Kiews Außenminister will wehrpflichtige Ukrainer mit „richtigen Instrumenten“ zurückholen
Außenminister Kuleba plant, die geflüchteten Ukrainer ins Land zurückzuholen. In die Karten könnte ihm die Forderung der Union spielen, die finanzielle Unterstützung für Kriegsflüchtlinge einzustellen.
Berlin/Kiew – Über zwei Jahre dauert der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine schon an. Neben Waffen fehlt es Kiew vor allem an eins: neuen Soldaten, denn Hunderttausende Ukrainer flohen nach Kriegsausbruch ins Ausland. Darunter viele Wehrpflichtige. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba glaubt aber, mit den „richtigen Instrumenten und Interaktionen“ die Geflüchteten zur Rückkehr aus dem Ausland bewegen zu können.
„Wir müssen die richtigen Worte, die richtigen Instrumente und die richtige Interaktion finden“, sagte Kuleba bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der ukrainischen First Lady Olena Selenska, ohne zu präzisieren, welche Instrumente er im Sinn habe. Gleichzeitig habe Kuleba gesagt, dass die Ukrainer nicht zur Rückkehr in ihre Heimat „gedrängt“ werden können, berichtet die nationale Nachrichtenagentur Ukrinform.
Kuleba appelliert an Heimatstolz der Ukrainer: Land braucht Hilfe bei der Verteidigung gegen Russland
Kuleba wies darauf hin, dass einige Ukrainer im Ausland aufgrund von Krankheit, der Notwendigkeit, sich um Angehörige zu kümmern, oder anderen dringenden humanitären Problemen nicht zurückkehren können.

„Ich denke, wenn man diese Gruppe beiseite lässt, dann sind wir alle hier in diesem Raum, die Ukrainer, die jetzt ihre Prüfungen an den Universitäten ablegen, auf den Feldern, in den Fabriken oder in der Wirtschaft arbeiten, ein klarer Beweis dafür, dass man in der Ukraine leben, sich entwickeln und Kinder großziehen kann“, sagte Kuleba.
Bereits im Februar rief Kuleba die Ukrainer, die das Land während der russischen Invasion verlassen hatten, dazu auf, zurückzukehren und bei der Verteidigung ihres Heimatlandes zu helfen.
In der Union werden Forderungen laut: Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge soll gestoppt werden
Während Kuleba an den Heimatstolz der Ukrainer appelliert, schwindet in der Bundesregierung zusehends die Unterstützung für die Kriegsflüchtlinge. Denn mehrere Innenminister wollen die Zahlung von Bürgergeld an die vor dem Krieg Geflohenen aus der Ukraine beenden. Stattdessen wollen sie erreichen, dass nur niedrigere Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fließen.
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Auch aus der Union werden die Forderungen nach einem Ende von Bürgergeldzahlungen an nach Deutschland geflohene Ukrainer im wehrfähigen Alter lauter. „Während es für Kiew angesichts des brutalen russischen Angriffs um alles geht, ducken sich hierzulande viele wehrfähige Ukrainer weg“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, am Sonntag der Funke-Mediengruppe. Bemühungen der ukrainischen Regierung, diese zur Rückkehr zu bewegen, würden durch die „Bürgergeld-Praxis hintertrieben“.
Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl forderte am Dienstag (18. Juni) einen Kurswechsel der Bundesregierung. Er hoffe auf eine starke gemeinsame Haltung der Länder bei der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam, sagte der CDU-Minister in Stuttgart. Die IMK tagt von Mittwoch (19. Juni) bis Sonntag (23. Juni) in Potsdam. Zuletzt hatten auch der Vorsitzende der IMK, der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen, und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) das Angebot für Ukrainer kritisiert.
Aus Sicht von Strobl könnte das Bürgergeld bei Menschen aus der Ukraine der Grund sein, Deutschland als Ziel für ihre Flucht zu wählen. „Möglicherweise haben wir auch deswegen besonders viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, im Unterschied zu unserem Nachbarland Frankreich beispielsweise, weil es hier diese hohen sozialen Leistungen gibt, die es nirgendwo sonst in Europa gibt“, sagte Strobl.
210.000 wehrpflichtige Ukrainer in Deutschland: Kiew verschärft Regeln für die Mobilisierung von Soldaten
Vor allem mit Blick auf die wehrpflichtigen Männer sei das Bürgergeld eine schlechte Wahl: „Wenn wir es ernst nehmen, dass wir den Verteidigungskampf der Ukrainer stärken, dann müssen wir überall unsere Beiträge dazu leisten.“
Dem RND zufolge hielten sich zwischenzeitlich rund 256.000 Ukrainer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren in Deutschland auf. Zuletzt waren es demnach noch knapp 210.000. Im Bemühen, Männer zur Rückkehr zu bewegen, stoppte die Ukraine im April die Ausgabe von Reisepässen an im Ausland befindliche männliche Staatsangehörige im Alter zwischen 18 und 60 Jahren.

Somit können ukrainische Männer im wehrfähigen Alter ihre Pässe künftig nur noch im Land selbst erhalten. Davor hatte Kiew bereits die Regeln für die Mobilisierung von Soldaten verschärft. Unter anderem werden Kriegsdienstverweigerer härter bestraft und Kriegsdienstleistende später entlassen. Die Ukraine ist nach mehr als zwei Jahren Krieg ins Hintertreffen gegenüber den russischen Angreifern geraten. Die Armee hatte zuletzt große Schwierigkeiten, neue Soldaten zu rekrutieren.
Bürgergeld für Flüchtlinge ein „grundsätzlicher Fehler“: Beschäftigungsquote von Ukrainern ist gering
Stübgen bezeichnete Bürgergeldzahlungen für ukrainische Flüchtlinge zudem als generell als falsch. Die Entscheidung, Flüchtlingen aus der Ukraine hierzulande sofort Bürgergeld zu zahlen, habe sich „als grundsätzlicher Fehler erwiesen“, sagte der Landesminister. „Die Beschäftigungsquote von Ukrainern ist verschwindend gering, weil das Bürgergeld zum Bremsschuh für die Arbeitsaufnahme geworden ist.“
Frei forderte Änderungen beim Bürgergeld auch für geflüchtete Ukrainerinnen. Wie „dringend reformbedürftig“ die bisherige Regelung sei, zeige sich auch darin, dass die Zahl der in Deutschland arbeitenden Ukrainerinnen „auffällig niedrig“ sei. „Es ist nicht akzeptabel, dass Ukrainerinnen, die in unseren Nachbarländern Zuflucht finden, mehrheitlich längst in Arbeit sind, nicht aber bei uns“, fügte er an. (bg/dpa)