„Ist das Schutz?“ Russland wähnt Plan hinter Nato-Manöver – Diplomat attackiert Deutschland
Russland reagiert erneut auf das Nato-Großmanöver „Steadfast Defender“. Diesmal richtet Moskau schwere Vorwürfe gegen Deutschland, Polen und die Niederlande.
Suwalki – Dass Russland auf das Nato-Großmanöver „Steadfast Defender“ reagieren würde, war nicht verwunderlich. Diesmal richtete sich Moskau mit harschen Vorwürfen gegen Deutschland, Polen und die Niederlande.
Nato-Manöver: Vorwürfe aus Russland gegen Deutschland und Polen
Unter angeblicher Kenntnis dessen, was die transatlantische Verteidigungsallianz im Umfeld des Ukraine-Kriegs bei ihrer gewaltigen Übung mit 90.000 Soldatinnen und Soldaten im Baltikum vorhaben soll. Nicht Kreml-Autokrat Wladimir Putin meldete sich, und auch nicht sein ihm gefälliger Außenminister Sergei Lawrow.
Diesmal wetterte Konstantin Gawrilow gegen den Westen, der Leiter der russischen Delegation bei den Verhandlungen in Wien über militärische Sicherheit und Rüstungskontrolle im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Gawrilow warf der Nato konkret vor, nach einem Vorwand zu suchen, um einen permanenten militärischen Korridor an der strategisch heiklen Suwalki-Lücke an der Grenze zwischen Polen und Litauen einzurichten.

Zwischen Kaliningrad und Belarus: Suwalki-Lücke an polnisch-litauischer Grenze
„Diese Nato-Übungen bringen 90.000 Soldaten, Offiziere und Ausrüstung zusammen. Der Transfer der Ausrüstung findet in östliche Richtung statt, das heißt, es simuliert die sogenannte Verteidigung des Suwalki-Korridors. Wir bezeichnen dies als eine völlig offensichtliche Provokation“, erklärte Gawrilow laut staatlicher Nachrichtenagentur Tass.
Der Diplomat behauptete demnach in der neutralen österreichischen Hauptstadt: „Das Bündnis zu schärfen, dient nicht der Verteidigung, sondern tatsächlich, um die Möglichkeiten für mögliche Provokationen gegen die Russische Föderation zu testen.“ Der Suwalki-Korridor erstreckt sich nahe der polnischen Kleinstadt Suwalken über 104 Kilometer Länge zwischen der russischen Exklave Kaliningrad und dem mit dem Kreml verbündeten Belarus.
Kaliningrad
Kaliningrad hieß früher Königsberg und war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 Hauptstadt der preußischen Provinz Ostpreußen. Mit der Eroberung durch die „Rote Armee“ fiel die Hafenstadt an der Ostsee vom damaligen Nazi-Deutschland an die Sowjetunion. 1946 wurde die Stadt in Kaliningrad umbenannt. Nach dem Zerfall der UdSSR 1991 verblieb die Region als Exklave bei Russland. Heute leben in der Stadt selbst 430.000 Einwohner und in der gleichnamigen Oblast etwa eine Million Menschen.
Meine news
Suwalki-Korridor: Achillesferse der Nato zwischen Polen und dem Baltikum
Der schmale Landabschnitt gilt als Achillesferse der Nato im Falle einer militärischen Konfrontation mit Russland. Die Befürchtung: Das Baltikum könnte über den Landweg abgeschnitten werden. „Sie wollen den Transfer von Kräften und Ausrüstung nach Polen und in die baltischen Staaten deutlich beschleunigen“, meinte Gawrilow laut Tass: „Wie sollen wir das bewerten? Ist das Schutz? Meiner Meinung nach ist das kein Schutz.“ Gawrilow habe in Wien darauf hingewiesen, dass Moskau die Erklärungen Deutschlands, der Niederlande und Polens zur Schaffung eines Militärkorridors als provokative Maßnahmen ansehe, hieß es in dem Bericht vom 1. Februar weiter.
Weder Berlin noch Warschau oder Amsterdam hatten jedoch eine entsprechende Erklärung abgegeben. Ob der Versuch des Kreml dahintersteckt, herauszufinden, welche Nato-Verbände in welcher Kombination miteinander trainieren, ist Spekulation. Bekannt ist dagegen: Polen hat ein erhebliches Interesse daran, den Suwalki-Korridor zu sichern, der nur 255 Kilometer Luftlinie von der Hauptstadt Warschau entfernt liegt. Und: Deutschland und die Niederlande arbeiten bereits seit 2017 durch die Nato-Battlegroup Lithuania im Baltikum eng zusammen.

Nato-Manöver in Polen und Litauen: Bundeswehr schickt 10. Panzerdivision
Ferner nutzen das niederländische Heer und die deutschen Landstreitkräfte mit dem Leopard-2-Kampfpanzer, der Panzerhaubitze 2000 und dem GTK Boxer die identischen Hauptwaffen-Systeme, was die Koordination auf dem fiktiven Schlachtfeld erleichtert. Die deutsch geführten Anteile des Großmanövers sind unter der Teil-Übung „Quadriga 2024“ zusammengefasst.
„Neben der schnellen Verlegung stehen multinationale Gefechtsübungen unter anderem in Polen und Litauen im Fokus. So wird für die Abschlussübung Grand Quadriga ab Mitte Mai 2024 die 10. Panzerdivision von verschiedenen Standorten in Deutschland per Schiff, Schiene und im Straßenmarsch nach Litauen verlegt, um dort gemeinsam mit den Bündnispartnern Verteidigung und Gegenangriff auf dem Bündnisgebiet zu üben“, schreibt die Bundeswehr auf ihrer Website, die insgesamt 13.000 Soldatinnen und Soldaten stellt.
Nato-Großmanöver zur Abschreckung Russlands: Norwegen gilt als Schwachstelle
In einem weiteren Szenario werden wohl Großbritannien, Norwegen, Finnland und Beitrittskandidat Schweden die Verteidigung der nordöstlichen norwegischen Grenze zu Russland als Schwachstelle der Nato einstudieren. Die Rolle der USA und der Franzosen ist aktuell noch unklar. (pm)