Immer mehr Unternehmen rutschen in die Insolvenz: Darum ist der Trend trotzdem „nicht unerwartet“
Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt. Wirtschaftliche und politische Faktoren könnten die Situation verschärfen. Doch ist die Situation wirklich so dramatisch, wie sie scheint?
Berlin - Immer mehr Nachrichten um Firmeninsolvenzen, machen in Deutschland die Runde. Das bestätigen auch die Zahlen des Statistischen Bundesamt. Im Oktober ist die Anzahl an Insolvenzen gegenüber dem Vormonat, sowie dem Vorjahr stark gestiegen. Wirtschaftliche Flaute in Deutschland, sowie das Aus der Ampel-Regierung belasten Unternehmen in Deutschland und könnten laut Deutscher Industrie- und Handelskammer (DIHK) in diesem Jahr noch zu 20.000 Firmenpleiten führen. Doch, ist die Sorge wirklich angebracht? Ein Experte spricht von einer „gefühlten Insolvenzwelle“.

Insolvenztrend für das Jahr 2024 – das sind die Zahlen für den Oktober
Das Statistische Bundesamt meldete, dass es laut den Amtsgerichten im August 2024 insgesamt 1764 beantragte Unternehmensinsolvenzen gab. Die Insolvenzen im Oktober dieses Jahres nahmen um 22,9 Prozent gegenüber zum Vorjahr zu. Dabei wird betont, dass der Antrag für die Insolvenzen meist drei Monate zurückliegt, die Zahlen für den Oktober daher eher für den Sommer sprechen. Besonders betroffen sind die Sektoren Verkehr und Lagerei, sowie das Gastgewerbe und andere wirtschaftliche Dienstleistungen wie Zeitarbeitsfirmen.
Auch die Zahlen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) deuten auf einen allgemeinen Insolvenztrend hin. Für den Oktober notiert das IWH insgesamt 1530 Insolvenzen, also rund 17 Prozent zum Vormonat und 48 Prozent zum Vorjahr. Dieser Wert liege zudem laut der Analyse 66 Prozent über den durchschnittlichen Oktoberwerten in den Jahren 2016 bis 2019 – also vor der Corona-Pandemie. Insgesamt liege der Wert laut IWH über dem Durchschnitt der letzten 20 Jahre.
Experten nennen Gründe für steigende Zahl Insolvenzen – darunter auch Ampel-Aus
Der Leiter der Insolvenzforschung am IWH erklärt die Insolvenzwelle in einer Pressemitteilung als „das Ergebnis eines perfekten Sturms aus langanhaltender konjunktureller Schwäche und drastisch gestiegenen Kosten.“ Als Gründe führt Steffen Müller die schwächelnde deutsche Wirtschaft auf, sowie die steigenden Kosten für Energie und Löhne und die Nachholeffekte der Pandemie. Während einige der mittelständischen Unternehmen während Corona noch durch den Staat gefördert wurden, fehlt ihnen nun an manchen Stellen das Geld.
Das Ampel-Aus, ausgelöst durch die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner (FDP) durch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), setzt darüber hinaus Unternehmen und Verbraucher unter Druck. Die politischen Unsicherheiten halte Unternehmen davon ab, benötigte Investitionen vorerst zu Tätigkeit. Das wieder spreche laut dem Vorsitzenden des Berufsverbands der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) Christoph Niering erstmal für mehr Insolvenzen.
„Gefühlte Insolvenzwelle“: Experte sieht Trend wenig dramatisch
Im Gespräch mit der Wirtschaftswoche zeigt Niering wenig Sorge für die „gefühlte Insolvenzwelle.“ Er erklärt: „Schaut man sich die langjährige Entwicklung der Insolvenzen an, dann erreichen wir nicht annähernd die Zahlen, wie wir sie zu Zeiten der Finanzkrise gesehen haben.“ Der Insolvenztrend sei daher „spürbar, aber eben nicht unerwartet oder dramatisch.“ Als Beispiel referiert er auf die Zahlen des Jahres 2004, damals meldeten rund 39.000 Unternehmen Insolvenz an, das waren fast doppelt so viele Verfahren wie nun für 2024 erwartet werden.