Der Schleudersitz-Verein von Mittenwald

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Da war die Welt noch in Ordnung: Steffi Schimkus (2. v. l.) wird im Mai 2023 zur Vorsitzenden gewählt. Worüber sich auch Tessy Lödermann (l.) freut. Nach ihrem überraschenden Rücktritt führt deren eigentliche Stellvertreterin Maria Flagge (vo. Mitte) seit einiger Zeit interimsmäßig die Geschäfte. © Wolfgang Kunz

Vorsitzender zu sein beim Tierschutzverein, grenzt in Mittenwald beinahe schon an Masochismus. Binnen weniger Monate wurde erneut eine Führungskraft verschlissen. Mitte April sucht die Organisation wieder einen Mutigen.

Mittenwald – Dieser Posten hat einen eingebauten Schleudersitz. Zu diesem Schluss möchte man angesichts der latenten Führungskrise beim Tierschutzverein kommen. Seit 15 Jahren knistert es in regelmäßigen Abständen im Gebälk. Dann wird öffentlich gezofft und gegen das Schienbein getreten.

Jüngster Fall ist Steffi Schimkus, die – wie erst jetzt bekannt wurde – bereits im November 2023 die Reißleine gezogen hatte. „Ich muss auf meine Gesundheit schauen“, gibt sich die einstige Hoffnungsträgerin gegenüber dem Tagblatt eher wortkarg. Im gleichen Atemzug bestätigt sie, aus dem Tierschutzverein Mittenwald sogar ausgetreten zu sein. Über die Hintergründe schweigt sich Schimkus wohlweislich aus. Nun soll am 19. April in der Alpenrose eine Nachfolgerin gekürt werden.

Eben dort, wo Schimkus Ende Mai 2023 mit ihrer Kandidatur eine latente Führungskrise beendet und sie für allgemeine Aufbruchstimmung gesorgt hatte. Zehn Monate später ist diese schon wieder verpufft. Der Rücktritt von Schimkus, der überhaupt nicht an die Öffentlichkeit drang, sorgte im Vorstand für große Überraschung. „Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet“, meint Maria Flagge, die Zweite Vorsitzende, die seitdem die Geschäfte interimsmäßig führt. Doch von Aufgabe keine Spur. „Alle sind daran interessiert, dass der Tierschutzverein bestehen bleibt.“

Denn – auch das hat Tradition – mit jeder Führungskrise wird das Ende des 1953 gegründeten Vereins heraufbeschworen. Davon kann laut Flagge keine Rede sein. Im Hinblick auf die anstehende Sitzung teilt sie sogar mit: „Es gibt eine Kandidatin.“ Fragt sich, wie lange sie durchhält.

Erst Kontinuität, dann Turbulenzen

In diesem Zusammenhang empfiehlt sich ein Blick in die jüngere Vergangenheit des Tierschutzvereins, der bis 2009 – man glaubt es kaum weniger durch Personalrochaden, als vielmehr durch Kontinuität hervorstach. Diese ist mit Ludwig Knilling verbunden, der 36 Jahre unangefochten an der Spitze stand. Doch dann kamen die turbulenten Jahre – zunächst mit dem Vorsitzenden Markus Seitz (2009 bis 2010). Der „Biffele“ lieferte sich schon wenige Wochen nach seiner Wahl einen erbitterten Streit mit seinem Stellvertreter Peter Kläger. Höhepunkt dieser Schlammschlacht: Der Vize bezichtigt ausgerechnet den Vorsitzenden der Tierquälerei. Der Scherbenhaufen ist riesengroß. Bei den außerordentlichen Wahlen im Januar 2010 rückt Seitz freiwillig ins zweite Glied und überlässt Max Kastenberger (2020 bis 2016) den Vorsitz.

Dieser schafft es mit seiner ausgleichenden Art, den Tierschutzverein wieder in ruhige Fahrwasser zu bringen. Er arbeitet erfrischend ohne Nebengeräusche. Umso überraschender seine Abwahl im Frühjahr 2016. Mit 14:18 unterliegt er Christine Sprenger (2016 bis 2023), die nach eigenem Bekunden eigentlich den Vize-Posten angestrebt hatte. Doch so richtig glücklich wird die engagierte Tierschützerin mit Position eins nicht. „Ich habe keinen Vorstand mehr“, schlägt sie im Herbst 2020 Alarm. In der Tat haben reihenweise Führungsmitglieder ihre Posten vorzeitig zur Verfügung gestellt. Kritiker werfen Sprenger Alleingänge und mangelnde Teamfähigkeit vor. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Nach mehreren Rücktrittsdrohungen und einem kommissarischen Vorsitz auf Zeit im Jahr 2022 endet im Mai 2023 das Kapitel Christine Sprenger.

Mit Steffi Schimkus schienen die Mittenwalder Tierschützer ihre turbulenten Jahre hinter sich gelassen zu haben. Ein Trugschluss – im Schleudersitzverein. Fürs erste scheint auch Tessy Lödermann genug von ihm zu haben. „Ich halte mich da komplett raus“, sagt die Vorsitzende des Tierschutzvereins des Landkreises Garmisch-Partenkirchen. Immer wieder versuchte die ehemalige Landtagsabgeordnete der Grünen, die Wogen unterm Karwendel zu glätten. Nicht nur einmal spielte sie in Mittenwald die Nothelferin. „Ich war in 15 Jahren bei jeder Versammlung“, verdeutlicht Lödermann. „Doch diesmal werde ich nicht teilnehmen.“ Den Grund dafür kann man sich denken. Aber auch aus der Ferne drückt sie die Daumen. „Denn ich freue mich, wenn es in Mittenwald weitergeht.“

Terminhinweis:

Die Jahresversammlung mit der außerordentlichen Nachwahl des Vorsitzenden findet am Freitag, 19. April, statt. Die Mitglieder treten um 19.30 Uhr im Gasthof Alpenrose zusammen.

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