Nato-Übung an Ostflanke: Ukraine-Soldaten lehren Anti-Putin-Kampf
Das ukrainische Militär hat bei der Nato-Großübung „Siil“ wertvolle Kampferfahrungen mit Estland geteilt. Der Grund: Die Bedrohung durch Putin wächst.
Tallinn – Auch wenn die Verhandlungen zum Ende des Ukraine-Kriegs zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin andauern, die Nato bereitet sich auf alle Szenarien vor. Vor allem Estland, das im Osten direkt an Russland grenzt, holte sich jetzt Verstärkung für die Auffrischung der Kampferfahrung durch die Ukraine.
Ukraine bei Nato-Großübung in Estland: Kiew präsentiert nächste Generation der Kriegsführung
Laut Euronews nahm das ukrainische Militär an der Übung „Siil“ der estnischen Verteidigungsstreitkräfte in Estland teil. Mehr als 16.000 Soldaten aus Nato-Ländern übten die verschiedensten Kampfmanöver. Außerdem hat das ukrainische Militär sein digitales Gefechtsfeldmanagementsystem Delta und eine Reihe von Drohnen nach Estland gebracht, um die nächste Generation der Kriegsführung zu demonstrieren.
Schließlich haben die Ukrainer in drei Jahren Krieg gelernt, wie wichtig es ist, Gebiete in der Nähe der Frontlinie zu kontrollieren, und die Drohnen helfen ihnen genau dabei. „Die alte Taktik, bei Tageslicht in großen Kolonnen zu manövrieren, ist auf dem Schlachtfeld nicht mehr durchführbar“, zitiert Euronews Major der Reserve Sten Reimann. „Im schlimmsten Fall können wir bis zum Abend eine ganze Brigade oder zumindest einen Großteil ihrer Kampfausrüstung verlieren“.
Estnisches Militär lobt ukrainische Technik: Nato-Land erwägt Übernahme des Abwehrsystems Delta
Das estnische Militär lobt das ukrainische System, das unter realen Kampfbedingungen entwickelt wurde, und erwägt dessen Übernahme. „Wir diskutieren über die Übernahme dieses Systems in Estland, aber es liegt nicht an mir. Die Gefechtsfeldmanagementverfahren müssen überarbeitet werden, und Delta bestätigt dies. Wir sind nicht in der Lage, eine solche Kommandolösung selbst zu entwickeln, wenn wir nicht über die besten Praktiken der Gefechtsfeldverwaltung verfügen. Und die Ukrainer haben das bereits hinter sich“, so Reimann.
Rund 800.000 russische Soldaten werden nicht einfach von der Front nach Hause zurückkehren und von 200 Euro im Monat leben.
Zuvor hatten die estnischen Behörden wiederholt auf die wachsende Bedrohung durch Russland hingewiesen. Erst Mitte Mai ist ein russisches Kampfflugzeug in den Luftraum des Nato-Mitgliedsstaates eingedrungen. Das sei eine „ernsthafte Bedrohung“, erklärte der estnische Außenminister Margus Tsahkna damals im Onlinedienst X (ehemals Twitter). Der Vorfall sei „ein neues Beispiel“ dafür, dass Russland nicht nur eine Bedrohung für die „Ukraine, sondern für die gesamte Nato“ sei.
Und auch der Verteidigungsminister des Landes, Hanno Pevkur, warnte kürzlich, dass die Bedrohung nach dem Ende des Krieges in der Ukraine weiter zunehmen werde, da Moskau seine Streitkräfte neu verteile. „Rund 800.000 russische Soldaten werden nicht einfach von der Front nach Hause zurückkehren und von 200 Euro im Monat leben“, sagte Pevkur. „Sie werden wahrscheinlich weiterhin von der russischen Armee bezahlt werden; derzeit erhalten sie zwischen 2.000 und 3.000 Euro pro Monat. Das bedeutet, dass die Bedrohung für uns zunehmen wird, wenn die Kämpfe in der Ukraine aufhören.“
Verhandlungen zum Ende des Ukraine-Kriegs stocken: Putin könnte Nato im Jahr 2027 angreifen
Dass Putin nach dem Ende des Ukraine-Kriegs tatsächlich einen Nato-Staat angreifen könne, ist laut einer neuen Einschätzung einer führenden Denkfabrik zufolge nicht unwahrscheinlich. Bereits im Jahr 2027 könnte Russland „eine erhebliche militärische Herausforderung für die NATO-Verbündeten, insbesondere die baltischen Staaten, darstellen“, erklärte das in London ansässige Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) in einem Mitte Mai veröffentlichten Bericht. Laut dem Thinktank hänge Russlands Fähigkeit, das Bündnis herauszufordern, davon ab, ob es der Trump-Administration bald gelinge, den erbitterten Krieg in der Ukraine zu beenden und die USA mit dem Austritt aus der NATO beginnen.

Aktuell stocken die Verhandlungen zum Ende des Ukraine-Kriegs, nach dem Telefonat von Trump und Kremlchef Putin am Montag (19. Mai). Die USA warten wohl auf einen Vorschlag aus Moskau für eine Waffenruhe in der Ukraine. Putin habe gesagt, dass Russland einen Vorschlag unterbreiten werde, der zu einer Waffenruhe führen werde, was dann zu einer breiteren Verhandlung führen werde, sagte US-Außenminister Marco Rubio bei einer Anhörung in einem Ausschuss des US-Senats in Washington.
Rubio sagte nun, aus dem Kontext des avisierten russischen Vorschlags werde man dann wissen, wie die Denkweise der Russen sei und wo sie stünden. „Ich denke, Putin wird immer dann einen Deal eingehen, wenn er glaubt, dass dies in seinem besten Interesse ist, für das Land, für Russland und für seine Sicht der Welt“ (bg/dpa).