„Sozialer Unfrieden vorprogrammiert“: Gemeinde lehnt Asylunterkunft ab – und will notfalls klagen

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Auf einen aktuellen Entscheid in Sachen Flüchtlingsunterkunft des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof will sich die Gemeinde Dietramszell zur Not berufen. © Volker Ufertinger

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat per Eilentscheid die vom Landratsamt erteilte Baugenehmigung für eine bereits errichtete Asylunterkunft in Bad Tölz vorläufig außer Kraft gesetzt. Auf diesen Entscheid will sich die Gemeinde Dietramszell berufen.

Dietramszell – So voll war es bei einer Bauausschusssitzung selten. Rund 80 Bürgerinnen und Bürger, größtenteils aus dem Ortsteil Bairawies, verfolgten am Dienstagabend die Beratungen des Gremiums. Der Grund: Auf der Tagesordnung stand ein Beschluss zur Errichtung von Containeranlagen für Flüchtlinge in ihrem Dorf.

Konkret soll auf einer bisher ungenutzten Wiese am nördlichen Rand von Bairawies eine Gemeinschaftsunterkunft für 128 Asylsuchende in 24 Apartments entstehen. Der Antrag auf Vorbescheid sei digital beim Landratsamt eingereicht worden und ihm von dort per E-Mail zugegangen, erläuterte Bürgermeister Josef Hauser. Er gehe deshalb davon aus, dass es bereits Vorgespräche zwischen den Planern und der Behörde über die Anmietung gegeben habe. Das Grundstück liege zwar planungsrechtlich im Außenbereich und sei einer landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten. Eine mobile Unterkunft für Flüchtlinge ließe sich über eine Sonderregelung dennoch genehmigen. Dann gelte eine Befristung auf drei Jahre, die bis höchstens Ende 2030 verlängert werden könne.

Bürgermeister: „Sozialer Unfrieden vorprogrammiert“

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„Voraussetzung ist aber, dass ein tatsächlicher Bedarf an zusätzlichen Unterkünften im Gemeindegebiet vorliegt“, führte Hauser aus und betonte: „Ich bezweifle, dass dieser Bedarf gegeben ist.“ Wie berichtet wurde bereits die ehemalige Öko-Akademie in Linden zur Unterbringung von 113 Flüchten umgebaut – steht aber nach wie vor leer. Zusätzlich habe das Landratsamt erst kürzlich für diesen Zweck ein Wohnhaus in Schönegg angemietet, so Hauser, und zwei weitere Liegenschaften seines Wissens nach bereits wieder gekündigt. Der Gemeindechef ist sich sicher: „Wir haben unsere Quote erfüllt.“

Menschlich ist das starker Tobak.

Bei 292 Einwohnern in Bairawies sei durch eine derart große Asylunterkunft in der unmittelbaren Nachbarschaft „sozialer Unfrieden vorprogrammiert“. Bernhard Fuchs von den Freien Wählern, ebenfalls Bairawieser, sah zudem das nahegelegene Landschulheim in seiner Existenz gefährdet. Er nannte das Bauvorhaben „ein Geschäftsmodell auf Kosten der Bewohner und des Steuerzahlers“. Laut Eingabeplan will der Eigentümer aus Wolfratshausen sein rund 6000 Quadratmeter großes Grundstück einem Lenggrieser Immobilieninvestor in Erbpacht überlassen. Dessen Entwurf sieht zwei zweistöckige Containeranlagen vor: In einer sollen in 26 Quadratmeter großen Räumen jeweils sechs Personen untergebracht werden. Toiletten, Waschräume und Kochgelegenheiten befinden sich in einem zweiten Gebäude. „Menschlich ist das starker Tobak“, empörte sich Maria Spindler (Grüne).

Hinweis auf aktuellen Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs

Auch die anderen Ausschussmitglieder machten deutlich, dass sie dem Bauvorhaben nicht zustimmen könnten. Das Landratsamt hat jedoch die Option, das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen und die Genehmigung gegen den Willen Dietramszells zu erteilen. Für diesen Fall sollte sich die Kommune frühzeitig rechtlichen Beistand suchen, empfahl Ludwig Gröbmaier (CSU). „Da bin ich dabei“, sagte Hauser. Fuchs verwies auf den aktuellen Eilentscheid des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH), der eine Baugenehmigung des Landratsamts für eine bereits errichtete Asylunterkunft in Bad Tölz vorläufig außer Kraft gesetzt hat. Wie berichtet berief sich das Gericht dabei auf die dominierende, den Charakter des Gebiets verändernde Wirkung und mögliche Lärmkonflikte. „Das passt eins zu eins auf Bairawies“, konstatierte Fuchs. Gegen die Baugenehmigung geklagt hatten die Stadt Bad Tölz sowie Anwohner.

Mit einem Augenzwinkern brachte Michael Häsch (CSU) noch eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Den geplanten Bau der Gemeinschaftsunterkunft durch naturschutzrechtliche Argumente zu verhindern: „Ihr werdet sicher dort eine Haselmaus oder ein paar Salamander finden.“ In der Nähe des Standorts liegen ein Flachlandbiotop sowie das Naturschutzgebiet Zellbachtal. Einstimmig lehnte der Ausschuss den Bauantrag ab.

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