Gefährliche Allianz zwischen Kim und Putin: Greift Südkorea jetzt nach der Atombombe?
Südkorea sieht sich von Kim Jong-un und Wladimir Putin bedroht. Eine Mehrheit der Südkoreaner will deshalb nuklear aufrüsten, auch Präsident Yoon flirtet mit der Bombe.
Das hochgerüstete Nordkorea als Verteidiger von „Frieden und die Sicherheit in der Welt“: Nach dem ersten Test einer Interkontinentalrakete seit fast einem Jahr feierte sich das Regime in Pjöngjang vor ein paar Tagen in typischer Propaganda-Manier als „verantwortungsbewusster Atomwaffenstaat“. In anderen Hauptstädten dieser Welt hingegen, von Seoul über Tokio bis Washington, ließ der Test die Alarmglocken läuten. 86 Minuten und damit so lange wie nie zuvor flog das Geschoss über das Japanische Meer. Theoretisch könnte eine solche Rakete mit einem Atomsprengkopf bestückt werden und nicht nur den verfeindeten Nachbarn Südkorea, sondern auch das gesamte US-Festland treffen.
Der Test war die neueste Machtdemonstration von Diktator Kim Jong-un, der sich durch seine Allianz mit Russlands Präsident Wladimir Putin so stark wie nie fühlen dürfte. Im Sommer hatten Kim und Putin in Pjöngjang einen Verteidigungspakt geschlossen, der nun offenbar dazu führt, dass Nordkorea Tausende Soldaten nach Russland schickt. Nach US-Angaben stehen bis zu 8000 Mann nahe der Grenze zur Ukraine, ein Einsatz stehe kurz bevor, heißt es aus dem Pentagon.
Im Gegenzug für die militärische Unterstützung könnte Kim Jong-un von Putin Hilfe für sein Atomprogramm erbitten, sagte Südkoreas Verteidigungsminister Kim Yong-hyun vergangene Woche. Schon jetzt dürfte Nordkorea über bis zu 50 Atomsprengköpfe verfügen, zuletzt hatte das Regime 2017 einen Atomtest durchgeführt.
Bedrohung aus Nordkorea: Südkoreas Präsident flirtet mit der Bombe
Angesichts dieser Bedrohung werden in Südkorea Rufe nach dem Bau einer eigenen Atombombe lauter. Der prominenteste Befürworter von Nuklearwaffen ist Yoon Suk-yeol, Südkoreas konservativer Präsident. Mit Blick auf Nordkorea sagte Yoon bereits 2023: „Es ist möglich, dass sich das Problem verschärft und unser Land taktische Nuklearwaffen einführt oder sie selbst baut.“ Und im Februar bekräftigte er: „Es würde nicht lange dauern, Atomwaffen zu entwickeln, wenn das Land es so will.“ Im Juli dann gründeten mehrere Abgeordnete des südkoreanischen Parlaments ein „Forum für Nuklearstrategie“ – mit dem Ziel, das Land nuklear aufzurüsten. „Es kann nicht genug betont werden, wie wichtig eine größere Unabhängigkeit bei den nationalen Verteidigungsfähigkeiten ist“, erklärte der Abgeordnete Kim Gi-hyeon von der regierenden People Power Party.
Für Oh Se-hoon, Bürgermeister der Hauptstadt Seoul und Vertrauter von Präsident Yoon, sind allein schon die Müllballons, die Nordkorea seit Monaten über die Grenze schickt, Grund genug für eine nukleare Aufrüstung: „Wenn ich mir den fünften Ballon mit Müll und Fäkalien anschaue, der heute eingetroffen ist, dann kann ich nicht anders, als zu denken, dass wir auch Atomwaffen entwickeln sollten“, erklärte Oh im Sommer.

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„Diese Diskussionen sind nicht wirklich neu“, sagt Patrick Köllner, Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien in Hamburg im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Bis vor ein paar Jahren wurden sie vor allem in ultranationalistischen Kreisen geführt. Der Unterschied ist: Heute sind sie im Mainstream angekommen.“ Wie mehrheitsfähig der Flirt mit der Bombe ist, zeigen immer wieder Umfragen. Im Februar etwa ergab eine Befragung von Gallup Korea, dass knapp 73 Prozent der Südkoreaner der Meinung sind, ihr Land solle eine eigene Atombombe entwickeln.
Atomangriff aus Nordkorea: Würden die USA eingreifen?
Schon in den 70er-Jahren hatte Seoul ein geheimes Atomprogramm verfolgt, die Pläne nach Druck aus den USA aber fallengelassen. Washington versprach den Südkoreanern seinerzeit, sie im Falles eines Angriffs des Nordens zu verteidigen. Zu diesem Zweck stationierten die Amerikaner Atomsprengköpfe in Südkorea – die sie 1991 allerdings abzogen. Die Hoffnung der US-Regierung damals: Pjöngjang lasse sich so davon abhalten, eigene Atombomben zu bauen. 15 Jahre später allerdings, im Oktober 2006, führte das Kim-Regime einen ersten Atomtest durch und erklärte sich zur Nuklearmacht. Fünf weitere Tests folgten.
Zwar steht Südkorea noch immer unter dem atomaren Schutzschirm der USA. Bei einem Staatsbesuch von Yoon im vergangenen Jahr erklärte US-Präsident Biden, jeder Atomangriff des Nordens würde das „Ende“ des Regimes in Pjöngjang bedeuten. Dass die Amerikaner einen nuklearen Angriff auf Seoul aber mit Atomwaffen beantworten – und damit womöglich ihre eigenen Städte einer Attacke von Kim Jong-un aussetzen – halten immer weniger Menschen in Südkorea für wahrscheinlich. Der Gallup-Umfrage zufolge glauben nur 39 Prozent der Befragten an eine nukleare US-Intervention. Was auch daran liegt, dass Donald Trump in der Vergangenheit den Abzug der US-Soldaten aus Südkorea gefordert hatte.
„Wenn der politische Wille da ist, kann Südkorea in wenigen Jahren eine Atombombe haben“
Eine eigene Atombombe könnte Südkorea Köllner zufolge relativ schnell entwickeln. „Südkorea hat bereits eine zivile Nuklearindustrie. Das ist eine zentrale Voraussetzung.“ Auch verfüge das Land über die technischen Grundlagen, um in kurzer Zeit Raketen zu bauen, die sich mit nuklearen Sprengköpfen bestücken ließen. „Wenn der politische Wille da ist, kann Südkorea in wenigen Jahren eine eigene Atombombe haben“, so Köllner.
Widerstand gegen den Bau einer Bombe kommt von der Demokratischen Partei, der größten Oppositionspartei im Land. Von einer „extrem gefährlichen“ Diskussion spricht etwa der DP-Politiker Jung Chung-rae. Sollte sich Seoul tatsächlich entscheiden, eigene Sprengköpfe zu bauen, müsste das Land den Atomwaffensperrvertrag verlassen, dem es 1975 beigetreten war. „Das wäre ein Bruch globaler Regeln“, so Asien-Experte Köllner.
Der Image-Verlust für Südkorea wäre immens, das exportorientierte Land würde wohl mit internationalen Sanktionen belegt werden. Nicht zuletzt aber wäre es für Nordkoreas Diktator Kim Jong-un ein Vorwand, sein eigenes Atomprogramm voranzutreiben. Köllner hält es auch deshalb für wahrscheinlicher, dass die USA wieder Atomsprengköpfe nach Südkorea verlegen. „Nur wenn die Verlässlichkeit der USA ganz klar infrage stünde, wird eine eigene Bombe zu einem echten Thema.“