Insolvenzen erreichen neue Höchststände: Auslaufen der Corona-Hilfen nur ein Grund
Die Firmenpleiten in Deutschland sind laut IWH im März auf einem Höchststand. Das Auslaufen der Corona-Hilfen ist ein Grund – doch nicht der einzige.
Berlin – Gestiegene Zinsen, hohe Energiepreise und der Fachkräftemangel belasten die Firmen in Deutschland. Die Anzahl der Firmenpleiten erreichte im März einen Höchststand, wie aus einer Analyse des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervorgeht, die dem Handelsblatt vorlag. Von den Insolvenzen betroffen sind mindestens 11.000 Arbeitsplätze.
Höchststände im März: Die unerwarteten Opfer der Insolvenzwelle
1297 Firmen gingen in Deutschland im März laut IWH pleite – ein neuer Höchststand seit Beginn der Erhebung im Jahr 2016, so das IWH. Allein in den größten zehn Prozent der Unternehmen waren von den Pleiten im März rund 11.000 Arbeitsplätze betroffen. Das entspricht 42 Prozent mehr „als in einem durchschnittlichen März vor Beginn der Corona-Pandemie“, hieß es von den Experten weiter. Angesichts des Personalmangels im deutschen Arbeitsmarkt dürften diese Menschen aber schnell einen neuen Job finden.
Der IWH-Insolvenzforscher Steffen Müller sieht die aktuellen Höchststände auch als Nachwehe der Corona-Hilfen. „Mit den Corona-Hilfen wurden vor allem unproduktive Unternehmen am Leben erhalten, die es nun in einem deutlich schwierigeren Umfeld nicht mehr schaffen“, so der Experte zum Handelsblatt. „Ein Teil der derzeit hohen Insolvenzzahlen ist also durch eine nachholende Corona-Insolvenzwelle zu erklären.“
Zudem würden viele Geschäftsmodelle auf der Annahme niedriger Zinsen basieren. „Die Kalkulation ist mit dem Anstieg der Zinsen 2022 nicht mehr aufgegangen“, erklärte Müller. Interessant ist auch die Aufschlüsselung nach Branchen. Laut dem IWH-Experten seien Branchen wie das Transportgewerbe, aber auch die Industrie, bei Weitem nicht so von Insolvenzen betroffen sind, „wie sich nach den Klagen der Branchen erwarten ließe.“ Stattdessen trafen die Insolvenzen insbesondere den Immobilien- und Bausektor. Im Vergleich zu 2020 gab es zudem ein Plus von 148 Prozent von Firmenpleiten im Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen.
Ende der Corona-Hilfen noch nicht eingepreist? Wie es mit den Insolvenzen weitergeht
Wie es mit den Insolvenzen weitergeht, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten. Das IWH rechnet im Mai, spätestens Juni, mit einem Rückgang der Insolvenzfälle in Deutschland, wie der Forscher Müller dem Handelsblatt sagte. Die Experten des Statistischen Bundesamtes erwarten, dass die Zahl der Insolvenzen im laufenden Jahr auf rund 20.000 steigen wird. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es 17.814. Interessant ist hier der langjährige Vergleich. Während der Finanzkrise im Jahr 2009 waren die Zahlen deutlich beunruhigender: Rund 33.000 Unternehmen gingen damals laut Statistischem Bundesamt pleite.
Das ganze Ausmaß des Auslaufens der Corona-Hilfen ist womöglich noch nicht eingepreist. Zehntausende Unternehmen haben es offenbar bisher versäumt, sich wegen ihrer erhaltenen Corona-Hilfen bei den zuständigen Behörden zurückzumelden. Der Spiegel berichtete unter Berufung auf Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums von deutschlandweit 41.000 fehlenden Schlussabrechnungen. Bis spätestens 30. September haben Firmen mit Fristverlängerung noch Zeit, die Dokumente nachzureichen.
Laut einer Stichprobe des Wirtschaftsministeriums im vergangenen Jahr, erhielten vier von zehn Unternehmen eine Nachzahlung, rund 24 Prozent der Firmen mussten hingegen Hilfe zurückzahlen. Auf die Firmen mit noch fehlender Schlussabrechnung umgemünzt entspräche dies etwa 10.000 Unternehmen, die womöglich nach September staatliche Hilfen zurückgeben müssten. Auch dies könnte Auswirkungen auf künftige Insolvenzen haben.