„Ich stehe nicht mehr unter Druck“: Rentner (74) erklärt, warum er weiter arbeitet
Was haben Leberkäs mit Spiegelei und das Autohaus Schwarzer in Reitham gemeinsam? Beide sind Konstanten im Leben von Heinz Weis. Der 74-Jährige ist einer von 1,35 Millionen Rentnern, die nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung weiter erwerbstätig sind. Es gibt noch eine Besonderheit im Fall des aus Otterfing stammenden Kfz-Mechanikers.
Er arbeitet noch immer in dem Betrieb, in dem er 1964 im Alter von 14 Jahren seine Lehre begonnen hatte. Warum er seinem Arbeitgeber seit 60 Jahren die Treue hält, erzählt er im Interview.
Herr Weis, Sie sind seit zehn Jahren im Rentenalter. Warum arbeiten Sie weiter?
Weil es mir gefällt. So einfach ist das (lacht.)
Was gefällt Ihnen denn genau?
Ich mag meine Kollegen, das Betriebsklima ist gut. Ich habe beim Senior angefangen, beim Adolf Schwarzer weitergemacht und inzwischen bin ich mit Martin und Karin Schwarzer bei der dritten Generation angelangt. Der Betrieb ist meine zweite Heimat geworden.
Aber sie könnten doch das Leben genießen, statt zu arbeiten?
Ich genieße mein Leben schon, so ist es nicht! (lacht). Ich bin ja nur noch 30 Stunden monatlich hier. Außerdem stehe ich nicht mehr unter Druck bei der Arbeit. Normalerweise arbeite ich dienstags und donnerstags von 8 bis 14 Uhr. Aber wenn es mal nicht klappt, dass ich um 8 Uhr da bin, ist das auch in Ordnung. Ich sag‘ halt vorher dem Chef Bescheid.
Was muss passieren, damit sie aufhören?
Hoffentlich nix! Ich sag‘ Ihnen eins: Ich bin noch gut beieinander. Natürlich bin ich nicht mehr so schnell wie früher. Ich darf auch nicht mehr schwer heben. Winterreifen wechseln geht nicht mehr. Aber ich hole beispielsweise Neufahrzeuge ab, kümmere mich, wenn einer mit seinem Auto liegen bleibt oder heimgefahren werden muss, nachdem er sein Auto zu uns in die Werkstatt gebracht hat. Außerdem führe ich Kundengespräche. Die Leute freuen sich, wenn sie sehen, dass ich immer noch da bin. Ich möchte das machen, so lange es geht. Die Zeit vergeht eh so schnell. Ich weiß, dass mit dem Alter gewisse Dinge plötzlich nicht mehr gehen.
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Sie haben sehr jung das Arbeiten angefangen. Haben Sie nie die Freiheit vermisst, andere Erfahrungen zu machen, als nur berufliche?
Die hab ich ja trotzdem gemacht. Ich habe Fußball gespielt in Otterfing bis zur ersten Mannschaft. Mit dem Verein bin ich viel herumgekommen. 1970 bin ich zur Bundeswehr gegangen, erst nach München, dann zur Spezialausbildung Hydraulik und Elektrik von Panzern in die Luttensee-Kaserne in Mittenwald. Da hab‘ ich meinen 2er-Führerschein gemacht, mit dem man 7,5-Tonner fahren darf. Und so lange ich jung war, bin ich natürlich abends fortgegangen. Auch mit meinem Chef, dem Adi. Da haben wir Sachen erlebt!
Erzählen Sie mal...
Mei, da komm‘ ich ja dann nicht mehr raus aus dem Erzählen, da fang‘ ich gar nicht erst an. (Später, am Ende des Interviews, wird Heinz Weis seinem Chef Adolf Schwarzer augenzwinkernd zurufen: „Adi, ich hab nix erzählt!“)
Warum haben Sie sich für den Beruf des Kfz-Mechanikers entschieden?
Eigentlich hätte ich Elektriker werden sollen bei der Bahn. Aber da waren die Übernahmechancen schlecht. Von 120 Lehrbuben wurden nur 20 übernommen. Mein Onkel, der damals in Warngau das Café Alpenblick geführt hat, hat dann erfahren, dass Schwarzer jemanden sucht. Ich habe mich vorgestellt, und das hat geklappt.
Das heißt, Ihr Onkel hat entschieden, welchen Beruf Sie lernen?
Nein, der wusste nur, dass bei Schwarzer jemand gesucht wird. Mein Vater hat gesagt, ich soll es mir anschauen, und wenn es mir nicht gefällt, dann finden wir schon was anderes. Ich musste nicht, ich wollte. Ich mag Autos. Ich schau‘ mir auch gern das Oldtimertreffen in Maxlrain an. Früher waren die Autos viel markanter. Heute schauen alle irgendwie gleich aus.
Welches Auto fahren Sie?
Einen schwarzen Ford Focus Cabrio, Baujahr 2008. Denn hat mir der Adi besorgt. Er hat gesagt: „WIr kriegen ein schönes Auto für dich!“
Ihre Arbeit hat sich im Lauf Ihres Berufslebens sicher gewandelt...
Als ich 1964 angefangen habe, haben wir ausschließlich draußen gearbeitet, im Sommer wie im Winter. Heute haben wir eine Klimaanlage in der Werkstatt. Früher gab es auch keine Hebebühne, sondern eine Grube, in der man gearbeitet hat. Und für Fortbildungen musste man weit fahren, bis nach Regensburg oder Feuchtwangen. Der Chef hat sehr auf Fortbildungen geachtet, immer wenn ein neues Modell rauskam. Heute finden viele Fortbildungen online statt.
Wie kamen Sie als 14-Jähriger von Otterfing zur Arbeit in Reitham?
Mit der Bahn. Erst einmal musste ich zwei Kilometer zu Fuß zum Otterfinger Bahnhof laufen. In Holzkirchen bin ich umgestiegen, Wartezeit 20 Minuten. Vom Bahnhof Warngau bin ich dann wieder zu Fuß zur Arbeit in Reitham. Bis ich von meinem Vater und der Oma meines Chefs jeweils ein Rad bekam, das ich am Otterfinger und am Warngauer Bahnhof stehen lassen konnte. Mit dem Rad bin ich mittags auch schnell zu meiner Tante ins Café Alpenblick geradelt. Ich habe immer Leberkäs mit Ei gegessen. Immer! Meine Tante hat gesagt: „Bua, der Leberkas muss dir doch schon zu den Ohrwascheln raushängen! Magst nicht mal was anderes probieren?“ Wollte ich nicht. Der Leberkäs mit Ei hat mir halt einfach geschmeckt.
So treu blieben Sie auch ihrem Arbeitgeber. Sogar, als Sie 1972 nach Bad Aibling zogen...
...Ja, meine Frau stammte aus einer Metzgerei in Bad Aibling. Wir haben uns 1968 im Tanzlokal Simone in Marschall kennengelernt.
Warum haben Sie nach Ihrem Umzug den Arbeitgeber nicht gewechselt?
Das bin ich oft gefragt worden. Ich könnte mir dadurch doch täglich zwei Stunden Fahrerei sparen, hieß es. Tatsächlich gab es in Bad Aibling auch zwei Werkstätten. Ich hab mir die schon angeschaut. Aber da ist einfach der Funke nicht übergesprungen.