Große Zustimmung, volle Rückendeckung und ein Fernglas erhielt der bisher jüngste Kemptener Oberbürgermeister-Kandidat bei der Aufstellungsversammlung der Grünen – in luftiger Höhe, auf der Dachterrasse des Bigbox-Hotels.
Kempten – „Auf Nachfrage und in enger Absprache mit Kreisverband und Fraktion möchte ich für euch, für uns 2026 als überparteilicher OB-Kandidat ins Rennen gehen“, begann der jetzige Stadtrat von Future for Kempten seine – auf sieben Minuten begrenzte – Bewerbungsrede.
Er blickte auf sein bisheriges gesellschaftliches Engagement zurück, von seiner Rolle als Oberministrant in St. Lorenz über die Organisation von Fridays-for-Future-Streiks bis zu seinen Erfolgen als Jugendbeauftragter des Stadtrats. Was hat er dabei gelernt? Erstens: „Es lohnt sich, Chancen beim Schopf zu packen, in Verantwortung zu gehen und Dinge zu verändern. Sich selbst einen Ruck zu geben – zu sagen: Das ist eine Möglichkeit und wir machen das jetzt!“ Zweitens: Auf Missstände aufmerksam zu machen sei wichtig, aber man sollte nicht nur über Probleme reden, sondern auch Teil der Lösung sein.
Tartler schilderte, wie die Mitglieder seiner Gruppe – „jung, politisch interessiert und voller Tatendrang“ im Sommer 2019 auf die Idee kamen, mit einer eigenen Liste für die Stadtratswahl zu kandidieren und schließlich mit fünf Prozent der Stimmen in den Personen von Julius Bernhardt und ihm zwei Mandate gewannen.
Grüner OB-Kandidat in Kempten mit fünf Jahre Stadtratserfahrung
„Über fünf Jahre ist das schon her, in denen ich als Stadtrat und Jugendbeauftragter Verantwortung für unsere schöne Stadt übernehmen durfte und noch immer darf“, sagte er. Das Ziel, das er von Anfang an verfolgt habe, „der Jugend eine eigene Stimme in der Stadtpolitik zu geben“, sei durch die Etablierung der Jugendkommission erreicht. Diese befinde sich „mittlerweile in der dritten Legislatur, mit einer regelmäßigen Wahlbeteiligung von mehreren tausend Jugendlichen“.
Was hat er in dieser Legislaturperiode gelernt? Eine wichtige Voraussetzung für gute Entscheidungen sei „das Verständnis für die Sache an sich, aber stets auch für die beteiligten Personen – woher sie kommen, wohin sie gehen wollen und was sie antreibt“. Tartler wies beispielhaft auf ein paar wichtige Erfolge hin: Der Stadtrat beschloss einen quantifizierbaren Klimaplan. „Der ÖPNV fährt mittlerweile nicht nur häufiger, sondern auch elektrisch, die Bahnhofstraße hat eine Umweltspur und auch das Fahrrad wird mittlerweile zumindest etwas konsequenter mitgedacht.“
Andererseits sei in den Bereichen Klimaschutz, nachhaltige Mobilität und Stadtentwicklung „das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht: Ein autofreier Residenzplatz scheitert genauso wenig am Geld, wie die Kronenstraße – hier geht es vielmehr um den politischen Mut und Willen“.
Dominik Tartler will „richtige Prioritäten setzen“
Er wisse: „Die finanziellen Spielräume sind eng.“ Deswegen müsse die Stadt die bisherige Art und Weise, wie sie Dinge tue, auf den Prüfstand stellen, Verhaltensmuster aufbrechen und unbequemen Wahrheiten ins Auge blicken. Das bedeute eine neue Priorisierung. Sich nur auf die Pflichtaufgaben zu konzentrieren, wäre der falsche Weg: „Der Schutz unseres Klimas, unserer Demokratie und unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts muss gerade jetzt grundsätzlich mitgedacht werden“, betonte der OB-Kandidat.
Im Bereich der Bauinvestitionen müsse man aus den Fehlern der Vergangenheit, siehe Kornhaus, lernen: „Wir brauchen wieder Angebote, die realistisch einhaltbar sind und den Mut, auch im Laufe des Projekts einzuhaken und Änderungen vorzunehmen.“
„Vereine verdienen Planungssicherheit und Unterstützung“
„Gut lebt es sich meist nicht da, wo die schönsten Gebäude und Brücken stehen, sondern wo die Straßen voller Menschen sind – bei Faschingsumzügen, Jazzfrühling, Stadtfesten, Freiluftkino, Festwoche, Nikolaus, Weihnachtsmärkten“, fügte er hinzu. Die Stadt sei hierbei auf das starke Engagement von Vereinen und Kulturschaffenden angewiesen und diese verdienten Planungssicherheit und Unterstützung.
Bei der Stadtratsarbeit sei er von der Vielseitigkeit der Menschen, Meinungen und Themen begeistert. Auch unter den aktuellen Umständen sehe er viele Chancen, die man gemeinsam ergreifen könne. Er möchte die Projekte und Prozesse, „gemeinsam mit der Verwaltung digitaler, transparenter und effizienter machen und das Allgäu als Wirtschaftsstandort stärken“. Aber man muss sich darüber im Klaren sein: „Die Herausforderungen von heute lassen sich kaum mehr mit den Ansätzen von gestern lösen.“
Startup mitgegründet
Zu seinem beruflichen Hintergrund erzählte Tartler, dass er nach seinem dualen Wirtschaftsinformatik-Studium in Kempten die Chance ergriffen habe, ein Start-up im Bereich E-Mobilität mitzugründen und die Elektrifizierung von LKW und Busflotten voranzutreiben.
Was er für die Begrünung und Kühlung der Stadt unternehmen wolle, hieß die erste Frage aus der Runde der Mitglieder. Er finde die erarbeitete Klimaanpassungsstrategie toll und möchte zwei Elemente herausgreifen: das Konzept der Schwammstadt und die Schaffung von kleinen grünen Oasen („Pocket Parks“). Für Radwege in der Salz- und in der Haubenschloßstraße kenne er keine perfekte Lösung, entgegnete er auf die nächste Frage, aber er halte es für wichtig, dass man auf den Hauptverkehrsachsen gefahrlos Fahrrad fahren müsse. Eine Temporeduzierung alleine würde dabei schon viel helfen.
Von der Fangfrage: „Kohle oder Atom –Was ist schlimmer?“ ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen: „Da wir den Energiebedarf gut ohne die beiden decken können, stellt sich die Frage in der Praxis nicht“, hieß seine Antwort.
Selbstbewusster Auftritt
Was er anders machen würde als der amtierende OB, wollte jemand wissen. Klare Prioritäten wolle er setzen, die anderswo liegen als bei der CSU: in den Bereichen Klimaschutz, Mobilität, Stärkung der Demokratie und der kulturellen Vielfalt, antwortete der 23-Jährige. Es gibt und es gab OB-Kandidaten, die vorher nicht im Stadtrat waren, sagte er, als er auf seine jungen Jahre angesprochen wurde. Für sein Alter habe er bereits etliche Lebenserfahrungen gesammelt. Ob er sich die Leitung der Verwaltung zutraue? „Ja, sonst würde ich nicht hier stehen“, entgegnete er schlagfertig und wies auf die unterschiedlichen Führungsebenen in der Verwaltung hin und seine Absicht, mit diesen gut zusammenzuarbeiten.
Er erhielt 29 von 30 Stimmen, bei einer Enthaltung. Kreissprecherin Angela Isop und Kreissprecher Marc Holland schenkten dem neuen OB-Kandidaten ein (stilgerecht gebrauchtes) Fernglas, damit er immer „einen schönen Weitblick hat, um die richtigen Entscheidungen zu treffen“.
Feste, Konzerte, Ausstellungen: Was man in Kempten und Umgebung unternehmen kann, lesen Sie im Veranstaltungskalender.
Mit dem Kreisbote-Newsletter täglich zum Feierabend oder mit der neuen „Kreisbote“-App immer aktuell über die wichtigsten Geschichten informiert.