Linnemann fordert drastischen Beamten-Stopp: So kann der Staat tatsächlich sparen
- Im Video oben: Was Beamte verdienen – und warum Sie das als Angestellter kaum erreichen
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann will weniger Menschen verbeamten: "Ich möchte nur eins: Dass wir nur noch dort verbeamten, wo es wirklich hoheitliche Aufgaben gibt, bei Polizisten, bei Richtern, bei Staatsanwälten, bei Finanzbeamten, bei Zollbeamten – aber dann ist irgendwann gut", sagte der 47-Jährige laut Bild am Donnerstagabend beim Tag des Handwerks Paderborn. Es solle "nicht jeder verbeamtet werden, übrigens auch nicht in den Verwaltungen." Auch Lehrer, Berufsfeuerwehrleute oder Professoren würden nach Linnemanns Aufzählung nicht mehr verbeamtet werden.
Die Forderung des CDU-Generalsekretärs passt zu den Ansichten vieler Ökonomen. Weniger Beamte könnten dem Staat viel Geld sparen, meinen sie.
1,8 Millionen Beamte und fünf Probleme
5,4 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland für den Staat – als Polizisten, Feuerwehrkräfte, in Ämtern, als Lehrer, Professoren, Soldaten, Richter und vieles mehr. Rund 1,8 Millionen der Angestellten im öffentlichen Dienst haben dabei den Beamtenstatus. Sie sind Zeit ihres Arbeitslebens mit wenigen Ausnahmen unkündbar und bekommen anschließend eine üppige Pension. Das kostet den Staat viel Geld. Für aktive Angestellte und Beamte im Ruhestand wird allein der Bund dieses Jahr rund 42 Milliarden Euro ausgeben. Hinzu kommen die Kosten der Bundesländer und Kommunen, bei denen viele angestellt sind. Die Bundesbank schätzte die Gesamtausgaben schon 2015 auf 255 Milliarden Euro, damals aber noch mit rund einer Million Angestellter weniger im öffentlichen Dienst.
Die Zahl der Beamten ist seit Jahrzehnten stabil. Von 1991 bis 2024 sank sie leicht um 59.500 Personen, was einem Rückgang von rund drei Prozent entspricht. Die Gesamtzahl der normalen Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst fiel bis 2015 sogar um rund 40 Prozent, bevor bis heute wieder rund 800.000 neue Mitarbeiter eingestellt wurden. Trotzdem sehen gerade Ökonomen das Beamtenmodell nicht mehr als zeitgemäß in vielen Bereichen an. Kritisiert werden vor allem folgende Punkte:
- Die hohen Pensionsansprüche von Beamten belasten den Staat mit hohen Kosten und fühlen sich im Vergleich zu Arbeitnehmern unfair an. Beamte bekommen keine Rente, sondern ein Ruhegehalt, welches sich an ihrem letzten Arbeitsgehalt orientiert. Rechnungshöfe der Länder und des Bundes warnen regelmäßig vor den dadurch entstehenden Kosten. Schlimmer noch: Die Pensionen werden aus Steuergeldern bezahlt – also von allen Erwerbstätigen.
- Beamte tragen nicht zu den Sozialversicherungen bei. Da sie keine Rente bekommen und unkündbar sind, fallen sie aus Renten- und Arbeitslosenversicherung heraus. In der Kranken- und Pflegeversicherung sind sie nicht pflichtweise dabei. Die meisten Beamten versichern sich privat, der Staat beteiligt sich im Rahmen der Beihilfe an den Arztkosten. Sozialverbände und linke Parteien wie SPD und Grüne kritisieren, dass dadurch die Solidarität im Lande leide.
- Oft werden Menschen in Bereichen verbeamtet, wo kein Beamtentum nötig wäre. Wir werden auf den Punkt weiter unten noch genauer eingehen, aber einige Ökonomen argumentieren, dass es nicht zwingend notwendig sei, etwa Lehrer, Hochschulprofessoren oder einfache Verwaltungsangestellte zu verbeamten. Dies führt zu einer höheren Zahl von Beamten als nötig wäre – mit den entsprechend hohen Pensionskosten.
- Das Beamtentum zieht nicht die fähigsten Talente an. In vielen Bereichen erhalten Beamte ein geringeres Gehalt als sie mit den gleichen Qualifikationen in der freien Wirtschaft bekommen könnten. Im Gegenzug erhalten sie einige Privilegien und eben die später hohen Pensionen. Ökonomen wie die Wirtschaftsweisen argumentieren, dass dies vor allem Leute anlockt, die risikoscheu und wenig flexibel sind. Das mag in Ämtern oder der Justiz noch in Ordnung sein, wird aber gerade bei Lehrern und IT-Spezialisten heutzutage zum Problem – dort sind gerade hohe Anpassungsfähigkeiten und Flexibilität gefragt, die dem Staat dann fehlen.
- Das Beamtentum ist nicht attraktiv genug. Trotz aller finanziellen und rechtlichen Vorteile gelingt es dem Staat nicht, genug talentierte Mitarbeiter zu finden. Denn gegenüber der freien Wirtschaft ist das Beamtentum starr. Es gibt viel Bürokratie, wenig Raum für Kreativität und streng geregelte Laufbahnen und Gehaltsklassen.
So könnten Reformen aussehen
Eine Abschaffung des Beamtentums kommt für Ökonomen nicht in Betracht. „Das sehe ich kritisch“, sagt etwa der Wirtschaftsweise Martin Werding dem Handelsblatt vergangenen Dezember in einem Interview. Auch Amtskollegen von ihm wehren sich dagegen. Die Gründe liegen auf der Hand: Für den Staat sollten gerade in kritischen Bereichen Menschen arbeiten, deren Gehalt so hoch und Arbeitsplatz so sicher ist, dass sie stets so gesetzestreu und unbestechlich wie möglich arbeiten können. Dennoch sollte das Beamtentum nach einhelliger Meinung reformiert werden. Folgende Ideen stehen zur Debatte.
Beamte nur noch in den wichtigsten Bereichen
Die erste Maßnahme wäre, das Beamtentum künftig auf wenige, wichtige Kernbereiche des Staates zu beschränken. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hatte das zum Beispiel im Mai angeregt. So müssten ihrer Meinung nach nur Mitarbeiter von Polizei und Justiz den Beamtenstatus erhalten. Ihr Kollege Werding ergänzt das noch um die Mitarbeiter von Finanzämtern, weil es hier um die finanzielle Sicherheit des Staates ginge. Von beiden nicht genannt, aber wohl auch dazu zählend wären Berufssoldaten.
Bei anderen Berufsgruppen hingegen herrschen Zweifel: „Bei Lehrkräften und Professoren könnte man zum Beispiel darüber nachdenken, sie nicht mehr zu verbeamten“, sagt Grimm gegenüber der Rheinischen Post. In vielen Bundesländern gibt es hier schon Mischmodelle, wo einige Lehrer verbeamtet werden und andere als normale Angestellte arbeiten.
Auf diese Weise ließen sich wohl langfristig mehr als eine Million Beamtenstellen einsparen. Allerdings würde die Umstellung Zeit kosten. Heutige Beamte zu entlassen ist weder möglich noch gewünscht. Eine Neuregelung würde also nur neue Staatsangestellte treffen.
Beamte in die Gesetzliche Rentenversicherung übernehmen
Werding verteidigt die hohen Pensionen von Beamten auch damit, dass hier zwei Säulen – gesetzliche Rente und Betriebsrente – zusammengerechnet würden. Normale Angestellte, die beides bekämen, lägen oft nicht weit von Beamtenpensionen entfernt. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hatte schon im Mai den Vorschlag gemacht, Beamte künftig in die gesetzliche Rentenversicherung aufzunehmen. So einfach ist das aber nicht. Wahrscheinlich wäre auch hier eine langfristige Umstellung nötig, so dass nur neue Beamte in die Rentenkasse einzahlen. Werding argumentiert, dass für diese der Staat dann auch eine Betriebsrente aufsetzen müsste, so dass sich die Bezüge im Ruhestand gegenüber den heutigen Pensionen nur leicht verändern würden. Außerdem sollten die Rentenkassen von Beamten und Nicht-Beamten weiter getrennt bleiben, künftige Reformen aber stets auf beide gleich angewandt werden. So würde die Gesetzliche Rentenversicherung durch Beamte nicht zusätzlich belastet.
Bis eine solche Änderung beschlossen würde, wird es aber wohl Jahre dauern. Erstens ist die jetzt regierende Union strikt dagegen, zudem würden Gegner einer solchen Reform wohl bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Sie argumentieren, eine solche Änderung sei verfassungswidrig.
Gehälter im Öffentlichen Dienst erhöhen
Eine Reform, die bald zwingend kommen wird, ist eine Erhöhung des Solds in den unteren Einkommensgruppen des Beamtentums. Das Bundesverfassungsgericht hatte schon im Mai 2020 entschieden, dass die Entlohnung in vielen Bereichen des einfachen und mittleren Dienstes zu niedrig sei. Begründet wurde das mit einem zwingend einzuhaltenden Abstand zur jeweiligen Grundsicherung – damals war das noch Hartz IV, heute wäre es das Bürgergeld. Die Bundesländer haben das größtenteils schon angepasst, der Bund weigert sich bisher. Das liegt vor allem daran, dass die Union lieber auf die Höhe des Bürgergeldes schimpft anstatt die Beamtenbesoldung entsprechend anzuheben. SPD und Grüne hatten kurz vor Ende ihrer Regierungszeit noch einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der aber nicht mehr beschlossen wurde.
Aber auch abseits dieser zwingenden Regelung sprechen sich Ökonomen dafür aus, dass der Staat mehr Geld für seine Mitarbeiter ausgeben sollte. Dabei schauen etwa die Wirtschaftsweisen besonders auf den IT-Bereich, wo sich die staatlichen Löhne kaum mit denen von Tech-Konzernen messen lassen können. Nach Angaben der Stellenbörse Stepstone und Umfragen unter IT-Fachkräften liegt der Unterschied zwischen 50.000 Gehalt beim Staat und durchschnittlich 88.000 Euro in der freien Wirtschaft. Ein ähnliches Problem hat auch die Justiz: „In aller Deutlichkeit: Der Staat verliert im Wettbewerb um die besten Köpfe zunehmend an Attraktivität“, sagt Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, im Handelsblatt. Eine Studie vor zwei Jahren hatte ergeben, dass Juristen in Unternehmen und Kanzleien mit Gehältern von 98.000 bis 139.000 Euro pro Jahr beginnen, Richter im Staatsdienst aber selbst nach mehreren Jahren Berufserfahrung nur auf 60.000 Euro brutto kommen.
Im Gegenzug zu höheren Gehältern im Arbeitsleben würden dann die Ruhegehälter bei einer Reform des Pensionssystems sinken. Auf die Lebenszeit eines Staatsangestellten betrachtet könnten die Kosten so nur minimal steigen.