„Unverschämter“ Vergleich von Merz macht jetzt in Brasilien die Runde
16.07 Uhr: Für genau einen Tag besuchte Bundeskanzler Friedrich Merz am Freitag vorletzter Woche den COP-Austragungsort Belém – die kurze Zeit hat aber offenbar ausgereicht, um einen bleibenden Eindruck beim Bundeskanzler zu hinterlassen.
„Ich habe einige Journalisten, die mit mir in Brasilien waren, letzte Woche gefragt: Wer von euch würde denn gerne hierbleiben? Da hat keiner die Hand gehoben“, sagte er am Donnerstag beim Handelskongress Deutschland vor Vertretern der deutschen Wirtschaft. „Die waren alle froh, dass wir vor allen Dingen von diesem Ort, an dem wir da waren, in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder nach Deutschland zurückgekehrt sind.“ Man lebe in Deutschland „in einem der schönsten Länder der Welt“.
Die Aussagen des Kanzlers in Deutschland haben es mittlerweile nach Brasilien geschafft – und dort zumindest stellenweise für Empörung gesorgt. Das brasilianische Nachrichtenportal Diário do Centro do Mundo berichtete über Merz' Äußerungen und schrieb von einem „unverschämten Vergleich“. Dem Bundeskanzler zufolge sei Brasilien „also kein Ort, an dem man leben möchte“, hieß es in dem Bericht. „Ein unnötiger Vergleich, den niemand im Saal erwartet hatte, zumal Merz kurz zuvor verschiedene Probleme in Deutschland selbst aufgezählt hatte.“
Auch unter brasilianischen Journalisten machte die Merz-Äußerung in den letzten Tagen die Runde, eine kurze Presseschau allerdings zeigt: Die große Welle der Empörung blieb bislang aus. Kritische Berichte über Merz gab es in den letzten Tagen jedoch gehäuft in brasilianischen Medien, nachdem der Kanzler bei seinem Besuch in Belém keine fixe Summe für die deutsche Beteiligung am Regenwald-Fonds TFFF nennen konnte.
Umweltminister Carsten Schneider (SPD) hat die Gastgeberstadt am Montag hingegen ausdrücklich gelobt. „Am Wochenende hatte ich die Gelegenheit, mir ein erstes Bild von Belém, dieser großartigen Stadt, und der Umgebung, zu machen“, sagte Schneider. „Ich habe extrem viel Engagement gesehen, tolle Menschen, aber auch viel Armut.“
Ein Blick nach Ostdeutschland zeigt, wie sozialer Klimaschutz funktionieren kann
14.55 Uhr: Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) hat bei einer Pressekonferenz im Deutschen Pavillon für eine internationale soziale Klimapolitik geworben. Das Beispiel Cottbus in Deutschland zeige, dass ein sozialverträglicher Kohleausstieg möglich sei.
Das fossile Zeitalter müsse beendet werden, betonte Schneider. Brasilien spiele hierfür eine wichtige Rolle. Es sei richtig, dass Präsident Lula da Silva Belém am Rande des Amazonasbeckens als Austragungsort der COP 30 gewählt habe. „Es unterstreicht die immense Bedeutung des Regenwaldes für die gesamte Welt“, sagte Schneider. „Wir brauchen besondere Maßnahmen, um die 1,5 Grad zu erreichen. Der Klimawandel ist die wichtigste Herausforderung“, sagte Schneider.
Es sei das erste Mal, dass er in Belém sei. Er spüre großen Willen zur Zusammenarbeit, aber er sehe auch viel Armut. "Die Reichen haben Air-Condition, aber was ist mit den Armen? Sie leiden am Hitze-Stress", so der Umweltminister.
Der Übergang müsse daher gerecht gestaltet werden. Alle Menschen müssten mitgenommen, niemand dürfte zurückgelassen werden. Nur wenn dies gelinge, könne Belém ein Erfolg werden, so der Umweltminister. „Soziale Gerechtigkeit ist der Schlüssel für den internationalen Klimaschutz. Wir müssen Jobs garantieren“, sagte Schneider.
Der Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energie sei zwar erfolgreich. „375 Millionen neue Jobs sind weltweit bei Erneuerbaren Energien und Wiederaufforstung geschaffen worden“, sagte Schneider. Das sei von elementarer Bedeutung. Eine erfolgreiche Transformation sei aber auch für Deutschland kein Selbstläufer, deutete der Minister an: „Ich habe in Belém elektrische Autos gesehen, deutsche Marken waren nicht dabei“, sagte Schneider.
Veränderungen bedeuteten weltweit Herausforderungen für die Menschen. Wie die Transformation gelingen könne, zeige das Beispiel Cottbus. Er sei sich darüber bewusst, dass der Kohleausstieg und die Transformation in der Lausitz viel Geld koste, und einer gemeinsamen Kraftanstrengung aller Beteiligten bedürfe: Zivilgesellschaft, Parteien und Gewerkschaften. „Wir unterstützen den Kohleausstieg, wir schaffen neue Jobs. Der saubere Energie-Sektor wächst in Deutschland.“ Dies funktioniere jedoch nur mit Teilhabe, Kompetenz und Akzeptanz. „Nur mit sozialem Dialog und Entschlossenheit werden wir Erfolg haben.“ Eine entscheidende Rolle spielten die Gewerkschaften: Sie "gehören an den Verhandlungstisch. Klimaschutz ist ohne sie nicht möglich“, sagte Schneider in Belém.
Auch Eric Manzi, Vize-Generalsekretär der International Trade Union Confederation, sagte bei der Pressekonferenz, dass das fossile Zeitalter beendet werden müsse, betonte aber auch: „Wir brauchen viel mehr grüne Jobs.“ Deutschland sei ein gutes Beispiel für eine gelungene Transformation, auch in Afrika gebe es Beispiele, aber viel zu wenige. Die Zusammenarbeit sei der Schlüssel für eine erfolgreiche Transformation. „Viele Länder sind dazu aber nicht bereit“, sagte Manzi. „Sie ignorieren die Nationalen Klimaziele.“
Deutschland hingegen stehe zu seinen Verpflichtungen, betonte Schneider. Im Hinblick auf den Fonds zur Rettung des Regenwaldes sagte er: „Jede Hilfe für den Regenwald betrifft auch Deutschland. Es lohnt sich, in ihn zu investieren.“
Australien lehnt gemeinsamen Klimagipfel mit der Türkei ab
Montag, 17. November, 11.15 Uhr: Die zweite Verhandlungswoche der COP30 hat begonnen! Die Zeit wird knapper: Bis Freitag müssen die Delegierten ein Ergebnis erzielen. Gleichzeitig steht noch nicht fest, ob Australien oder die Türkei die nächste Weltklimakonferenz ausrichten wird. Der australische Regierungschef Anthony Albanese lehnte am Montag einen türkischen Vorschlag zur gemeinsamen Präsidentschaft der COP31 ab. "Das ist keine Option", sagte er. Eine geteilte COP-Präsidentschaft sei in dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen nicht vorgesehen.
Die Türkei hatte zuvor für eine Ko-Präsidentschaft mit Australien geworben. Ankara sei aber auch bereit, "die Konferenz unabhängig auszurichten, falls kein Konsens erzielt werden kann", hieß es am Wochenende aus türkischen Diplomatenkreisen.
Australien möchte die Weltklimakonferenz im kommenden Jahr in Adelaide ausrichten, die Türkei pocht auf Antalya als Ausrichtungsort. Die Entscheidung muss bis zum 21. November bei der laufenden Klimakonferenz im brasilianischen Belém fallen. Andernfalls findet die COP31 automatisch in Bonn statt, dem Sitz des UN-Klimasekretariats. Diese Lösung wegen eines fehlenden Konsenses wäre ein beispielloser Vorgang.
Schneider verspricht: Deutschland löst „bald“ sein großes Wald-Versprechen ein
Sonntag, 16. November, 08.56 Uhr: Es ist Restday auf der Weltklimakonferenz! Nach sechs Tagen Verhandlungen auf der COP legen die Verhandler und Beobachter am Sonntag offiziell einen Ruhetag ein. Wohlverdient, da die Verhandlungstage lang und zäh sind. Das scheint auch die Taktik des COP-Präsidenten Do Lago zu sein. Mit langen Konsultationen und intensiven Sitzungen hält er die Delegationen auf Trab, testet ihre Ausdauer und hält seine Schluss-Pläne noch im Hintergrund. Für die kommende Woche dürften die Verhandlungen also hitziger und politischer werden – vor allem mit der „Eintritt der Minister“ in die Gespräche, die derzeit in Belém ankommen.
Auch Umweltminister Carsten Schneider ist seit Samstag vor Ort. Bei einem Besuch einer brasilianischen Parkanlage, die bei der Klimaanpassung helfen soll, wurde Schneider zu Deutschlands noch offenem Versprechen ausgefragt: Wie viel Geld steckt Deutschland in den von Brasiliens Regierung auf der Weltklimakonferenz ins Leben gerufenen Regenwaldfonds?
„Ich habe in den letzten Tagen in Berlin dazu noch die Gespräche geführt und ich hoffe, dass wir in kürzester Zeit auch genau sagen können, in welche Größenordnung das geht“, sagte Schneider (SPD) nach seiner Ankunft in Belém. „Aber Sie können sich darauf verlassen, dass, wenn Deutschland das macht, das ordentlich ist.“
Auf dem Klimagipfel sind die Erwartungen an die Bundesregierung groß, nachdem Kanzler Friedrich Merz (CDU) beim Leader Summit im Vorfeld der COP eine „namenhafte Summe“ aus Deutschland in Aussicht gestellt hatte – und dann ohne konkrete Details abgereist war. Nach dem letzten Koalitionsausschuss sucht man weiterhin nach der genauen Höhe des deutschen Beitrags für den sogenannten „Tropenwälder-für-immer-Fonds“ (TFFF).
Tausende ziehen in farbenfroher Demo durch die Straßen von Belém
18.57 Uhr: Auf dem COP-Gelände sind die Demonstrationsmöglichkeiten mittlerweile deutlich eingeschränkt, für die Stadt Belém gilt das jedoch nicht. Zur Halbzeit der Klimakonferenz haben Tausende Menschen für mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung und den Schutz indigener Gemeinschaften demonstriert. Der „Marsch fürs Klima“ zog am Vormittag (Ortszeit) mit lauten Gesängen und Parolen durchs Zentrum von Belém.
Der große Protestzug in Belém wurde angeführt von Indigenen, die in Brasilien ihre angestammten Gebiete - unter anderem im Regenwald - gegen Agrarkonzerne, Holzfäller und illegale Goldschürfern verteidigen müssen.
Anders als bei den vorangegangenen Klimakonferenzen in autoritären Staaten wie Aserbaidschan oder Ägypten gibt es in diesem Jahr in Belém auch im Stadtgebiet sichtbare Proteste. So tagt parallel zur UN-Klimakonferenz auf dem Gelände der Universität der „Gipfel des Volkes“ („People's Summit“) mit Hunderten Organisationen, Bewegungen und Netzwerken aus Brasilien und dem Ausland.
Erst am Freitag hatten Dutzende Indigene und andere Klimaaktivisten morgens stundenlang den Haupteingang der Konferenz blockiert. Und am Dienstagabend stürmten Indigene und andere Aktivisten sogar die Eingangshalle der eigentlich stark gesicherten Zeltstadt. Sie brachen gewaltsam Türen auf und lieferten sich ein Gerangel mit Sicherheitskräften.
Erstmals spricht die COP über eine unangenehme Klima-Wahrheit
14.31 Uhr: Premiere übrigens bei dieser Weltklimakonferenz: Im Entwurf für einen der sogenannten Abschlusstexte taucht erstmals ein Absatz auf, der die Klima-Problematik bei sogenannten „kritischen Materialien“ würdigt. Dabei handelt es sich um Rohstoffe wie Kobalt, Mangan oder Kupfer, die für Solarpaneele oder Batterien unerlässlich sind – aber nicht selten in den Staaten des globalen Südens unter unwürdigen Bedingungen für Mensch und Natur abgebaut werden.
Dass eine klimaschonende Energiewende zum Teil auch mit Raubbau an der Natur verbunden ist – das ist ein Paradox, über das man in COP-Kreisen bislang nicht so gerne gesprochen hat. Bis jetzt. Im aktuellen Text zum Thema „Just Transition“ (auf deutsch circa: „Gerechter Übergang“) enthält einen Hinweis auf „die sozialen und ökologischen Risiken, die mit dem Ausbau von Lieferketten für saubere Energietechnologien verbunden sind (...).“
Die Initiative geht zurück auf eine Reihe afrikanischer Staaten, aber auch die EU, das Vereinigte Königreich und Australien sprechen sich dafür aus, die Menschenrechts- und Umweltproblematik beim Abbau kritischer Rohstoffe noch stärker in den Blick zu nehmen. Ob die Passage es in den Abschlusstext schafft, ist noch unklar – doch sie wäre eine Premiere in der Geschichte der Klimakonferenzen.
Der kaum lösbare „Adaptation“-Problem
13.23 Uhr: Ein weiterer Streitpunkt ist das ganze Feld „Adaption“, wo es um Anpassungsmaßnahmen für den Klimawandel geht, etwa Staudämme gegen die Fluten oder die Entwicklung hitzeresistener Getreidesorten in der Landwirtschaft. Sie merken schon: „Adaption“ ist also vor allem eine Frage des Geldes. Aufgrund der kriselnden Weltwirtschaft und des Klima-Rückzugs der USA sitzt dieses Geld aber weitaus nicht mehr so locker wie früher.
Diese finanzielle Realität kollidiert in Belém mit der Klima-Realität: Staaten wie der Irak, die Fidschi-Inseln oder auch Gastgeber Brasilien ächzen immer mehr unter den Folgen des Klimawandels, seien es Dürren, Extremwetterereignisse oder der Anstieg des Meeresspiegels. Ein Klimawandel, der vor allem durch Emissionen der reichen westlichen Industriestaaten plus China verursacht wurde. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen braucht die Weltgemeinschaft bis 2035 mehr als 300 Milliarden Dollar jährlich zur Klimafolgen-Anpassung. Derzeit liegt die jährlich mobilisierte Summe bei knapp einem Zehntel dessen.
Klimakonferenz, Tag 6: Jetzt kommen die Minister
Samstag, 15. November, 12.01 Uhr: Herzlich willkommen zum sechsten Tag der Weltklimakonferenz! Das Geplänkel geht zu Ende, langsam wird es ernst. Am heutigen Samstag werden die ersten Minister der UN-Teilnehmerstaaten eintreffen, um den bisher ausgearbeiteten Stand der Dinge in konkrete Ergebnisse zu übersetzen. Auch Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) soll am heutigen Samstag in Belém ankommen.
Auf die Regierungsvertreter kommt eine Menge Arbeit zu, denn das Tempo bei den Verhandlungen ist noch nicht so groß wie die Ambitionen der brasilianischen Gastgeber. Bei vielen Themen sind die Fronten noch verhärtet, und Brasiliens Präsident Lula hat sich darüber hinaus auch noch in den Kopf gesetzt, dass diese COP einen verpflichtenden Fahrplan zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien beschließen soll. Was für das Team rund um COP-Chef André Corrêa do Lago insofern herausfordernd ist, als dass dieses Vorhaben ursprünglich gar nicht auf der Agenda stand.
Erste Ideen, wie das gelingen soll, gibt das schon. Expertinnen und Experten bringen etwa eine Art globaler Hilfstrupp ins Spiel, der Ländern beistehen soll, die einen Ausstieg aus den fossilen Energien planen. Aber von einem Durchbruch ist man noch weit entfernt: Schätzungen zufolge stehen mehr als 60 Länder bereits hinter Lulas Vorschlag, darunter auch Deutschland. Aber für eine Einigung braucht es alle 194 Mitgliedsstaaten.
Das ist am fünften Tag der Weltklimakonferenz passiert
23.04 Uhr: Die erste Woche der Weltklimakonferenz ist fast vorbei, und die Verhandlungen nehmen langsam Fahrt auf. Aber auch die Spannungen außerhalb des COP-Geländes nehmen zu. Das Wichtigste des Tages im Überblick:
- Bitte nehmen Sie den Seiteneingang: Eine Gruppe indigener Protestierender blockierte am Vormittag den Haupteingang zum COP-Gelände, die zehntausenden Teilnehmer mussten einen eilig arrangierten Seiteneingang nutzen. Am Vormittag trat COP30-Präsident Andre Correa do Lago persönlich an die Protestierenden heran, um das Gespräch zu suchen
- Willkommen bei TAFF: Das ambitionierte brasilianische Vorhaben, einen Fahrplan zum weltweiten Ausstieg aus den fossilen Energien zu beschließen, nimmt immer mehr Gestalt an. Der sogenannte TAFF-Plan hat die Unterstützung überraschend vieler Staaten, darunter Deutschland. Aber der Widerstand von Ölstaaten wie Saudi-Arabien ist gewiss.
- Die Briten und der Peinlich-Auftritt: Mit großem diplomatischem Tamtam war das Vereinigte Königreich nach Brasilien gereist – nur um dann eingestehen zu müssen, dass es in das brasilianische Herzensprojekt, den Regenwaldfonds, nichts einzahlen werde. Nun versuchen sich die Briten an einer Kehrtwende, die nicht wie eine aussehen soll.
- Die große Protest-Enttäuschung: Auf der ersten COP in einem demokratischen Land seit 2021 sollte die Zivilgesellschaft endlich wieder die Möglichkeit zu Protesten erhalten – so lautete das Versprechen der brasilianischen Organisatoren. Doch ein eskalierter Protest und ein Brandbrief des UN-Klimachefs reichten, um dieses Versprechen auszuhöhlen.
mit Agenturmaterial
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