Posten-Geschacher - Pistorius, ein CSU-Schwergewicht und kaum Frauen: So könnte das Merz-Team aussehen
An den Tagen direkt nach der Wahl sortiert Friedrich Merz seine Regierungs-Themen, aber natürlich auch die Personen und ihre Ämter. Noch ist nichts in Stein gemeißelt, aber die Telefon- und Videokonferenzen auch mit Kandidatinnen und Kandidaten dauern dem Vernehmen nach bis in die Nacht.
Neue Merz-Regierung: Klingbeil und Pistorius in Schlüsselrolle
Es gebe einen Zettelkasten, sagt ein Beteiligter. Gemeint ist eher eine Namensliste im Smartphone des Kanzlers in spe. Und es gibt eine Vorstellung darüber, wie die Ressorts künftig zugeschnitten sind, die bereits vor der Wahl weitgehend festgezurrt worden ist.
Das Amt des Vizekanzlers geht an den Koalitionspartner. Da Lars Klingbeil nach dem Parteivorsitz nun auch den Fraktionsvorsitz erhalten könnte, wird er als mächtigster Mann der SPD wohl nicht unbedingt am Kabinettstisch sitzen.
Dort wird dafür sicher der andere Niedersachse, Boris Pistorius, seinen Platz haben und eben den Vizekanzler machen können. Merz und Pistorius als zwei knorrige Männer mit Durchsetzungskraft könnten ein Bild abgeben, mit der die Deutschen zumindest eine Zeit lang ganz gut leben könnten.
Darüber hinaus könnte Pistorius Verteidigungsminister bleiben – eine Rolle, die deutlich aufgewertet wird, weil nach den US-Ankündigungen zur Zukunft der Nato Merz die europäische Verteidigungsunion stärken wird. Pistorius könnte der Baumeister einer europäischen Nato werden.
Verteidigungs- und Außenministerium: Pistorius im Zentrum der Macht?
Es geht um nicht weniger als einen Iron Dome, der angelehnt an Waffensysteme, die Israel schützen, Europa gegen Russland verteidigen könnte. Bleibt Pistorius Verteidigungsminister, würde die CDU wohl zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert den Außenminister stellen. Es ist ein Amt, nach dem aber auch Pistorius greifen kann, zumal es möglicherweise durch das Entwicklungshilferessort ergänzt wird. Hier ergäbe sich auf diesem Weg die Einsparung eines kompletten Ministeriums.
Der dritte Niedersachse, Hubertus Heil, hat zwar seinen Wahlkreis als Direktkandidat verteidigt. Aber es ist fraglich, ob er weiter in der Bundespolitik eine tragende Rolle spielen wird. Es gäbe möglicherweise zu viele Niedersachsen auf den Top-Posten und Heil als Vollstrecker von Olaf Scholz´ Ansagen zu Bürgergeld und Mindestlohn, machen aus dem SPD-Mann zumindest einen Wackelkandidaten.
Sein Sozialressort wird wohl zerlegt. Der Teil, der das Thema Arbeit steuert, soll – so ist in Unionskreisen zu hören – dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen werden. Dafür könnte das Gesundheitsministerium ins Sozialministerium eingegliedert werden – was noch ein ganzes Ressort sparte. Jens Spahn als ehemaliger Gesundheitsminister bietet sich hier an. Allerdings wird die SPD, die sich als Partei der sozialen Gerechtigkeit nicht völlig aufgeben will, hier ihren Anspruch erheben.
Wirtschaftspolitik: Linnemann und Söder ringen um Einfluss
Das so ausgewertete Wirtschaftsministerium verliert wahrscheinlich auf der anderen Seite seine Zuständigkeit für den Klimaschutz, die beim Umweltministerium landen würde. Der derzeitige Generalsekretär und Treiber beim Grundsatzprogramm der CDU, Carsten Linnemann, wäre ein Kandidat, wenn nicht CSU-Chef Markus Söder hier andere Pläne durchsetzen will.
Söder hat am Wahlabend mit einer einmaligen Geste zweierlei deutlich gemacht: Er war der erste CSU-Chef, der bei einer Bundestagswahl nicht in München blieb, sondern gemeinsam mit dem Unionskanzlerkandidaten in Berlin die Bühne betrat. Das signalisiert: Er steht zu Merz, aber er passt auch auf, dass es so läuft, wie es aus seiner Sicht laufen soll.
CSU setzt auf Schwergewicht Dobrindt
Als gesetzt gilt, dass die CSU mit dem bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner, den Landwirtschaftsminister stellt, auch wenn der schonmal wegen eines Umweltvergehens zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Ministeriabel ist auf jeden Fall auch Alexander Dobrindt, obwohl der als Ex-Verkehrsminister unter Merkel einst auch bei dem unselige Maut-Thema eine Rolle gespielt hatte.
Er hat sich allerdings in den letzten Jahren dem Vernehmen nach eine gute Stellung innerhalb der Union erarbeitet und genießt viel Respekt. Ihm wird nachgesagt, dass er gern in die Fußstapfen von CSU-Parteiikone Theo Weigel als Finanzminister treten wolle. Doch Dobrindt hat schon jetzt als Chef der CSU-Mannschaft im Bundestag eine mächtige Stellung inne: Im Koalitionsausschuss, wo künftig jedes Vorhaben entschieden wird, geht gegen ihn nichts, das ist klar.
Thorsten Frei bald im Innenministerium?
Eine starke Figur in Merz-Kabinett dürfte auch Thorsten Frei werden. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der CDU hat sich in den vergangenen Wochen auffällig oft dem Thema Migration angenommen, was ein Hinweis sein könnte, dass er das Innenministerium anstrebt. Auch als Kanzleramtsminister käme er in Frage.
Dass die Union das Innenressort künftig führen will, scheint klar. Denn dem Ministerium kommt die entscheidende Rolle zu, der AfD in der Migrationsfrage den Wind aus den Segeln zu nehmen und eines der zentralen Versprechen von Merz umzusetzen, die Migrationswende. Geht es an die Union, müsste sie aber auch darauf achten, den Koalitionspartner SPD nicht zu verlieren. Derzeit macht das Wort vom „Dänemark-Modell“ die Runde. Im Nachbarland ist es den Sozialdemokraten durch eine strikte Migrationspolitik gelungen, das Thema wieder glaubhaft zu besetzen.
Was wird aus CSU-Frau Bär?
Bisher deutet sich auf diesen Top-Posten eine reine Männerriege ab. Mit Umwelt, Verkehr, Bauen, Familie und Digitalisierung sind jedoch noch Themenfelder zu besetzen, die die ehemalige CDU-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner genauso interessieren könnten, wie die derzeitige SPD-Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Auch Noch-Ministerin Svenja Schulze könnte in der SPD Ansprüche stellen.
Dorothee Bär wiederum könnte das Thema Digitalisierung übernehmen. Die CSU-Politikerin ist nicht nur Erststimmenkönigin, nachdem sie in ihrem Wahlkreis Bad Kissingen mehr als 50 Prozent holte, sie war auch die bisher einzige Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung im letzten Kabinett von Angela Merkel.
Apropos Merkel: Die Alt-Bundeskanzlerin hat ihrem Nachfolger per SMS „eine glückliche Hand zur Bildung seiner Regierung gewünscht", teilte ihre Sprecherin mit.