Südafrikas pro-palästinensische Position sorgt für Aufregung: Ministerin fordert Haftbefehl für Netanjahu
Im Gazakrieg stellt sich die südafrikanische Regierung auf die Seite der Palästinenser und übt Druck auf Israel aus. Viele Afrikaner ziehen Vergleiche zur Kolonialzeit. Doch es gibt auch überraschende Unterstützung vom Kontinent für Israel. Südafrika legt nun einen Friedensplan vor.
Es hatte sich angedeutet: Am vorletzten Freitag war es soweit. Der israelische Botschafter in Südafrika, Eliav Belotserkovsky, wurde von der südafrikanischen Regierung in Pretoria einbestellt. Das Außenministerium monierte kritische Äußerungen des Botschafters über Südafrikas Pro-Palästina-Politik. In einer Stellungnahme heißt es: „Botschafter Belotserkovsky wird aufgefordert, sich im Einklang mit den Wiener Konventionen zu verhalten, die den Leitern diplomatischer Mission bestimmte Privilegien und Verantwortlichkeiten einräumen, darunter die Anerkennung der souveränen Entscheidungen des Gastlandes“. Außenministerin Naledi Pandor war empört: „Bei einigen Botschaftern in Südafrika scheint es eine seltene Praxis zu geben, dass sie einfach sagen, was sie wollen.“
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Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Africa.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Africa.Table am 21. November 2023.
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Die pro-palästinensische Position von Südafrika sorgt international für Aufsehen. Das Land am Kap reiht sich damit in die Handvoll Staaten ein, die stärkeren diplomatischen Druck auf Israel ausüben als auf Palästina, darunter Staaten, von denen die internationale Gemeinschaft nichts anderes erwartet wie Iran, Russland oder die Türkei, aber auch Chile, Honduras, Belgien und Spanien.
In Afrika tendieren Staaten eher dazu, Verständnis für Palästina auszudrücken und setzen sich für eine Zweistaatenlösung ein. Viele afrikanische Länder, die in den 1960er Jahren die Entkolonialisierung erlebten, vergleichen ihre eigenen Erfahrungen mit denen des palästinensischen Volkes, das seit der Gründung Israels 1948 um seine Daseinsberechtigung kämpft. Der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat, sieht die „Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes, insbesondere des Rechts auf einen unabhängigen Staat“ als die Hauptursache des derzeitigen Konflikts. Algerien etwa ist ein Unterstützer von Palästina, und spricht damit auch für die anderen islamischen Staaten in Nordafrika.
Kongo unterstützt eher Israel

Aber es gibt auch afrikanische Staaten, die eher Israel unterstützen, darunter die Demokratische Republik Kongo, Ghana, Kenia und Sambia. Kameruns Präsident Paul Biya, der das Land seit 1982 regiert, gilt als engster Verbündeter Israels in Afrika. Die Beziehungen beruhen vor allem auf militärischer Kooperation. Neben Eritrea ist Kamerun auch das einzige Land auf dem Kontinent, dass Palästina als Staat nicht anerkennt. Äthiopien, das eine langjährige Verbindung zu Israel pflegt, positioniert sich hingegen neutral. Dabei sind seit 1977 viele äthiopische Juden nach Israel geholt worden. Seitdem sind die Verbindungen zwischen beiden Ländern recht eng. So investieren viele israelische Unternehmen beispielsweise in die äthiopische Landwirtschaft oder den Blumenanbau.
Grund für die pro-israelische Haltung afrikanischer Länder sind nicht immer enge diplomatische Beziehungen, sondern komplexe Verbindungen mit westlichen Staaten, mit denen es sich die jeweiligen Regierungen nicht verscherzen wollen. Der Westen ist nach wie vor wichtigster Geber von Entwicklungshilfe. Und manche afrikanischen Länder beziehen Waffen aus Israel, was sie wenig kritisch macht.
Südafrika: Stärkste pro-palästinensische Stimme des Kontinents
Seit Ende des Kalten Kriegs hingegen ist Südafrika die stärkste palästinensische Stimme in Afrika. Schon der damalige Präsident Nelson Mandela verglich in den 1990er Jahren das Schicksal der Palästinenser mit dem der Schwarzen Südafrikaner unter dem weißen Apartheidstaat. Im vergangenen Jahr zeigte sich Außenministerin Pandor besorgt darüber, dass Israel die Vereinten Nationen weiterhin „bedeutende Teil des Westjordanlandes“ besetzt hielt und rief die UN dazu auf, Israel als Apartheid-Staat zu klassifizieren.
Diese Haltung hat sich seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober verstärkt. Der südafrikanische Präsident, Cyril Ramaphosa, drückte zwar sein Beileid über die Opfer auf beiden Seiten aus, bekannte sich aber umgehend solidarisch mit Palästina. Auf dem Nahostgipfel in Kairo im Oktober erklärte er: „Wir haben einen mutigen Kampf für die Freiheit geführt und mussten unsägliches Leid ertragen, genau wie die Palästinenser.“
Südafrikas Außenministerin Pandor will Haftbefehl für Netanjahu
Pandor spricht sich mittlerweile für einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Die andauernde Bombardierung von Palästinensergebieten bezeichnet sie als „Völkermord im Entstehen“. Vergangene Woche forderte dann Ramaphosa den Internationalen Straafsgerichtshof formell auf, mögliche Kriegsverbrechen Israels zu untersuchen. Das südafrikanische Parlament plant, alle diplomatischen Beziehungen mit Israel abzubrechen.
Inzwischen hat Pretoria auch alle südafrikanischen Diplomaten aus Tel Aviv abgezogen, um mit ihnen über das weitere Vorgehen „zu beraten“. Pandor hatte auch zuvor mit Hamas-Führern telefoniert, und traf sich in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi, was ihr im eigenen Land die Kritik einbrachte, pro-Hamas zu sein.
Aber ähnlich wie im Ukrainekrieg bietet sich Südafrika jetzt als Vermittler für Friedensverhandlungen an und rief zu sofortiger Waffenruhe auf. Ein Sieben-Punkte-Friedensplan soll bereits vorbereitet sein. Damit versucht Südafrika wie im Ukrainekrieg im Namen des globalen Südens international Punkte zu sammeln. Auf dem Weg zum Frieden in der Ukraine gäbe es „Fortschritte“, so die Außenministerin kürzlich.