Clan-Boss führte Justiz jahrelang an der Nase herum: „Türkei ist Rückzugsraum für viele Schwerkriminelle“
Der mutmaßliche Clankriminelle Sammy Miri hat sich jahrelang der deutschen Justiz entzogen. Jetzt hat die Türkei ihn ausgeliefert. Die Gründe dafür könnten mit Miris Herkunft zusammenhängen.
Düsseldorf – Bilder auf Instagram zeigen den massigen Mann mit dem dichten schwarzen Bart im Infinity-Pool auf den Malediven, am Strand oder im SUV in Spanien. Samy Miri, der eigentlich Esmat E. heißt und noch weitere Alias-Namen führt, hat wohl manche der Bilder gepostet, als er auf der Flucht war. Der 38-Jährige gilt als Chef des Miri-Clans im Ruhrgebiet, gegen ihn lag ein internationaler Haftbefehl vor – wegen bandenmäßigen Drogenhandels.
Clankriminelle setzen sich gern in der Türkei ab
Doch jahrelang entzog sich Miri der deutschen Justiz, klagte vor dem Bundesverfassungsgericht gar erfolgreich gegen eine Razzia in seinem Haus in Dortmund, während er sich irgendwo im Ausland befand. Zuletzt offenbar in der Türkei. Dort nahmen die Behörden ihn im März fest, jetzt soll er ausgeliefert werden. Noch in diesen Tagen wird die Ankunft des Clan-Bosses erwartet.
Ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang, sagt Oliver Huth, NRW-Chef vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), im Gespräch mit IPPEN.MEDIA: „Auslieferungen aus der Türkei sind selten. Es handelt sich immer um eine außenministerielle Angelegenheit, wir haben keine Auslieferungsabkommen.“ Das führte laut Sicherheitskreisen dazu, dass Kriminelle aus dem Clanmillieu sich in den vergangenen Jahren gern in die Türkei absetzten oder dort illegales Geld parkten.

Behörden drängen auf bessere Zusammenarbeit beim Kampf gegen Clankriminalität
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) etwa, der seit Jahren eine Null-Toleranz-Politik gegen die sogenannte Clankriminalität propagiert, kritisierte die mangelhafte Zusammenarbeit mit der Türkei bei der Kriminalitätsbekämpfung in der Vergangenheit immer wieder. Das gelte etwa für auffällige Finanzströme in die Türkei. Clanmitglieder hätten dort Partner und Verbindungen, die ihnen bei ihren kriminellen Machenschaften helfen würden.
Sogenannte Clankriminalität in Deutschland
► Wenn die Rede von kriminellen Clans ist, sind in Deutschland oft kriminelle Mitglieder von Großfamilien mit kurdisch-libanesischen Wurzeln gemeint. Die meisten Menschen aus diesen Familien sind nicht kriminell. Wenige Sub-Clans aber haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen, die Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität begehen.
► Viele gehören den sogenannten Mhallami an, einer arabischstämmigen Volksgruppe. Ihre Vorfahren wurden nach dem Ersten Weltkrieg aus der Türkei vertrieben, kamen dann in den Libanon. Als dort Bürgerkrieg ausbrach (1975 bis 1990), flohen viele der Familien nach Deutschland.
► Als Staatenlose erhielten viele den Duldungsstatus, konnten keiner geregelten Arbeit nachgehen. Experten sehen in der Perspektivlosigkeit einen Grund dafür, dass sich Einzelne zu kriminellen Gruppierungen zusammengeschlossen haben.
► Wissenschaftler wie der Experte Mahmoud Jaraba sehen den Begriff „Clan“ in dem Zusammenhang kritisch. Aber: „Es hilft nicht, das Problem zu lösen, wenn wir über Begrifflichkeiten streiten“, sagt er. Wichtig sei, den Begriff differenziert zu verwenden und nicht auf eine ganze Großfamilie zu beziehen.
► Nach Auskunft der Innenministerien von Niedersachsen, Berlin und NRW gegenüber dem Mediendienst Integration wird das Phänomen nicht grundsätzlich zur Organisierten Kriminalität (OK) gezählt. Experten sehen aber Tendenzen, dass einzelne kriminelle Gruppen sich deutlich in Richtung OK entwickeln.
Auch Kriminalpolizist Oliver Huth sagt: „Die Türkei gilt für viele Schwerkriminelle als Rückzugsraum, ähnlich wie die Vereinigten Arabischen Emirate.“ Ist die Auslieferung Zeichen einer Wende in der Zusammenarbeit zwischen türkischen und deutschen Behörden? Womöglich spielen andere Gründe eine Rolle. Lange war nicht klar, welche Nationalität Sammy Miri eigentlich hat. Inzwischen gehen die deutschen Behörden davon aus, dass er aus Syrien stammt. „Da es sich bei Herrn Miri offensichtlich um einen syrischen Staatsangehörigen handelt, scheint die Türkei an seinem Verbleib im eigenen Land kein Interesse zu haben“, schätzt Huth.
Meine news
Sammy Miri drohen nach Auslieferung bis zu 15 Jahre Haft
Die diplomatischen Bemühungen im Sinne der Strafverfolgung seien in jedem Fall zu begrüßen, die Verhaftung sei durchaus als Schlag gegen die Clankriminalität zu werten. „Ob wir Herrn Miri im Falle einer Verurteilung und der Verbüßung einer Haftstrafe wieder abschieben können, steht dann auf einem anderen Blatt“, so Huth. „Die Strafverfolger in Dortmund haben keine Bemühungen ausgelassen. Das ist zu loben.“ Eine nachdrückliche Strafverfolgung gegen Clankriminalität sei wichtig für die Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens im Land.
Experten dringen auf mehr grenzübergreifende Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. In anderen europäischen Ländern ist die Bandenkriminalität zuletzt eskaliert, etwa in Schweden, wo es zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen kriminelle Clans kommt. Und in den Niederlanden bekämpfen Polizisten Drogenbanden, die seit Jahren immer brutaler agieren.
Sobald Miri in Deutschland ankommt, wird er in Untersuchungshaft kommen. Zeitnah soll dann der Prozess starten. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm dann bis zu 15 Jahre Haft. Verwerfungen in der Clan-Szene ob der Verhaftung des prominenten mutmaßlichen Kriminellen, die zu gewaltvollen Auseinandersetzungen führen könnten, seien nicht zu befürchten, glaubt Oliver Huth. „Klar ist aber, dass Herr Miri im Falle der Auslieferung auf seine Familienstrukturen zurückgreifen wird.“