Bürgergeld-Sanktionen: Bas zwingt ihrer Partei eine heikle Entscheidung auf

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag ist eindeutig. "Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um", heißt es dort. Und: "Jede arbeitslose Person hat sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen".

Der SPD dürfte diese Vereinbarung nicht leichtgefallen sein. Schließlich betrachtete sie die Ablösung von "Hartz IV" durch das wesentlich großzügigere Bürgergeld als Glanzstück der Ampel-Regierung.

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Bürgergeld-Sanktionen: Bas sieht es anders 

Allerdings sah selbst SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil recht bald ein, dass das Bürgergeldsystem es arbeitsunwilligen Empfängern zu leicht macht, ohne Arbeit durchs Leben zu kommen. Schon er plante schärfere Sanktionen für solche Bezieher, deren Bereitschaft zum Arbeiten zweifelhaft ist.

Seine Nachfolgerin Bärbel Bas, auch designierte Co-Vorsitzende der SPD, sieht das anders, was sicher ganz im Sinn der SPD-Linken ist. Im Deutschlandfunk nannte sie es eine falsche Annahme, dass sich mit Sanktionen gegen unkooperative Empfängerinnen und Empfänger viel Geld sparen lasse. "Die sogenannten Totalverweigerer sind eine geringe Anzahl", sagte Bas. "Die Sanktionen werden nicht helfen",

Die neue Arbeitsministerin will vielmehr durch stärkere Kontrollen den Bürgergeld-Missbrauch durch eine Kombination von "Stütze" und Schwarzarbeit angehen. Auch sollen Terminversäumnisse von Bürgergeldbeziehenden beim Jobcenter härter geahndet werden.

CSU pocht auf Reform des Bürgergelds

Bas‘ Zweifel an der Wirksamkeit von Sanktionen haben bei der CSU sofort Widerspruch ausgelöst. CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte der "Augsburger Allgemeinen", die Realität in den Jobcentern sei dramatisch. "Da werden von einem relevanten Teil der Leistungsempfänger Arbeitsangebote immer wieder abgelehnt und Termine geschwänzt."

Die CSU pocht deshalb auf eine weitreichende Reform des Bürgergelds. Hoffmann: "Neue Grundsicherung bedeutet Systemwechsel und nicht Bürgergeld mit neuem Namen", sagte er. "So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart."

Die Union, allen voran CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, hatte im Wahlkampf für die Abschaffung des Bürgergeldes plädiert. Allerdings beharrte die SPD darauf, weiterhin das Arbeitsministerium zu besetzen. Offenbar will sie so verhindern, dass Sanktionen gegen arbeitsunwillige Leistungsbezieher zu hart ausfallen.

Wegfall von Sanktionen = weniger Vermittlungen

Bei der Umgestaltung von "Hartz IV" zum Bürgergeld zum 1. Juli 2022 hatte die Ampel ein "Sanktionsmoratorium" in Kraft gesetzt. Das bedeutete: Kürzungen bei Pflichtverletzungen wie der Ablehnung eines Arbeitsangebotes oder Abbruch einer Weiterbildungs­maßnahme wurden für die Dauer eines Jahres ausgesetzt.

Das blieb nicht ohne Folgen. Nach Angaben der Arbeitsmarktforscher bei der Bundesagentur für Arbeit führte der Wegfall von Sanktionen zu weniger Vermittlungen von "Stütze"-Empfängern in Jobs. Mit anderen Worten: Ohne den Druck einer möglichen Kürzung verzichtete mancher darauf, eine Arbeit aufzunehmen.

Nun ist es sicherlich nicht die Regel, dass Bürgergeld-Bezieher jeden Trick anwenden, um ja nicht arbeiten zu müssen. Doch können auch die, die von der Arbeit und den Steuern anderer leben, rechnen. Und sie sehen sehr genau, ob und in welchem Umfang Arbeit sich lohnt.

Bas irrt: Wegen Bürgergeld wird der Fleißige schnell zum Dummen

Von ganz wenigen Konstellationen abgesehen hat derjenige, der Vollzeit arbeitet, netto mehr als jemand, der nichts tut. Doch sind bei Alleinerziehenden oder Alleinverdienern mit mehreren Kindern die Unterschiede zwischen Niedriglohnjob und Bürgergeld oft lächerlich gering. Da wird der Fleißige schnell zum Dummen.

Es ist ja keineswegs nur die Union, die schärfere Sanktionen fordert. Auch viele Ökonomen tun dies. Umfragen bei Beschäftigten der Jobcenter haben ergeben, dass diese in schärferen Sanktionen eine Möglichkeit sähen, Bürgergeldempfänger eher zur Arbeitsaufnahme zu bewegen.

Vielleicht sollte die Arbeitsministerin sich mal mit dem bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Ralf Mützenich austauschen. Der hatte im vergangenen Wahlkampf zu bedenken gegeben: "Vielleicht halten sich manche Menschen zu lange im Bürgergeldsystem auf".

Es hörte sich wie ein Angebot an die Union an

Mützenich fand es deshalb notwendig, "nicht durchgehen zu lassen, wenn jemand das System ausnutzt. Sollten wir Gelegenheit dazu haben, würden wir in einer neuen Regierung nachsteuern."

Das hörte sich wie ein Angebot an die CDU/CSU an, nach der Bundestagswahl gemeinsam den überbordenden Sozialstaat zu reformieren. Die künftige SPD-Co-Vorsitzende und Arbeitsministerin Bas scheint das anders zu sehen.

Bei Bas scheint nicht angekommen zu sein, was mit dazu beigetragen hat, dass die SPD unter den Arbeitnehmern so viele Wähler verloren hat: weil immer mehr in der SPD die Interessenvertretung der Nicht-Arbeitenden sehen. Eine Abkehr vom großzügigen Bürgergeld könnte diese Einschätzung abgewanderter SPD-Wähler verändern – sofern die SPD das wirklich will.