Deutschland geht an seine Reserven: Dritte Patriot-Feuereinheit wird an die Ukraine geliefert
Neuer Nachschub aus Deutschland – Boris Pistorius schickt Wladimir Putin eine dritte Patriot-Einheit entgegen. Masala mahnt: Immer noch viel zu wenig.
Berlin – Boris Pistorius (SPD) trägt frohe Kunde ins Kriegsgebiet: „Deutschland wird der Ukraine unverzüglich eine weitere Feuereinheit Patriot übergeben, um russische Luftangriffe abzuwehren.“ Das schrieb das deutsche Verteidigungsministerium am Samstag (13. April) auf X (vormals Twitter), nachdem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schon in den Tagen zuvor auf weiteren Nachschub an Luftabwehrsystemen gehofft hatte. Deutschland liefert demnach die dritte Feuereinheit in den Ukraine-Krieg.
Wie Euronews berichtet, spricht der ukrainische Kommandeur Oleksandr Syrskyj davon, dass sich die Lage an der Ostfront für seine Truppen in den vergangenen Tagen deutlich verschlechtert habe. Unterstützt von gepanzerten Fahrzeugen greife die russische Armee in Richtung Bachmut an. Dort waren im Herbst vergangenen Jahres schon einmal heftige Kämpfe entbrannt und hatten zu ersten Erfolgen der Gegenoffensive der Ukraine geführt: Demnach hatten ukrainische Truppen ein Dorf nahe der kriegszerstörten Stadt Bachmut im Osten des Landes zurückerobert. Die russischen Truppen seien aus Klischtschijiwka vertrieben worden. Offenbar wendet sich das Blatt jetzt wieder deutlich.
„Wir gehen mit unserer Unterstützung der Ukraine so weit, wie wir es mit Blick auf unsere eigene Einsatzbereitschaft vertreten können.“
Beobachter des Thinktanks Institute for the Study of War (ISW) sehen die Lage ebenfalls kritisch: „Die zunehmend wirksamen russischen Angriffe in der Ukraine drohen die langfristigen Kriegsführungsfähigkeiten der Ukraine einzuschränken und schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Russland auf dem Schlachtfeld erhebliche Gewinne erzielen kann.“ Allerdings sei der Landgewinn der russischen Aggressoren im Verhältnis weiterhin klein, sagt Generalmajor Christian Freuding im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt: „Seit Jahresbeginn ist es den russischen Streitkräften gelungen, ungefähr 300 Quadratkilometer Raum zu nehmen – das ist ungefähr die Größe von Leipzig. Also insgesamt recht marginale Geländegewinne unter Inkaufnahme erheblicher Verluste und Materialaufwendungen.“
Verzögerte Hilfe der USA: Ukraine reagiert „schockiert“
Anders als der ukrainische General sieht das ISW auch keine vermehrten Angriffe der russischen Truppen. Russland habe seine Angriffstaktik verbessert, ohne dass die Häufigkeit oder der Umfang der Angriffe zugenommen habe, meint das ISW und macht für die Probleme der ukrainischen Armee vor allem die Verzögerungen bei der US-Hilfe verantwortlich. Die Ukraine hatte sich „schockiert“ gezeigt angesichts der anhaltenden Verzögerung weiterer wichtiger US-Hilfen wie der Spiegel im März geschrieben hat. „Was wirklich entscheidend ist und uns schockiert, ist die Tatsache, dass die Entscheidung noch nicht getroffen worden ist“, sagte Außenminister Dmytro Kuleba gegenüber ausländischen Medien. Die Republikaner blockieren die Hilfen weiterhin und spielen Wladimir Putin in die Karten.
Vor allem deshalb steht die Ukraine unter ständigem Beschuss – die Luftabwehr ist effektiv, aber überlastet. Berichten des Militärs zufolge hätten ukrainische Streitkräfte zuletzt im Februar fünf von sechs Marschflugkörpern KH-59 und KH-69 mit Patriots abgeschossen – also sogar Paroli geboten gegen Raketen neueren Typs, die sehr niedrig fliegen können; gestartet waren die offenbar über den Regionen Poltawa, Sumy und Mykolajiw. Luftwaffen-Sprecher Ilja Jewlasch gibt sich in der New Voice of Ukraine jedenfalls kämpferisch gegen die vermeintlich große Bedrohung durch die KH-69: „Höchstwahrscheinlich wird das Patriot-Luftverteidigungssystem auch in der Lage sein, ihr entgegenzuwirken, da es bereits gegen weitaus ausgefeiltere Raketen seine Stärke bewiesen hat: gegen Raketen, wie die Hyperschallraketen Zirkon und Kinschal“.
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Im Januar hatte das Magazin Europäische Sicherheit & Technik von einem Mega-Deal von Patriot-Raketen berichtet: Demnach habe die Nato Support and Procurement Agency (NSPA) als logistische Dienstleistungsorganisation der Nato im Auftrag Deutschlands, der Niederlande, Rumäniens und Spaniens, mit der Comlog GmbH, dem Joint Venture von MBDA und Raytheon (RTX), einen Rahmenvertrag über die Beschaffung von bis zu 800 Flugkörpern PAC2 GEM-T für das Luftverteidigungssystem Patriot zur Abwehr von ballistischen Raketen beschlossen – das Finanzvolumen soll etwas mehr als fünf Milliarden Euro betragen.
Deutsche Nachrüstung lässt Ukraine hoffen: „Danke, Olaf, für deine Führung.“
Der deutsche Anteil an dem Vertrag beträgt 500 Flugkörper im Wert von drei Milliarden Euro; davon seien 100 Flugkörper als Nachbeschaffung für Abgaben an die Ukraine im Wert von 602 Millionen Euro fest bestellt worden. Die Lieferung weiterer 400 Flugkörper für 2,4 Milliarden Euro soll im laufenden Jahr in Auftrag gegeben werden, sobald im Haushalt 2024 Bestellungen möglich sind. Die Finanzierung erfolgt aus dem Sondervermögen Bundeswehr. „Wir gehen mit unserer Unterstützung der Ukraine so weit, wie wir es mit Blick auf unsere eigene Einsatzbereitschaft vertreten können. Ich habe mich bereits vor dieser Entscheidung für eine möglichst schnelle Neubeschaffung eingesetzt, und wir arbeiten mit Hochdruck an der Nachbeschaffung“, zitiert das Bundesverteidigungsministerium auf X den Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Die Bundeswehr verfügt nur noch über zehn Patriot-Feuereinheiten zur Raketenabwehr, aber, so schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Nach lauten Hilferufen aus Kiew geht man an die eigenen Reserven.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die Lieferung in einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zugesagt, wie ein Regierungssprecher mitteilte, so die Tagesschau. Selenskyj dankte Scholz auf seinem X-Kanal für die Entscheidung. Demnach sagte der Kanzler auch weitere Flugabwehrraketen für die bisher eingesetzten Patriot-Systeme zu. Was immer noch zu wenig scheint. Euronews zitiert den deutschen Politikwissenschaftler Carlo Masala dahingehend, dass der Ukraine noch bis zu neun Patriot-Feuereinheiten fehlen würden.
„Danke, Olaf, für deine Führung“, schrieb der ukrainische Staatschef. „Dies ist ein echtes Zeichen der Unterstützung der Ukraine in einer für uns kritischen Zeit.“ Er rief andere Länder auf, dem Beispiel Deutschlands zu folgen.