Hitler-Bild und Zeilen aus Wessel-Lied gepostet: Mann wird wegen Volksverhetzung zu Haftstrafe verurteilt

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Ein Wessobrunner wurde wegen Volksverhetzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. © Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Ein Wessobrunner wurde wegen fünf Fällen von Volksverhetzung angeklagt, dann jedoch freigesprochen – wegen eines weiteren muss er aber ins Gefängnis, und zwar ohne Bewährung.

Wessobrunn – Ungewohnte Vorsichtsmaßnahmen begleiteten den Prozess vor dem Weilheimer Schöffengericht. Sogar eine zweite Sicherheitsschleuse wurde eingerichtet. Doch es wurde kein Verbrecher-Clan vorgeführt: Ein Mann in Tracht nahm auf der Anklagebank Platz. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft offenbarte allerdings weit mehr als eine Bagatelle.

Auf einem Account des Messengerdienstes Telegram soll der Angeklagte in sechs Fällen rechtspopulistisches und verschwörungstheoretisches Gedankengut sowie Nazi-Symbole verbreitet haben. Bilder von Adolf Hitler, Verharmlosung der Novemberpogrome im Jahr 1938 und in einem Gedicht verpackte Teile des verbotenen „Horst-Wessel-Lieds“ waren zwischen 2022 und 2023 auf der Seite hochgeladen worden und hatten dabei knapp 20 000 Follower erreicht.

Gedicht mit Phrasen eines nationalsozialistischen Liedes

Der Verteidiger gab im Namen seines Mandanten eine Erklärung ab. „Historisch interessiert“ sei der Wessobrunner und zudem ein bekennender Patriot. Mit Ausnahme des Beitrags, der ihn mit militärischem Gruß an einem Armee-Denkmal zeigt und textlich von einem eigenhändig verfassten Gedicht begleitet wird, bestritt der Angeklagte, die Nachrichten selbst abgesetzt zu haben. Das Gedicht beinhaltet mitunter Phrasen jenes besagten nationalsozialistischen Lieds, das zu NS-Zeiten gar zur Parteihymne der NSDAP aufgestiegen war. Die Auszüge wären ihm beim Dichten zufällig „in den Sinn gekommen“, gab er über seinen Verteidiger zu Protokoll.

Tatsächlich stimmen nur kurze Phrasen mit dem Kampflied der SA überein. Reißt man einzelne Zeilen aus dem Kontext, könne man auch Verse der deutschen Nationalhymne dem rechten Spektrum zuordnen, bemerkte der Verteidiger. Die Einbettung der Zeilen in seinem von Ehrfurcht und Stolz geprägten Gedicht rechtfertigte der 30-Jährige mit seinem tief verwurzelten christlichen Glauben.

Federführend für Telegram-Account soll ein Mann vom Balkan sein

Auf dem Telegram-Account, der in seinem Titel auch das Wort „Zeitgeschichte“ führt, sei er nur einer von acht Betreibern gewesen. Federführend betreibe ein Gustl M. den Account vom Balkan aus, hieß es in der Stellungnahme. Daraufhin legte der Verteidiger den Screenshot einer Liste vor, die angeblich die übrigen Strippenzieher beinhaltet.

Die geladenen Polizisten mussten im Laufe der Verhandlung eingestehen, faktisch keinen handfesten Beweis liefern zu können, der den Wessobrunner als Urheber der restlichen Dateien überführen würde. Da Telegram für gewöhnlich keine näheren Informationen herausgebe, kämen – schenkt man dem Screenshot sowie den Äußerungen des Beschuldigten Glauben – auch die übrigen sieben Betreiber des Accounts für das Posten der Bilder infrage.

Staatsanwältin von Schuld des Angeklagten überzeugt

Weil diese nebenbei auch in Sachbüchern zu finden sind, wollte der Verteidiger wissen, ab wann die Ermittlungsbehörde historische NS-Aufnahmen überhaupt als strafbar einstufe. Immerhin hätten sich die Bücher der Aufklärung verschrieben. Ebenso führe der besagte Account das Wort „Zeitgeschichte“ im Titel.

Dem Wessobrunner war man durch ein Verfahren in Niedersachsen auf die Schliche gekommen. Dort hatte jemand auf einen vergleichbaren Vorgängeraccount verwiesen, dessen Betreiber nachweislich der Angeklagte gewesen sei.

Für die Staatsanwältin stand abschließend fest, dass der Angeklagte die Bilder veröffentlicht hatte. „Die Einlassung wirft mehr Fragen auf, als sie löst“, sagte sie. Wegen seiner schlechten Qualität sprach sie dem Screenshot zudem keinen Beweiswert zu.

Drei Jahre Haft gefordert

Auch aufgrund des Gedichts, das dem Nazi-Lied teilweise „zum Verwechseln ähnlich“ sei, sowie wegen zahlreicher Vorstrafen forderte sie drei Jahre Haft. Der Verteidiger steuerte vehement dagegen und plädierte auf Freispruch. Es sei „Aufgabe der Anklage, die Tat nachzuweisen“. Bislang berufe man sich lediglich auf „reine Mutmaßungen“, erklärte er. Auch Richter Lars Baumann sagte, „es bleibt eine starke Vermutung, aber keine Gewissheit“.

Das Gedicht mit seinen Parallelen zum Kampflied der Nazis blieb allerdings nicht ohne rechtliche Folgen. Dafür bekam der Angeklagte eine Freiheitsstrafe von neun Monaten – ohne Bewährung. Der christliche Hintergedanke wirke „eher vorgeschoben“, so der Richter.

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