gesamtjahr 2024 liegt laut der Analyse des Informationsdienstleisters CRIF derzeit sogar leicht höher bei 20.500 Firmeninsolvenzen. Damit könnten die Firmeninsolvenzen in diesem Jahr ein höheres Niveau erreichen als in den Jahren vor der Corona-Pandemie. „Die Voraussetzungen für die Unternehmen in Deutschland bleiben auch weiterhin schwierig. Ein starkes Auslandsgeschäft oder eine wieder anziehende Inlandsnachfrage, die als Motor der heimischen Unternehmen hätten wirken können, blieben bisher aus. Eine hohe konjunkturelle Dynamik ist nicht in Sicht. Zudem zeigt der private Konsum nur eine leichte Aufhellung und die geopolitischen Risiken bestehen weiter“, so Schlein.

Berlin weist bundesweit die höchste Insolvenzquote auf

Im 1. Quartal 2024 verzeichnete Berlin mit 28 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen die höchste Insolvenzdichte, während der Bundesdurchschnitt bei 17 Pleiten je 10.000 Firmen lag. Hamburg (22), Nordrhein-Westfalen und das Saarland (je 21) rangierten ebenfalls über dem Durchschnitt. Bayern, Brandenburg und Thüringen hatten mit je 12 Insolvenzen je 10.000 Unternehmen die geringste Insolvenzdichte. Absolut gesehen wurden die meisten Firmeninsolvenzen in Nordrhein-Westfalen (1.311), Bayern (717) und Baden-Württemberg (624) gemeldet.

Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die Insolvenzzahlen in 15 Bundesländern, besonders stark in Mecklenburg-Vorpommern (+83,7 Prozent), Brandenburg (+50,7 Prozent), Sachsen (+39,2 Prozent) und Rheinland-Pfalz (+37 Prozent).

Zahlungsmoral deutscher Firmen schlecht: Vorbote für weitere Insolvenzen

Im Mai 2024 analysierte CRIF insgesamt knapp 540.000 Unternehmen hinsichtlich ihrer Zahlungsmoral. Sie ist ein wichtiger Indikator für potenzielle Zahlungsausfälle und kann Vorbote für Insolvenzen sein. Der Informationsdienstleister kommt zu dem Ergebnis, dass sich diese bei deutschen Firmen deutlich verschlechtert hat. In den ersten fünf Monaten in 2024 verzögerten sich Zahlungen durchschnittlich um 26,9 Tage, verglichen mit 19,2 Tagen im Vorjahr.

Schlein beobachtet ein liquiditätsschonendes Verhalten seitens der Firmen. Unternehmen müssten aufgrund dieser Entwicklung länger als geplant auf ihr Geld warten, was dazu führe, dass sie unfreiwillig in die Rolle des Kreditgebers ihrer Kunden geraten würden. Das kann sich wiederum negativ auf die Unternehmen selbst auswirken, die aufgrund verspäteter Zahlungen ihrer Kunden gezwungen sein könnten, auf eigene Investitionen zu verzichten oder eigene Bestellungen nicht rechtzeitig ausführen können. Vor allem klein- und mittelständische Unternehmen geraten so schnell selbst in Schieflage. (tsb mit dpa)

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