Bahnchef Lutz geht – hier kommt die schonungslose Bilanz seiner Unfähigkeit
- Im Video oben: Bahnchef Lutz muss gehen – Konzern bekommt neuen Chef
Nun ist er also zurückgetreten worden, endlich, endlich, Bahnchef Richard Lutz. Seit viel zu vielen Jahren war dieser Rauswurf überfällig. Die Inkompetenz dieses Mannes an der Spitze dieses so wichtigen Konzerns war und ist für viele Bürger fast jeden Tag spürbar.
Unter Lutz' Führung sank Pünktlichkeitsquote der Bahn unter 60 Prozent
Unter seiner Führung sank die Pünktlichkeitsquote der Züge (und das ist für die Kunden das Wichtigste) unter 60 Prozent. Wobei diese Zahl das Elend auf der Schiene gar nicht abbildet, denn: ausfallende Züge – und in Deutschland sind das jährlich gut 100.000 – werden in dieser Statistik gar nicht erfasst. Wie sagte der damalige Noch-Bahnchef in einem Interview 2019: „Ein Zug, der nicht losfährt, kann nun mal nicht zu spät ankommen.“
In der verqueren Logik dieses Bahnchefs wäre eine Bahn perfekt, die gar keine Züge fahren lässt. Und daran, das ist fast keine Übertreibung, hat Lutz auch gearbeitet: Den Hamburger Hauptbahnhof, nur ein Beispiel, verlassen heute 20 Prozent weniger Fernzüge als noch vor zwei Jahren.
Bahnchef verdient dreimal soviel wie der Bundeskanzler
Ein Bahnchef, also ein Staatsangestellter, der fast das dreifache Gehalt des Bundeskanzlers (warum eigentlich?) hat, dazu Boni in Millionenhöhe (warum eigentlich?) erhielt, so lässig über das spricht, worunter Hunderttausende seiner Kunden leiden – der hätte spätestens nach diesem Satz entlassen werden müssen.
Doch ob aus dieser überfälligen Entlassung nun etwas Gutes entsteht? Pünktliche Züge, saubere Züge, zuverlässige Züge, Züge, mit denen man entspannt reist und Anschlüsse und Termine sicher erreicht, die Toilette garantiert benutzen kann – wahrscheinlich ist das nicht.
Verstörend, wie Verkehrsminister Schnieder Bahnchef aufs Abstellgleis schiebt
Das zeigt schon die Art, wie Verkehrsminister Patrick Schnieder seinen allerwichtigsten Angestellten nun aufs Abstellgleis schiebt – ganz langsam und vorsichtig. Lutz darf weiter agieren, bis die Regierung einen Nachfolger gefunden hat.
Dass man bei einer so wichtigen Personalie so handelt, dass man keine überzeugende Person vorstellen kann – das ist mehr als verstörend. Dieses Agieren zeigt nicht bloß Inkompetenz, es symbolisiert auf bedrückende Weise, dass diese Regierung, also auch Bundeskanzler Friedrich Merz, überhaupt nicht weiß (wie die Regierungen davor), was sie mit dieser Bahn will, wie sie diesen Staatskonzern bändigen soll. Bändigen?
Völlig aus dem Ruder gelaufen: Reform machte Bahn zu "Staat im Staate"
Diese Deutsche Bahn AG ist seit der Bahnreform 1994, die den Staatskonzern erst privatisieren, dann an die Börse bringen sollte, völlig aus dem Ruder gelaufen, sie ist zu einem Staat im Staate geworden. Zu einer Geldvernichtungsmaschine. Das, leider, ist keine Polemik.
Zur Erinnerung: Deutschland war mal ein Bahnland. Vorbild für fast alle Bahnen dieser Welt. „Pünktlich wie die Eisenbahn“ hieß es früher. Kein Mensch würde heute mehr auf die Idee kommen, solch einen Spruch zu prägen. Heute heißt es: „Schaden in der Oberleitung“, heute heißt es: „Betriebsstörung“. Begriffe, die früher kein Mensch kannte und auch keiner kennen musste.

Die Bahn machte ihre Chef reich - sie hingegen das Land ärmer
Heute ist diese Bahn bloß noch Objekt des Spotts – und das weltweit. Das zeigte sich vor einem Jahr bei der Fußball-Europameisterschaft. Die „Scottish Football Supporters Association“ verschickte damals an ihre Mitglieder diese Warnung: „Verlasst die Kneipe ein bisschen schneller, gebt euch selbst ein wenig mehr Zeit. Das Letzte, was ihr wollt, ist, erst zur Halbzeit anzukommen! Stellt sicher, dass ihr den früheren Zug nehmt.“
Den früheren Zug, ja, so ist es. Seit acht Jahren ist Rüdiger Lutz Bahnchef. In dieser Zeit hat er das Defizit der Bahn um acht Milliarden Euro erhöht. Vermutlich wird er demnächst, er ist heute 61 Jahre, mit sehr viel Geld diese Bahn, die er tatkräftig mitruiniert hat, verlassen – wie seine Vorgänger Hartmut Mehdorn und Rüdiger Grube, die mit insgesamt neun Millionen Euro abgingen. Die Bahn hat sie reich gemacht, sie haben das Land ärmer gemacht.
Richard Lutz hätte nie Bahnchef werden dürfen. Als er ernannt wurde, jubelten viele: Endlich ein echter Bahner! Also nicht so einer wie seine Vorgänger Dürr, Mehdorn, Grube – alles Manager aus der Auto- oder Luftfahrtindustrie, zu Beginn ihre Bahnkarriere ohne Wissen über das hochkomplexe System Bahn, überbezahlte Bahn-Azubis.
Rührselige Geschichten über Lutz übersahen, dass er nie ein echter "Bahner" war
Als er Bahnchef wurde, erschienen über Lutz oft rührselige Geschichten: die Mutter bei der Deutschen Bundesbahn, der Vater bei der Bahn, er selbst schon immer bei der Bahn – jetzt, endlich, so die Botschaft, wird es was!
Übersehen wurde dabei, dass Lutz nie ein richtiger Bahner war. Er war Finanzkontrolleur und als Finanzvorstand hat er all die zerstörenden Sparprogramme seiner Vorgänger abgesegnet, all die Milliarden verschlingenden Auslandsinvestitionen durchgewunken, damit auch zugelassen, dass systematisch zu wenig Geld in die Infrastruktur investiert wurde (was heute den Bundesbürger zig Milliarden Euro kostet), all die unökologischen und unökonomischen, verkehrlich nicht zu rechtfertigenden Großprojekte etwa Stuttgart 21, Münchens 2. Stammstrecke, die Verlegung und Zerstörung des Hamburger Bahnhofs Altona umgesetzt.

Perfekte Bahn zerstört – die Liste von Lutz' Versagen ist lang
Er ist einer jener Täter, die dafür gesorgt haben, dass das Streckennetz der Bahn von über 40.000 Kilometern auf rund 33.000 Kilometer geschrumpft ist – ein Rückbau um gut 20 Prozent. Dass von den 130.000 Weichen und Kreuzungen, die es vor drei Jahrzehnten noch gab, heute bloß noch 70.000 da sind – was Verspätungen zwangsläufig produziert, dass über 100 Groß- und Mittelstädte vom Fernverkehr abgehängt worden sind – mit sein Verdienst.
Man stelle sich mal vor, diesen brutalen Rückbau hätte es bei den Autobahnen gegeben: Das totale Chaos würde herrschen. Und dieses Chaos ist nun Bahnwirklichkeit. Es ist so groß, dass diese Bahn, egal wie viele Milliarden man in sie hineinsteckt, nicht mehr reparabel ist. Es ist sehr einfach, etwas Perfektes zu zerstören, aber das Zerstörte wieder perfekt zu machen, ist fast unmöglich.
Was die Bahn ihren Kunden zumutet, ist eine Frechheit
Wie hilf- und konzeptionslos Lutz agiert, zeigt sich beispielhaft an seinen „Generalsanierungen“. Es ist weltweit etwas ziemlich Einmaliges, dass Hauptstrecken über Monate hinweg komplett gesperrt werden. Diese Generalsanierungen des Herrn Lutz sind Generalunfug. Seit fast 200 Jahren gibt es Eisenbahnen. Seit fast 200 Jahren werden Schienen unterm „rollenden Rad“ repariert, fast unbemerkt von den Kunden. Was die Deutsche Bahn da treibt und ihren Kunden zumutet, ist eine Frechheit. Ein Todesstoß für das System Bahn. Ein Zwangs-Umerziehungsprogramm, das Bahnfahrer zu Autofahrern macht.
Unfassbar zum Beispiel dies: Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren wird die Strecke Hamburg – Berlin generalsaniert, bis weit hinein ins kommende Jahr wird sie komplett gesperrt. Mindestens 30.000 Kunden leiden darunter täglich, müssen stundenlange Umleitungen in Kauf nehmen; Pendler etwa aus Wittenberge, die nach Berlin oder Hamburg wollen, sind auf Busse oder eigene PKWs angewiesen; Frachtzüge, die von Hamburg nach Berlin wollen, werden zum Teil über Köln (!) umgeleitet, ein Umweg von rund 500 Kilometern, eine Verschwendung von Energie, Arbeitskraft, Geld, Zeit.
Lutz, der Täter, der dieses Schlamassel zu verantworten hat, wird nun zum Opfer und muss gehen. Kein Mitleid mit ihm. Vielleicht ist ja sein Abgang für ihn persönlich sogar eine Befreiung? Er sagte ja mal, da war er schon Bahnchef: „Wer depressiv veranlagt ist, sollte besser nicht zur Bahn gehen“.
Lutz ist nicht der einzig Schuldige an der Tristesse
Aber Lutz ist nicht der einzig Schuldige an der Tristesse. Schuld sind seit vielen Jahren die Verkehrsminister, die DB-Aufsichtsräte, die Damen und Herrn im Bundeskanzleramt, die Damen und Herren im Verkehrsausschuss. Es sind so viele, dass keiner wirklich schuld ist – das ist praktisch für die Täter.
Deutschland war mal, wie schon gesagt, ein Bahnland. Deutschland ist heute ein Autoland. Es stellen sich Fragen: Ist es ein Zufall, dass hierzulande die sinnvolle Alternative zum Auto so kläglich daherrumpelt? Ein Zitat von Franz Müntefering, SPD, der in seiner Karriere auch mal Verkehrsminister war: „Der Zug ist das Resteverkehrsmittel für Menschen, die sich kein Auto leisten können“. Und so wurde die Bahn auch behandelt. Vorfahrt Auto. Das war und ist die vorherrschende Denke. Ob sich daran etwas ändert?
Folgt nun auf Richard Lutz schon wieder ein Bahn-Azubi als Chef?
Wer folgt auf Richard Lutz? Endlich mal jemand, der wirklich weiß, wie man Züge fahren lässt? Ein Mensch mit Bahnkompetenz? Oder wieder ein Bahnfremdling? Ein Bahn-Azubi?
Dass nun René Obermann, Ex-Telekom-Chef und derzeit Verwaltungsratschef bei Airbus, im Gespräch ist – fatal. Dass nun auch Sigrid Nikutta, studierte Psychologin, die ziemlich erfolgreich DB-Cargo in die Miese gefahren hat, im Gespräch ist – noch fataler. Diese angedachten Personalien zeigen: Die Politik hat nichts, aber auch gar nichts aus der Vergangenheit gelernt.
In der Schweiz, auch in Österreich weiß man, wie man Züge fahren lässt. Wie wär es, nur mal so ein Gedanke, sich von dort jemand mit Erfahrung einzukaufen, jemand, der es kann?
Arno Luik ist Journalist und Autor („Schaden in der Oberleitung. Das geplante Desaster der Deutschen Bahn") und zählt zu den schärfsten und versiertesten Bahnkritikern.