„Double-Tap“-Attacken: Putins Strategie folgt einem grausamen Muster
Sumy, Charkiw, Odessa: Was sich in den vergangenen Wochen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine abgespielt hat, zeigt immer deutlicher, wie grausam Putins Truppen vorgehen. Der jüngste Vorfall ereignete sich am 13. April in Sumy.
Sumy ist eine Stadt mit rund 200.000 Einwohnern, die rund 300 Kilometer Luftlinie östlich von Kiew und nur rund 30 Kilometer westlich der russischen Grenze liegt. Während viele Menschen am Palmsonntag in die Kirchen gingen, griffen Putins Truppen um kurz nach 10 Uhr das Zentrum der Stadt mit einer Iskander-Rakete an.
Ukraine: Als Hilfskräfte Verletzte versorgen, schlägt plötzlich zweite Putin-Rakete ein
Schnell strömten Hilfskräfte herbei, um zahlreichen Verletzten zu versorgen, die zwischen zahlreichen Toten und Trümmerteilen am Boden lagen. Dann geschah das, womit niemand gerechnet hatte: nur kurze Zeit nach dem ersten Angriff wurde die Innenstadt nach ukrainischen Angaben von einer zweiten Rakete getroffen.
Die Opfer diesmal waren vor allem jene, die gekommen waren, um den Verletzten zu helfen. Vorläufige Schreckensbilanz laut ukrainischen Angaben: 35 Tote und mehr als 110 Verletzte. Die russische Regierung hingegen behauptete, dass 60 ukrainische Militärs bei dem Angriff getötet worden seien.
Ähnliche Horrorszenarien hatten sich zuvor am 4. April in Charkiw mit vier Toten und am 15. März in Odessa mit 20 Toten und jeweils etlichen Verletzten ereignet.
EU-Politiker verurteilen Putins Doppelschläge als Kriegsverbrechen
Die Reaktionen zahlreicher Politiker auf den jüngsten Angriff in Sumy haben einen klaren Tenor: Mit derartigen Attacken versuchen Putins Truppen, ganz gezielt die Zivilbevölkerung der Ukraine zu töten.
CDU-Chef Friedrich Merz, der am 6. Mai zum nächsten Bundeskanzler gewählt werden soll, bezeichnete den Doppelschlag "eindeutig" als "ein Kriegsverbrechen, und zwar ein schweres". Der britische Premierminister Keir Starmer zeigte sich "entsetzt über die grausamen Angriffe Russlands auf die Zivilbevölkerung".
Noch direkter verurteilte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron den Angriff auf die Zivilbevölkerung. "Jedermann weiß, dass dieser Krieg von Russland allein begonnen wurde. Und heute wurde klar, dass Russland ihn fortführen will - unter eklatanter Missachtung von Menschenleben, internationalem Recht und den diplomatischen Bemühungen von Donald Trump."
Syrische "Weißhelme" dokumentierten Hunderte ähnlicher Angriffe von Putins Truppen
Neu ist diese Art der Kriegsführung, die die "Genfer Konvention" von 1949 klar als völkerrechtswidrig verurteilt, nicht - und Russland hat darin viel Erfahrung. Auf ähnliche Weise war es der Kreml-Armee schon während des Syrien-Krieges gelungen, die Verunsicherung in der Bevölkerung durch solche Doppel-Schläge in kurzer Zeitabfolge zu erhöhen.
Nach Angaben von Raed al-Saleh, dem Chef der syrischen Hilfsorganisation "Weißhelme", steckt hinter dieser Taktik das Ziel, "den Willen der Zivilisten zu brechen“, sagte er gegenüber der BBC. „Offen gesagt hat die russische Armee keine Moral, wenn es um militärische Operationen geht." Für die Zeit zwischen 2015 und 2017 seien "Hunderte solcher Fälle dokumentiert, seit Russland interveniert hat“, so al-Saleh weiter.
Diese Vorgehensweise hatte eine Massenflucht der Bevölkerung ausgelöst, was bei der Kontrolle der umkämpften Gebiete den Regierungstruppen zugute kam, die von Russland unterstützt wurden.
UN verurteilen "beunruhigende Doppelschläge", Russland weist Schuld von sich
Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten stellte dem Bericht zufolge in den vergangenen Wochen ein "besonders beunruhigendes Muster von Doppelschlägen" fest und nannte dies "grausam und skrupellos". Seit Kriegsbeginn sollen nach Angaben des "Ukraine's State Emergencies Service" (DSNS) 91 Retter durch russische Angriffe getötet und mehr als 340 verletzt worden sein, teilte ein Sprecher der BBC mit.
Die russische Armee hat solche verbotenen Doppelschläge bislang nie dementiert, jedoch wiederholt bestritten, bewusst zivile Ziele anzugreifen.