„Die Höfe geben auf“: Regionale Bauern vor dem Aus - Spitzentreffen in Dietramszell

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Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner (2. v. li.) war mit ihren Parteikollegen Alexander Radwan und Thomas Holz (2. v. re.) zu Gast auf dem Hof von Michael Häsch (rechts). Dort warben Judith Schermann (li.) und Adriane Schua für regionale Lebensmittel. © Sabine Hermsdorf-Hiss

Die Landtagspräsidentin trifft beim Bertenbauer Vertreter von „Unser Land“. Die werben vor CSU-Vertretern für die regionale Landwirtschaft.

Dietramszell - Die Milch für den Kaffee stammt aus Miesbach. Der Fruchtsaft kommt aus der Region. Die Herkunft des Mehls im Gebäck blieb unbekannt. Beim Besuch von Landtagspräsidentin Ilse Aigner auf dem Bertenbauernhof in Diet㈠ramszell stand die Regionalität der Lebensmittel auf dem Tisch und im Gesprächsmittelpunkt – wie die Angst der Landwirte. Viele kleine Unternehmen haben schon aufgegeben. „Die Höfe geben auf, zwei Drittel der Brütereien sind schon weg und eigentlich haben wir die Regionalproduktion schon kaputt gemacht“, kritisierte Geflügelbauer Michael Häsch am Montagnachmittag bei Kaffee und Rosinenbrot.

Bio gegen Regional: Bauern im Spannungsfeld

Er und die Vertreter der Solidargemeinschaft „Unser Land“ halten eine Unterstützung – finanziell, juristisch und ideell – der regionalen Höfe für nötig, um den Trend zu stoppen. Adriane Schua beklagte ein Image-Problem: „Wir bieten auch konventionelle Produkte aus der Region an – die haben zwar kein Biosiegel, die Hürden liegen trotzdem höher als bei vielen Bio-Produkten aus dem Ausland.“ Die Geschäftsführerin der Solidargemeinschaft, Judith Schermann, hält es für widersinnig, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse quer durch Deutschland oder gar Europa transportiert werden und wegen eines Siegels für die umweltfreundlichere Variante gehalten werden. „Wir haben kurze Wege vom Erzeuger bis zum Handel. Selbst die Futtermittel kommen aus der Region.“ Schua warb bei Aigner, beim Landtagsabgeordneten Thomas Holz und dem Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan für die regionale Produktion – zum Beispiel bei Ausschreibungen. Aigner erklärte: „Es gibt eine Fraktion, der ist Bioqualität wichtiger als regional.“ Sie selbst zähle sich zu den Regio-Unterstützern.

„Tierhaltung hat sich sehr verbessert“: Regionale Landwirte erfüllen Auflagen

Bio oder nicht: „Die Tierhaltung hat sich sehr verbessert.“ Für die Landwirte ist das oft mit hohen Kosten verbunden. Zum Beispiel, durch das neue Gesetz zum Kükentöten. „In Österreich gibt‘s eine andere Lösung: Da werden die männlichen Küken zu Futterhähnen. Das ist in Deutschland nicht mehr möglich“, erläutert Häsch. Im Nachbarland seien in der Entstehung des Gesetzes Experten zusammengekommen. „Da hat man sich an einen Tisch gehockt mit den Leuten, die es betrifft.“ Für Schua der einzige Weg: „Wenn schon neue Gesetze erlassen werden, dann sollte man auch die Leute fragen, die täglich mit der Thematik zu tun haben.“ In den familiengeführten Höfen „steckt so viel Expertise“, die nicht gehört werde.

Bürokratie in der Landwirtschaft: „Muss 20 Aktenordner führen“

Viele Neuregelungen würden mehr Aufwand von den Produzenten verlangen. Laut Schua verbringen Bauern zehn Prozent ihrer Arbeitszeit nur noch mit Dokumentation. „Ich muss 20 Aktenordner führen“, sagte Häsch. Er warb für eine Verschlankung der Bürokratie. Für einen kleinen regionalen Betrieb sei der Mehraufwand nämlich kaum zu tragen – genau wie die Kosten. Aufkommen dafür müsste eigentlich der Verbraucher.

„Die Menschen sind bereit, mehr zu bezahlen für gute Qualität. Aber wenn die Differenz zu groß wird, kauft man doch das günstigere Produkt“, erklärte Häsch. Ex-Landwirtschaftsministerin Aigner weiß: „Der Verbraucher ist manchmal ein komisches Wesen: Viele stellen sehr hohe Ansprüche, aber wollen dafür nichts bezahlen. Die Dichte der teuren Autos auf dem Aldi-Parkplatz ist bemerkenswert.“

Radwan spricht von „Schizophrenie“: Entscheidungen gegen Regionalbetriebe

Alexander Radwan gab den Unser-Land-Vertretern im Kern recht: „Die politischen Entscheidungen führen oft genau zu dem, was niemand möchte: der Konzentration der Landwirtschaft.“ Der Bundestagsabgeordnete erkannte „eine gewisse Schizophrenie“. Durch die finanziellen Rahmenbedingungen sei dieser Effekt kaum mehr zu stoppen, warnte Schermann. „Die Marketing-Kosten wie andere, die können wir nicht bezahlen.“ Die einzige Chance für Unser Land und andere Regionalpartner sei es, immer wieder Bildungsarbeit zu betreiben, um zu zeigen, wie wichtig vor Ort produzierte Nahrungsmittel seien.

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Der Landtagsabgeordnete Thomas Holz ermutigte die Solidargemeinschaft: „Ich glaube, die Leute wollen Bio – aber noch wichtiger ist für viele, dass es regional ist. Wenn das dann auch noch Bio-Qualität hat: Top.“

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