Im Kokain-Nebel: Porschefahrer hat vierfache Mutter auf dem Gewissen - Gefängnis
Eine vierfache Mutter (55) stirbt bei einem schweren Unfall nahe Anzing. Ein Porschefahrer (52) muss wegen fahrlässiger Tötung ins Gefängnis. Das Leid der Familie bleibt.
Anzing/Ebersberg – Die Frau im Smart hatte keine Chance. Sie war 300 Meter von daheim entfernt, als sie auf der Straße von Anzing nach Markt Schwaben links zur Hofstelle der Familie abbiegen wollte. Dort raste ihr ein Porsche quasi ungebremst ins Heck, schob sie auf die Gegenspur. Ein entgegenkommendes Auto rammte den Kleinwagen erneut. Die Rechtsmedizinerin schilderte plastisch die Verletzungen an Hals und Brust durch die Wucht der Kollisionen, jede für sich „nicht überlebbar“.
Fahrlässige Tötung bei Anzing: Unfallfahrer aus Oberhaching reuig und geständig
Der tödliche Unfall im November 2022, bei dem die vierfache Familienmutter und werdende Großmutter mit 55 Jahren starb, fand seine juristische Aufarbeitung am Amtsgericht Ebersberg. Dort saß am Dienstag der Fahrer des Porsche Panamera auf der Anklagebank, wegen fahrlässiger Tötung.
Bei seinen Worten an die vier Kinder und den Witwer der getöteten Bäuerin geriet der 52-Jährige, ein Unternehmer aus Oberhaching (Kreis München), ins Schluchzen. „Ich kann es nicht zurückholen, aber mir tut es wirklich leid“, brachte er heraus. „Ich bin schuld!“
Wie ein Unfallgutachter rekonstruierte, hätte nur er den Unfall verhindern können. Die Smart-Fahrerin habe ordnungsgemäß abgebremst, mit funktionierender Beleuchtung. Geblinkt habe sie auch, sagte der Fahrer des entgegenkommenden Autos aus. „Das war für mich eine ganz alltägliche Verkehrssituation.“ Bis der Porsche den Kleinwagen direkt vor seinem VW Golf in die Fahrbahn schob. Das habe er nicht einmal bewusst bemerkt, so der 33-jährige Markt Schwabener. „Es hat gekracht und dann war ich im Graben.“ Die beiden Fahrer konnten selbst aus ihren Fahrzeugen steigen. Die Frau war sofort tot.
Nur der Angeklagte hatte eine Chance, den tödlichen Unfall zu verhindern
Der Unfallgutachter führte aus, der VW-Fahrer hätte keine Zeit gehabt, zu reagieren. Der Porschefahrer dagegen mindestens fünf Sekunden, um sich auf das Brems- und Abbiegemanöver des vor ihm fahrenden Smarts einzustellen. 2,5 Sekunden hätten für eine Vollbremsung gereicht. Der Porsche, nicht einmal zu schnell dran, bremste erst direkt vor dem Aufprall.
Die Erklärung dafür lieferte die Gerichtsmedizinerin. Laut Blutbild habe der Mann Kokain konsumiert, vermutlich am Vorabend des Unfalls. Der abklingende Rausch resultiere in Müdigkeit und Erschöpfung, „sodass es für mich die Voraussetzung für eine Fahruntüchtigkeit absolut gibt.“ Fast hätte die Staatsanwaltschaft durch ihren Unwillen zu einer Blutentnahme diese Einschätzung verhindert, kam bei den Aussagen heraus. Am Nachmittag des Unfalltags setzte ein Polizeibeamter doch noch den Test durch, der eigentlich routinemäßig stattfindet.
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Emotional berichtete der Witwer davon, jeden Tag an der Unfallstelle nahe dem heimischen Hof vorbeifahren zu müssen. Von der gerade überstandenen Krebserkrankung seiner Frau, davon wie sie sich auf ihr Enkelchen freute. „Das ist einfach unverzeihlich“, sagte er über den Drogenkonsum des Unfallfahrers, während dieser schluchzend auf der Anklagebank in sich zusammensank.
Echte Reue - aber mehrere Vorstrafen: Richter schickt Unfallfahrer ins Gefängnis
Die Reue des Unfallfahrers war echt – zu diesem Schluss kamen auch Richter Benjamin Lenhart und die Staatsanwältin. Daraus, und dass sein Mandant sich ohne entsprechende Pflicht um finanzielle Wiedergutmachung bemüht habe, leitete der Verteidiger ab, man könne es bei einer Bewährungsstrafe belassen. Die Staatsanwältin plädierte: „Das wäre für das allgemeine Rechtsempfinden schlechthin unverständlich.“
Dieser Einschätzung folgte auch der Richter. Denn: Der Mann ist siebenfach vorbestraft, darunter einmal wegen Fahrens trotz Verbots und einmal wegen fahrlässiger Trunkenheit. Seinen Führerschein hatte er kein Jahr vor dem tödlichen Unfall zurückbekommen. Mildernd wirkte das „Geständnis ohne Hintertür“, so der Richter, der auf ein Jahr und drei Monate Haft ohne Bewährung sowie weitere zwei Jahre Führerscheinentzug entschied. Gegen das Urteil kann der Oberhachinger binnen einer Woche noch Rechtsmittel einlegen.
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