„Tierquälerei am helllichten Tag“: Aktivistin kritisiert Ochsenrennen - Tierarzt widerspricht

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18 Ochsen standen am vergangenen Sonntag im Mittelpunkt des Interesses beim Münsinger Ochsenrennen. Eine Tierschützerin kritisiert den Umgang mit den Tieren. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Eine Aktivistin kritisiert das Ochsenrennen in Münsing scharf. Sie hält das Event für Tierquälerei und postet Videos. Der Organisator nimmt die Kritik gelassen hin.

Für die meisten Besucher war das Ochsenrennen am vergangenen Sonntag in Münsing eine große Gaudi. Für Scarlett Treml nicht. So gar nicht. Und sie glaubt: Den Hauptdarstellern gefiel das Riesenfest genauso wenig. Treml ist nicht bloß interessierte Zuschauerin gewesen. Treml hatte eine Kamera dabei, eine Begleiterin und einen Glaubensgrundsatz: Sie ist Aktivistin der Gruppe „Animal Rebellion“, protestiert gegen Ausbeutung und Misshandlung von Lebewesen. Was sie beim Ochsenrennen erlebt hat, hat sie „extrem schockiert“.

Als sie hörte, dass sich über 10 000 Menschen auf dem Land in Oberbayern treffen wollen, um Ochsen zu reiten, beziehungsweise dabei zuzusehen, entschied Treml, sich das aus nächster Nähe ansehen zu wollen. Die Agrarwissenschaftlerin weiß: „Es gibt auf dem Land ein anderes Verhältnis zu Tierhaltung und Tieren als in der Stadt.“ Und auch dazu, was man den Viechern zumuten kann und was nicht. Sie findet: „Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, Ochsen bei 30 Grad zu einem Wettrennen zu zwingen“, außer vielleicht sich selbst auf Kosten der Tiere zu belustigen. Dass die Tiere darauf keine Lust haben, will Treml beobachtet haben. „Es gab mehrere Versuche, auszubrechen, manche Ochsen sind einfach auf der Bahn stehen geblieben, weil sie entkräftet waren.“ Statt Verständnis habe es Schläge gegeben: „Die wurden gehauen und an Stricken, die an ihren Köpfen befestigt waren, ins Ziel gezerrt.“

Tatsächlich: Mehrfach standen Ochsen auf der Strecke und ließen sich auch von drei Renn-Helfern kaum zum Weitergehen überzeugen. „Eine junge Frau war dabei, die hat mehrfach auf die Tiere eingeschlagen, auch auf den Hals und auf das Gesicht“, hat Treml beobachtet und teilweise mit ihrer Videokamera dokumentiert. Ein anderes Tier sei schwerer verletzt gewesen. „Der konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten“. Treml wollte das Tier filmen, sei aber daran gehindert worden: „Man wollte mir das Handy wegnehmen und ist mich ziemlich angegangen.“

„Gab ein bisschen Zirkus“: Organisator ist nach Ochsenrennen-Kritik gelassen

Anton Leinbach ist Organisator des Ochsenrennens. Er hat mitbekommen, dass es am Ende des langen Renntags „ein bisschen Zirkus“ gegeben habe mit einer Besucherin – es geht wohl um Treml. „Von 15 000 Besuchern gab‘s eine, die sich beschwert hat“, sagt er trocken. Zur Frage nach dem Tierschutz verweist er auf Prüfungen durch das Veterinäramt des Landratsamts und einige Vorkehrungen, die die Ochserer getroffen hätten. Vor dem Rennen seien die Tiere in einer Beschau kontrolliert worden. Die angemeldeten Ochsen mussten älter als 30 Monate sein, weil sie ab diesem Alter körperlich stark genug sind und das Knochengerüst erst dann ausgebildet sei, um auch einen Menschen zu tragen.

Gerten und Stöcke zum Antreiben der Tiere sind verboten gewesen – und zwar nicht nur am Festtag: „Wir haben schon im Vorfeld drauf geachtet, dass es denen gut geht und sie gut behandelt werden.“ Von einem schwer verletzten Ochsen sei nichts bekannt. „Den Tieren geht‘s gut.“ Das Ochsenrennen ist weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt – Bedenken habe sonst niemand geäußert. Für Leinbach eine Bestätigung, dass die Vorkehrungen zum Tierschutz ausreichend waren.

Animal Rebellion: Aktivistin sucht „stundenlang“ nach Tierarzt

Tieraktivistin Treml übt Kritik am Landratsamt. Sie habe am Renntag vergeblich nach einem Veterinärmediziner gesucht. „Es hieß, die sind den ganzen Tag da – ich habe stundenlang keinen gesehen.“ Auch die Rennleitung und die Polizei habe sie danach gefragt, „niemand wusste, wo ein Tierarzt ist“. Die Pressesprecherin des Landratsamts, Sabine Schmid, bestätigt, dass eine Beschwerde von „Animal Rebellion“ bei der Kreisbehörde eingegangen ist. Darin sei die Rede von „Tierquälerei am hellichten Tag“. Schmid erklärt: „Ein Tierarzt war den gesamten Tag dort – von der Tierbeschau um 12 Uhr mittags bis alle Ochsen wieder heimgebracht wurden.“

Dass er vergeblich gesucht wurde, verwundert Dr. Georg Unterholzner. „Mich haben ziemlich viele Leute gefunden“, sagt er. Der Veterinärmediziner des Landratsamts hatte sich auf einen Hang gestellt. „Da habe ich Start und Ziel gesehen, damit ich einen Überblick behalte.“ Mit unserer Zeitung hatte er am Rande der Veranstaltung gesprochen. Er sagte etwa: „Für die Jockeys ist das gefährlicher als für die Tiere.“ Zu erkennen sei er an der blauen Jacke mit „Veterinär“-Aufschrift gewesen. Was er gesehen hat, deckt sich nicht unbedingt mit den Eindrücken der Tierschützerin Treml. Die kritisiert etwa die Hitze, der die wärmeempfindlichen Tiere ausgesetzt waren. Unterholzner: „Ich glaube, kein Besucher hatte so kontinuierlich einen Schattenplatz wie die Ochsen.“ Für die wurden hinter der Ziellinie, wo sie sich den ganzen Tag über aufgehalten hatten, extra Schirme aufgebaut. Dass das Rennen vor 15 000 lauten Zuschauern „schon ein gewisser, kurzer Stress“ sei, räumt Unterholzner ein. Dass dadurch das Tierwohl gefährdet sei, bezweifelt er. „Auch die Behandlung der Ochsen war in einem Rahmen, den ich für vertretbar halte.“ Unterholzner hat „keine grobe Gewaltanwendung“ gesehen. „Ich hatte eher den Eindruck, wenn einer keinen Bock mehr hatte, dann hat man ihn nach ein paar Versuchen auch stehen lassen.“

„Leben als Rennochse ein Sechser im Lotto“: Tierarzt sieht Event nicht kritisch

Unterholzner konstatiert: „Das Leben als Rennochse ist eher ein Sechser im Lotto.“ Die Tiere, die in Münsing mitgelaufen sind, seien in einem Top-Zustand gewesen. „Ich war zweieinhalb Stunden vor dem Rennen da: Denen hat gar nichts gefehlt.“ Auch nach der Veranstaltung war es Unterholzner wichtig, die Tiere zu sehen, „ich muss ja verantworten können, was da passiert“. Er bestätigt die Version von Organisator Leinbach. „Die Ochsen haben nicht geschnauft oder haben gelitten. Sie waren unverletzt. Das waren keine erschöpften, fertigen Ochsen.“

Auf Instagram hat der Account „animalrebelliondeutschland“ ein Video über das Ochsenrennen gepostet. Es zeigt ein Tier, das sich auf halber Strecke der Rennbahn hinlegt und den Jockey, der sich auf den Rücken setzt und sich vom Publikum feiern lässt. In Untertiteln wird erklärt: „Dieser arme Ochse ist aufgrund der Hitze völlig erschöpft und kann sich kaum mehr fortbewegen. Das scheint beim Ochsenrennen in Münsing aber niemanden zu interessieren. Selbst als das Tier schließlich zusammenbricht, hören die Menschen nicht auf, es zu erniedrigen.“

189 Kommentare hatte der Beitrag am Donnerstagvormittag bereits. „Die Tierquäler haben einfach freie Bahn“, moniert eine Nutzerin. „Geht‘s noch niveau- und respektloser?“, fragt eine andere. Nahezu alle Kommentare klingen so ähnlich. Ein Account, der Partys in der Region bewirbt, springt den Organisatoren zur Seite: „Es ist überhaupt nicht so grausam, wie es auf diesem Video dargestellt wird. Alles mal bisschen entspannter.“

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