Einen „Rekordwert“ vermeldete das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) Ende September: Deutschland habe den „höchsten Beitrag aller Zeiten“ zum internationalen Klimaschutz beigetragen: 11,8 Milliarden Euro. Allein 6,1 Milliarden davon aus Haushaltsmitteln, die von den Empfänger-Ländern nicht zurückgezahlt werden müssen.
Doch wer sind die Empfänger, warum bekommen sie Geld aus Deutschland, und was machen sie damit?
In diesem Jahr kommen die Staaten bei der UN-Klimakonferenz in Belém zusammen, um über den weltweiten Kampf gegen die Klimakrise zu diskutieren.
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Beherrschendes Thema in Belém: Geld
Rückblick: 2015 vereinbarte die internationale Gemeinschaft im Pariser Klimaabkommen, mehr Verantwortung für die Schäden am Klima zu übernehmen, die in den vergangenen 150 Jahren durch Treibhausgase aus Öl, Kohle und Gas entstanden sind.
Die "entwickelten" Länder verpflichteten sich, Entwicklungs- und Schwellenländer zu unterstützen – jene, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leiden und am wenigsten dagegen unternehmen können. Gemeinsam wollten die Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Euro bereitstellen, um Klimaschutzmaßnahmen und Anpassungen in Ländern wie Indien, Bangladesch oder den Philippinen zu finanzieren.
Laut OECD wurde dieses Ziel zwar erst im Jahr 2022 erreicht – mit 115,9 Milliarden Euro aber sogar übertroffen.
Bei der COP29 im vergangenen Jahr in Aserbaidschan beschlossen die UN-Staaten neue „collective quantified goals“ (NCQG): Bis 2035 sollen die Geberländer jährlich 300 Milliarden Dollar zahlen. Vertreter der Entwicklungsländer bezeichneten dies damals als „unzureichend und inakzeptabel“ – ein Thema, das auch auf der Weltklimakonferenz in Belém diskutiert wird. Zusammen mit privaten Investoren sollen es bis 2035 sogar 1,3 Billionen Dollar jährlich werden.
Für zwei Klima-Baustellen braucht es internationale Finanzierung
Die internationale Klimafinanzierung, wie sie auch im Pariser Klimaabkommen verankert ist, basiert auf zwei zentralen Ansätzen: Mitigation (Minderung) und Adaptation (Anpassung).
Mitigation zielt darauf ab, die Treibhausgasemissionen zu begrenzen und klimaschonende Technologien zu fördern, um die globale Erwärmung einzudämmen. Beispiele für solche Maßnahmen sind:
- Ausbau erneuerbarer Energien (Solar-, Wind- oder Wasserkraft)
- Energieeffizienz in Gebäuden, Industrie und Verkehr
- Umstieg auf saubere Antriebssysteme (z. B. Elektrobusse)
- Aufforstung und Waldschutz zur CO2-Bindung
- Dekarbonisierung von Industrieprozessen
Adaptation hingegen hat das Ziel, die Verwundbarkeit von Menschen, Ökosystemen und Infrastrukturen gegenüber den unvermeidbaren Folgen des Klimawandels zu verringern. Beispiele dafür sind:
- Bau von Deichen, Frühwarnsystemen und Hochwasserschutz
- Klimaresiliente Landwirtschaft (dürretolerante Pflanzen, nachhaltige Bewässerung)
- Schutz von Küstenzonen gegen Meeresspiegelanstieg
- Verbesserung der Trinkwasserversorgung bei zunehmender Trockenheit
- Stärkung von Gesundheitssystemen gegen klimabedingte Krankheiten
Deutschland unterscheidet bei der Klima-Finanzierung zudem zwischen Entwicklungshilfen, also Geldern, die zur Unterstützung bereitgestellt werden, und Krediten, die über die KfW ausgezahlt werden und mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen.
Unterstützung für wachsenden Solarsektor in Indien
Ein Beispiel für die Förderung zeigt ein Solarprojekt in Indien: Im Auftrag des Entwicklungsministeriums unterzeichnete die KfW 2023 einen Vertrag über 70 Millionen Euro mit der Staatsbank Indien (SBI) im Rahmen der deutsch-indischen Solarpartnerschaft. Seit 2017 hat die KfW bereits Darlehen in Höhe von einer Milliarde Euro für Indiens Solarenergie-Infrastruktur bereitgestellt.
Mit dem Geld sollen Solaranlagen mit einer Gesamtkapazität von vier Gigawatt sowie Stromleitungen zu Umspannwerken unterstützt werden.
"Die Unterstützung hilft Indien, die Energiewende langfristig zu finanzieren und von deutscher Expertise in Nachhaltigkeit, technischen Standards sowie Umwelt- und Sozialanforderungen zu profitieren", sagt KfW-Pressesprecherin Charis Pöthig gegenüber FOCUS online Earth.
Die Kooperation fördert zudem die Weiterentwicklung lokaler Standards und neue Technologien, etwa eine kombinierte Wind- und Solarkraftanlage mit Batteriespeicher (150 MWh), die Energie rund um die Uhr liefert – auch bei wenig Sonne oder Wind.
"Make in India" soll sich bis zu den 2060er Jahren durchsetzen
Indien ist nach China und den USA die drittgrößte Volkswirtschaft, das Pro-Kopf-BIP liegt jedoch deutlich niedriger. Auf rund 1,5 Milliarden Menschen wird die Bevölkerung laut UN DESA bis in den 2060er Jahren auf 1,7 Milliarden steigen. Bis dahin will Indien zu einer führenden Industrienation werden, unter anderem mit Elektroautos und Produkten der Initiative „Make in India“.
Der Energiebedarf steigt stark – gleichzeitig ist Indien bereits der drittgrößte CO2-Emittent weltweit. Um die Klimaneutralität zu unterstützen, fördert die KfW den Ausbau der Solarenergieinfrastruktur. Laut KfW-Vorstand Christiane Laibach versorgen die Projekte bereits heute fünf Millionen Menschen mit erneuerbarem Strom und vermeiden rund sechs Millionen Tonnen CO2 pro Jahr.
Die Darlehen werden mit Zinsen zurückgezahlt. Pressesprecherin Charis Pöthig betont: „Die Partnerschaften stärken die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, fördern neue Technologien und machen die Investition in den globalen Klimaschutz besonders effizient.“
Deutschland muss es nur richtig machen
Wie ernst es ihr offenbar mit dem Klimaschutz ist, machte die KfW am Donnerstag noch einmal deutlich: Die deutsche Staatsbank schloss auf der UN-Klimakonferenz in Brasilien zehn neue Finanzierungsvereinbarungen in Höhe von knapp 960 Millionen Euro ab. Die KfW fördert damit Projekte zum Waldschutz, zur Abkehr von Kohle, Öl und Gas und unterstützt innovative Unternehmen beim Klimaschutz, wie die Förderbank in Belém mitteilte. Knapp 90 Prozent der 960 Millionen seien Kredite, die zurückgezahlt werden müssen.
Vorstandschef Stefan Wintels sagte, die reichen Länder müssten Lebensräume wie den Amazonas schützen. Der Schutz des Planeten sei eine wesentliche Grundlage für die künftige wirtschaftliche und politische Stabilität von Industrienationen wie Deutschland: „Die Klimaziele von Paris und die Stärkung des deutschen Wirtschaftsraums gehen sehr gut zusammen.“
Deutschland müsse es nur richtig machen, sagte Wintels. Denn auf dem Markt für nachhaltige Technologien habe die Bundesrepublik eine so gute Ausgangsposition wie kaum ein anderes Land. Aktuell liege ihr Anteil am Welthandel bei 13 Prozent – deutlich mehr als Deutschlands Anteil an den weltweiten Exporten insgesamt von gut sieben Prozent.
"Wir wollen gemeinsam hier vorankommen"
Die Bundesregierung unterstützt Klimaprojekte in 80 Ländern. Seit 2017 flossen allein aus Haushaltsmitteln rund 40 Milliarden Euro in den internationalen Klimaschutz, ergänzt durch KfW-Kredite, etwa für Indien. 2024 gingen 54 Prozent der Mittel in Klimaschutz- und 46 Prozent in Anpassungsmaßnahmen, darunter dezentrale Bewässerungssysteme in Mali oder effiziente Kochtechnologien in Kenia und Senegal, wie das Entwicklungsministerium auf seiner Homepage vorstellt.
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) betont, dass die internationale Zusammenarbeit der einzige Weg für effektiven Klimaschutz sei: „Wir wollen gemeinsam hier vorankommen.“ Deutschland bleibe „auch in schwierigen Zeiten ein starker Befürworter des globalen Südens“ und gehöre zu den Top 3 der Geberländer.
Gleichzeitig warnte Radovan in Belém, dass öffentliche Mittel nicht ausreichen und zusätzliche private Finanzierungen nötig seien.
Ministerin mahnt Staaten zu Fortschritten bei der Finanzierung
Die Ministerin mahnte die UN-Staaten zu Fortschritten beim Klimaschutz und der internationalen Klimafinanzierung – auch im eigenen Interesse. Klimapolitik sei „eine Chance und ein wirtschaftlicher Faktor“, sagte Radovan: „Wir schaffen damit Jobs, Innovation und neue Märkte, besonders durch Investitionen in erneuerbare Energien.“ Als Beispiel nannte sie deutsche Kredite für den Betrieb der Metro in São Paulo. Diese wurde nämlich mit Bestandteilen aus Deutschland und von deutschen Unternehmen gebaut. Klimafinanzierung sei eine „Win-win-Situation für alle“.
Die Rekordsumme, die Deutschland im vorigen Jahr für die internationale Klimafinanzierung bereitgestellt hat, sei ein wichtiges Signal für die UN-Klimakonferenz in Belém, sagte der Staatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) im Vorfeld der COP 30. Ob Deutschland das hohe Niveau jedoch halten kann, sei ungewiss. Hintergrund sind erhebliche Budgetkürzungen im Bundesentwicklungsministerium.
Lula braucht dringend Geld für seinen Regenwald-Fonds
Beim Geld sind viele Fragen offen in Belém, was nicht anders zu erwarten war, nachdem im vorigen Jahr in Baku viele Entscheidungen vertagt wurden. Ein Schwerpunkt ist der Tropical Forest Forever Fund (TFFF) des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva. Lula will bei der internationalen Staatengemeinschaft und bei privaten Investoren 125 Milliarden Dollar einsammeln, um den Regenwald dauerhaft zu schützen. Für Lula wird dies "die wichtigste Errungenschaft der COP 30 sein", schreibt der Guardian.
Bundeskanzler Friedrich Merz sicherte bei seinem Besuch in Belém einen „namhaften Betrag“ zu, nannte aber keine konkrete Summe. Umweltorganisationen wie Germanwatch und der WWF fordern für Deutschland 2,5 Milliarden US-Dollar.
Nicht weniger bedeutsam ist die Finanzierung des „Global Goal on Adaptation“, die Frage also, wie Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden können. Laut UNEP benötigen ärmere Staaten bis 2035 jährlich über 310 Milliarden Dollar – zuletzt floss davon nicht einmal ein Zwölftel. Bereits bei der COP29 in Baku hatten Entwicklungsländer die Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen als „unzureichend und inakzeptabel“ kritisiert.
Am Amazonas müssen die UN-Staaten nun Farbe bekennen, wie sie ihr Ziel erreichen wollen, bis 2035 jährlich 1,3 Billionen US-Dollar aus staatlichen und privaten Quellen für den Klimaschutz bereitzustellen. Davon wird, da sind sich Beobachter und Konferenzteilnehmer entscheidend abhängen, ob die COP30 als Erfolg für den globalen Klimaschutz gilt.
Deutschland will sich nicht beirren lassen
Die Frage des Geldes wird in Belém durch den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen nicht eben einfacher zu beantworten – die Lücke beträgt elf Milliarden Dollar. Auch andere Staaten haben ihre Entwicklungshilfe gekürzt, aus der oft Klimaschutz finanziert wird.
Deutschland will seinen Anteil von sechs Milliarden Euro Zuschüssen aus Haushaltsmitteln auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten, sagt Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD). Zugleich räumt sie ein, dass Haushaltskürzungen die internationale Klimafinanzierung belasten. Ihre Lösung: mehr Geber einbeziehen, etwa reiche Golfstaaten, und private Mittel mobilisieren. Für Radovan ist Teil des multilateralen UN-Klimaprozesses, zu dessen Erfolg sie beitragen will: "Wir halten an der 1,5 Grad-Grenze fest", sagte sie in Belém.